Leipzig hat noch immer keinen richtigen Plan zum nachhaltigen Umbau der Strom- und Wärmeversorgung. Die Zahlen stagnieren – zum Beispiel beim CO2-Aufkommen der Stadt. Und es könnte passieren, dass Leipzig die richtigen Weichen zu spät stellt. Entsprechend forsch wirkte ein Beschluss, den der Kreisverband der Grünen am Samstag, 10. Dezember, fasste: Bis 2023 soll die Fernwärmeversorgung aus Lippendorf beendet werden.

„Zur Energiewende gehört die Wärmewende. Deshalb ist das Braunkohlekraftwerk Lippendorf nicht mehr tragbar. Wir sind daher für einen Ausstieg bis 2023. Wir brauchen eine lokale, nachhaltige und erneuerbare Fernwärme für Leipzig. Dazu gehören kleine Blockheizkraftwerke in Bürgerhand genauso wie eine energetische Gebäudesanierung“, erklärt hierzu der neu gewählte Sprecher des Kreisverbandes, Matthias Jobke.

Das Jahr 2023 steht deshalb im Beschluss, weil die Fernwärme-Lieferverträge der Leipziger Stadtwerke mit dem Kraftwerk Lippendorf bis 2023 abgeschlossen sind. Der größte Teil der Leipziger Fernwärme wird aus Lippendorf geliefert. Dort entsteht der heiße Dampf als Abwärme bei der Stromerzeugung. Insofern ist diese Nachnutzung der sowieso verfügbaren Energie sinnvoll – aber keine Zukunftslösung.

Denn damit ist Leipzig auch abhängig von einem Lieferanten, den zumindest die Grünen mit Argwohn betrachten. Und den Fakt, dass das Kraftwerk mit Kohle befeuert wird, die erheblich zur Klimabelastung beiträgt, schafft diese Zusatznutzung auch nicht aus der Welt.

Exit-Strategie bis 2023

Die Grünen plädieren nun dafür, ein externes Gutachten durch unabhängige Experten zu einer Exit-Strategie bis 2023 erstellen zu lassen. Weiterhin soll eine Alternativstruktur für die Fernwärmeversorgung aufgezeigt werden. Denn wenn man Fernwärme nicht mehr mit Kohle erzeugt, braucht es eine andere Energiequelle.

„Problematisch ist, dass 50 Prozent des Kraftwerkes Lippendorf zwischenzeitlich in der Hand von EPH, einem tschechischen Finanzinvestor, ist. Dessen intransparentes Geschäftsgebaren stellt nicht zuletzt auch ein Problem für die öffentlichen Finanzen dar. Wir müssen vorausschauend planen und uns auf einen Ausstieg aus der Kohlekraft vorbereiten, zum Wohle der Verbraucher und der Stadt“, erklärt Stefanie Gruner, die nun wieder neu gewählte Sprecherin des Kreisverbandes.

Das Thema hat auch deshalb politisches Gewicht, weil der Ausbau der Fernwärmeversorgung in Leipzig den Stadtwerken eigentlich als Hausaufgabe ins Buch geschrieben wurde. Seit Jahren haben sie deshalb den Anschluss immer neuer Stadtgebiete ans Fernwärmenetz forciert. Dafür bekommen sie im Leipziger Westen sogar Fördergeld.

Fördergelder für den Oststrang

„Der Ausbau des Fernwärmenetzes zum Anschluss öffentlicher Gebäude im Leipziger Westen durch die Stadtwerke Leipzig soll mit Fördermitteln in Höhe von knapp 847.000 Euro unterstützt werden. Oberbürgermeister Burkhard Jung wird auf Vorschlag von Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau eine entsprechende Vorlage im Dezember in den Stadtrat einbringen. Die Mittel kommen aus dem europäischen EFRE-Programm, aus dem Bund-Länder-Programm Stadtumbau Ost und aus dem städtischen Haushalt. Parallel dazu muss der räumliche Zuschnitt des bestehenden EFRE-Fördergebietes Leipziger Westen angepasst werden“, teilte das Planungsdezernat dazu am 8. November mit. „Die Fördermittel sollen in den sogenannten ‚Oststrang‘ fließen, den die Stadtwerke abschnittsweise zwischen Januar 2017 und September 2019 bauen wollen. Ausgehend von der Gießerstraße führt der geplante Trassenverlauf über die Naumburger Straße, Nonnenstraße, Weißenfelser Straße, Alte Straße, Erich-Zeigner-Allee, Lionstraße, Zschochersche Straße bis Dreilindenstraße. Dadurch können die Erich-Zeigner-Grundschule, das Karl-Heine-Gymnasium, die Stadtteilbibliothek Plagwitz und die Musikalische Komödie an die aus hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung gespeiste Wärmeversorgung angeschlossen werden. Die Kosten des ‚Oststrangs‘ werden insgesamt mit rund 4,9 Millionen Euro veranschlagt.“

Mit der aus „effizienter Kraft-Wärme-Kopplung gespeisten Wärmeversorgung“ war tatsächlich die Lieferung auch aus Lippendorf gemeint. Mit Betonung auf „auch“. Denn in kalten Tagen produziert auch die Gasturbinenanlage in der Eutritzscher Straße im Kopplungsprinzip Fernwärme fürs Leipziger Netz.

