Das Entsetzen geht um im Stadtrat. Was tut der Leipziger Oberbürgermeister da eigentlich in Sachen VNG? Seit dem 15. Juli ist offiziell, dass die Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (LVV) ein Angebot für die EWE-Anteile an der Verbundnetz Gas AG (VNG) abgegeben hat. Am Dienstag, 21. Juli, hat auch OBM Burkhard Jung via LVZ geäußert, dass er den Mega-Deal von 1,1 Milliarden Euro will. Bezahlen will es die Stadtholding LVV mit Krediten.

Laut Jung wäre das bei der derzeitigen Zinslage machbar.

Doch das Neue an dem Vorgang ist, dass öffentlich darüber geredet wird. Etwas, was sich OBM und LVV bei kleineren Deals im Rahmen der VNG bisher so gut wie möglich verbeten haben. Und da ging es eher nur um zweistellige Millionenbeträge für die Anteile anderer Kommunen an der VNG, die Leipzig übernehmen wollte. Über solche Käufe wird normalerweise hinter verschlossenen Türen verhandelt, denn jede Information, jede Interessenbekundung, die nach außen dringt, verändert den Preis, treibt ihn für gewöhnlich in die Höhe.

Deswegen informiert eine Geschäftsleitung auch nicht die Presse, sondern nur den Aufsichtsrat. Und der ist – das kennen die Leipziger aus der Wasserwerke-Geschichte – zum Schweigen verdonnert. Da sitzen dann zwar auch Stadträte drin, die in Verantwortung zur Kontrolle des Unternehmens stehen. Doch auch sie dürfen nichts in der Öffentlichkeit ausplaudern.

Trotzdem ist die Geschichte öffentlich geworden. Und die Grünen-Stadträtin aus dem Aufsichtsrat kann nur mit dem Kopf schütteln.

Katharina Krefft hält den Zeitpunkt der Erklärung, eine Woche nach Abgabe des Angebotes der LVV, für unklug. “Alle haben bislang die Füße still gehalten, um das Geschäft nicht zu beeinträchtigen oder sich eine negative Beeinflussung durch öffentliche Bekundungen vorwerfen lassen zu müssen. Wir Aufsichtsräte wurden zu absolutem Stillschweigen verdonnert. Doch der OBM posaunt in die Welt à la ‘Der Preis ist egal, wir kaufen’!”

Zumindest war das so der Berichterstattung der LVZ am 21. Juli zu entnehmen, wo Burkhard Jung den Erwerb der VNG-Anteile von der EWE mit der Aussage unterstützte: “Wir sollten uns den Erwerb der VNG leisten …“.

Das verband er mit der Zusage, die Stadt würde sich zur Risikoabsicherung für die Stadtholding LVV bereithalten. Aber genau das kann er nicht sagen, weil er sich die dafür nötige Zustimmung im Stadtrat noch gar nicht abgeholt hat.

“Herr Jung handelt ohne Mandat des Stadtrates”, erklärt Norman Volger. “Bislang wurde kein Beschluss aus dem Stadtrat eingeholt, um den Ankauf der VNG-Anteile zu unterstützen.”

Und so sicher ist auch die Zustimmung im Stadtrat nicht. “Wir sehen den Erwerb der von EWE gehaltenen Anteile durch die LVV durchaus auch kritisch”, sagt Volger. Und weist darauf hin, dass im Stadtkonzern noch immer jede Menge Baustellen zu bewältigen sind, die alle Geld kosten: “Die LVV stehen vor einer Reihe von Aufgaben in ihren Töchterunternehmen. Die Preiserhöhungen bei den LVB, der Gewinnrückgang bei den Stadtwerken, der weiterhin nicht abgeschlossene KWL-Prozess in London. Die Unternehmen erfordern die ungeteilte Aufmerksamkeit der LVV-Geschäftsführung, doch der Oberbürgermeister als Aufsichtsratsvorsitzender treibt die LVV in ein Geschäft, das überregional durchaus auch als riskant bezeichnet wird.”

“Ist die Verschuldung der LVV zur Finanzierung des Erwerbes der VNG-Anteile unter der gemeinsamen Betrachtung des Kaufpreises, der Renditeerwartung auf die Anteile und der zu erwartenden jährlichen Gewerbesteuern für die Stadt insgesamt wirtschaftlich tragfähig?”, fragt Katharina Krefft, die für die Grünen im Aufsichtsrat der LVV sitzt. Die Rechnung hat nämlich noch niemand öffentlich gemacht.

“Gerade weil sich die skeptischen Stimmen mehren, sollte der OBM bedachter mit dem Stadtrat umgehen. So jedenfalls kann man die Fragen rund um den VNG-Erwerb nicht abwürgen”, sagt Norman Volger. Obwohl es eher nicht nach einem Abwürgen aussah, als nach einer großen Werbung für ein Projekt, das sich vergleichbare Großstädte in Deutschland derzeit garantiert nicht zutrauen würden.

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