Kann es sein, dass all die vielen Flüchtlinge aus den zerrütteten Regionen des Nahen Ostens und Südeuropas genau jetzt und genau deshalb nach Deutschland kommen, weil sie sehen, dass hier der Wirtschaftsmotor noch brummt? Dass es hier Chancen gibt für einen echten Neuanfang? Auch Flüchtlingsströme haben wirtschaftliche Ursachen. Und während Politiker mit Mauerreflex Muffensausen bekommen, meldet auch die Region Leipzig: Der Laden läuft.

In einer aktuellen Befragung der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig bewertet die gewerbliche Wirtschaft ihre Lage und Geschäftserwartungen auch im Herbst 2015 auf einem sehr hohen Niveau. Wolfgang Topf, Präsident der IHK zu Leipzig: „Der IHK-Geschäftsklima-Index erreicht mit 128 Punkten einen neuen Höchststand und bestätigt die unverändert guten Wachstumsaussichten für die Leipziger Wirtschaftsregion.“

Wo ist das Geunke der sogenannten Wirtschaftsexperten, die noch im Frühjahr die nächste Eintrübung prophezeit hatten? War es mal wieder reine Kaffeesatzleserei? Vieles spricht dafür.

Dass das an falschen Wirtschaftstheorien liegen könnte, haben wir ja schon mehrfach angemerkt. All diese seltsamen rein auf den “Markt” fixierten Theorien blenden immer das Wichtigste aus: Wirtschaft macht ohne Menschen keinen Sinn. Alles passiert nur, weil Menschen Wünsche und Bedürfnisse haben.

An der Konjunkturbefragung im Herbst 2015 beteiligten sich 624 im IHK-Bezirk Leipzig (Stadt Leipzig, Landkreise Nordsachsen und Leipzig) ansässige Unternehmen aller Branchen und Größenklassen mit mehr als 35.000 Beschäftigten.

Der Saldo der Geschäftslagebeurteilungen konnte im Vergleich zum Frühjahr 2015 um 3 auf +42 Punkte zulegen und erreicht wieder seine bereits zum Jahresbeginn erzielte Bestmarke.

Gegenüber dem Frühjahr fallen die Geschäftsprognosen der Unternehmen kaum verändert aus, stellt die IHK fest. Die meisten Auftragsbücher sind also gut gefüllt. Der Saldo aus positiven und negativen Geschäftserwartungen sinkt lediglich um einen auf +15 Punkte. Damit liegt er jedoch fast doppelt so hoch wie im Herbst 2014. Vor allem der Handel profitiert weiterhin von der guten Konsumlaune der Verbraucher, aber auch die Industrie und das Verkehrsgewerbe beurteilen ihre aktuelle Situation deutlich günstiger als noch vor 12 Monaten.

Oder sollte man sagen: Die höheren Lohnabschlüsse der letzten Jahre und der Mindestlohn  haben den Leipzigern endlich wieder Luft für notwendige Anschaffungen gebracht?

Dem positiven Trend folgend lasse sich auch für die kommenden 12 Monate ein Beschäftigungsaufbau in der gewerblichen Wirtschaft erwarten, stellt die IHK trocken fest. Die Metropolregion Leipzig wird also weiter Jobs schaffen. Der Saldo sinkt mit Blick auf das Winterhalbjahr zwar um 2 auf +10 Punkte, liegt damit aber um 3 Punkte über dem Vorjahresstand. Probleme bei der Besetzung offener Stellen signalisieren derzeit etwa 30 Prozent der befragten Unternehmen.

Aber natürlich gibt es keine IHK-Auswertung ohne den Versuch, die möglichen Risikofaktoren zu benennen. Aus leidiger Erfahrung. So lange ist das ja noch nicht her, dass die Region Leipzig scheinbar dauerhaft tief in der wirtschaftlichen Misere steckte – bis ungefähr 2005. Dann begann sie sich ein bisschen zu erholen und wurde – wie der Rest der Welt auch – 2009 von den Folgen der Wirtschaftskrise getroffen. Erst seit 2011 geht es wirklich kontinuierlich voran. Das ist noch keine allzu lange Zeit.

Das Ranking der Risikofaktoren für die befragten Unternehmen wird unverändert von den Arbeitskosten angeführt, stellt die IHK fest. Kaum weniger häufig wurde die Inlandsnachfrage genannt, gefolgt von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und dem Fachkräftemangel. Gegenüber dem Vorjahresstand ist der Anteil der Nennungen bei den vier führenden Risikofaktoren nahezu unverändert.

Was im Klartext heißt: Augenblicklich sehen die Unternehmen der Region tatsächlich keine schwerwiegenden Risiken. Das Thema Arbeitskosten beschäftigt sie seit ungefähr zwei Jahrzehnten. Verliert man die Wettbewerbsfähigkeit, wenn die Kosten zu hoch sind? Muss man die Leute dann entlassen?

Die Sorge ging ja vor einem Jahr um: Wie wirkt der Mindestlohn? Noch vor wenigen Tagen hat der DEHOGA noch einmal Alarm gespielt. Was stimmt: In den ländlichen Regionen können Hotels und Gaststätten den Mindestlohn oft nicht erwirtschaften. In Großstädten wie Leipzig aber schon. Was dazu führt, dass Leipzigs Gastronomen zwar weniger Leute einstellen – aber sie stellen trotzdem ein.

Aber die Leipziger Wirtschaft sieht natürlich auch, wie hilflos Teile der Politik augenblicklich in der Bewältigung der Flüchtlingsunterbringung herumzappeln.

Und so betont denn auch IHK-Präsident Wolfgang Topf: “Der weiterhin anhaltende Zustrom von Asylsuchenden erfordert vielfache Anstrengungen: Von der witterungsfesten Unterbringung einer großen Zahl von Personen über deren Erfassung in Bezug auf Kenntnisse und Qualifikationen bis hin zur Vermittlung in Sprach- und Integrationskurse sind viele Fragen derzeit noch ungelöst. Eine erfolgreiche Integration kann ohne eine auskömmliche Finanzierung sowie ohne Beschäftigungsperspektiven für diejenigen, die in Deutschland bleiben können, nicht gelingen. Die Wirtschaft wird dazu ihren Beitrag entsprechend der Bedarfe der Unternehmen und der Fertigkeiten der Zugewanderten leisten, insofern bürokratische Hürden weiter abgebaut werden.”

Die deutsche Bürokratie macht also nicht nur den Asylsuchenden zu schaffen. Sie verärgert auch die Unternehmen. Denn die beste Integration ist noch immer, den Ankommenden so bald wie möglich die Chance auf eine Arbeit zu eröffnen. Dann werden sie auch nicht zum Sozialfall, können ihre Familie ernähren und tragen dazu bei, dass der Motor Mitteldeutschland weiter brummt.

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