Und eine gewisse Vision, wie Leipzigs Wärmeversorgung künftig aussehen kann, haben die Stadtwerke schon – wenn auch noch nicht zu Ende definiert: „Das Vorhaben ist ein weiterer Schritt bei der Umsetzung des 2014 beschlossenen Energie- und Klimaschutzprogramms der Stadt Leipzig. Ziele sind die Schaffung eines zukunftsfähigen Fernwärmenetzes als Basis für ein ‚Schwarmkraftwerk‘, das heißt ein Cluster aus dezentralen Erzeugungsanlagen, sowie die Senkung des Primärenergiebedarfs und die Komplementierung der denkmalgerechten energetischen Sanierung öffentlicher Gebäude. Das Netz schafft außerdem die Voraussetzungen zur Einbindung erneuerbarer Energien. Im Rahmen des Programms Smart Cities soll es weiter entwickelt werden.“

Smart City braucht „grüne“ Fernwärme

Dieses Konzept gibt es tatsächlich. Die Leipziger Gruppe hat es am 22. November der Dienstberatung des OBM vorgelegt. Darin sind 15 Leuchtturmprojekte aufgeführt. Eines davon nennt sich „,Grüne‘ Fernwärme“.

„Das Leuchtturm-Projekt ist schwerpunktmäßig dem Handlungsfeld Energie zugeordnet“, wird dazu erläutert. „Das Vorhaben grüne Fernwärme beschäftigt sich mit der zukünftigen Wärmeversorgung in Leipzig. Ausgehend von einer langfristigen Ablösung kohlebasierter Erzeugungsanlagen, geht es bei diesem Vorhaben insbesondere darum, wie eine intelligente Kombination vorhandener und weiterhin nutzbarer Wärmeinfrastruktur mit innovativen dezentralen Ansätzen gelingen kann. Hierfür soll im Zuge der Entwicklung und Umsetzung dieses Smart-City-Projekts eine technologieoffen ausgestaltete Untersuchung mit dem Schwerpunkt der CO2-Vermeidung und des Einsatzes erneuerbarer Energieträger angestoßen und ihre Umsetzung eingeleitet werden. Mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit entsprechender Vorhaben soll ein Transformationspfad für die Stadt Leipzig bis 2050 (Paris-Abkommen) entwickelt und unter Implementierung von Modell- und Pilotvorhaben für eine grüne – überwiegend aus erneuerbaren Energien gespeiste – Wärmeversorgung erprobt und schrittweise begonnen werden.“

Bis auf die Tatsache, dass man bis 2050 raus sein will aus der fossilen Energieerzeugung, steht noch kein konkretes Datum drin. Aber wenn die Grünen jetzt Druck machen, die Lieferverträge mit Lippendorf 2023 zu beenden, dann erzeugt das natürlich auch Umsetzungsdruck. Denn niemand weiß, ob sich Lippendorf dauerhaft wirtschaftlich tragen wird. Je mehr erneuerbare Energien am Markt sind, umso mehr verschlechtert sich die Rentabilität der Kohlekraftwerke. Die angeschlossenen Städte sind also gut beraten, schon frühzeitig belastbare Exit-Strukturen zu schaffen.

Und man muss die Strukturen haben, bevor man Lieferverträge aufkündigt. Die Zeit läuft.

Grüne haben auch ihren Vorstand neu gewählt

Die Grünen haben am Samstag nicht nur über Fernwärme diskutiert. Sie haben auch noch ihren Vorstand neu gewählt. Neue Vorstandssprecherin ist Stefanie Gruner (36/Rechtsanwältin), die dem Stadtverband bereits von 2010 bis 2012 vorstand und nun mit 87 Prozent der Stimmen zur Nachfolgerin von Christin Melcher gewählt wurde.

Vorstandssprecher für die nächsten beiden Jahre ist Matthias Jobke (29/Jurastudent), früherer Sprecher der Grünen Jugend Sachsen, dem 72 Prozent der anwesenden Mitglieder ihr Vertrauen aussprachen. Schatzmeister bleibt Martin Biederstedt. Zu Beisitzerinnen und Beisitzern wurden Vildan Akkol, Ulrike Böhm, Kristina Weyh, Lorenz Bücklein und Andre Fehse-Klinke gewählt.

Der Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen Leipzig sprach sich zudem nahezu einstimmig bei zwei Enthaltungen für eine Unterstützung von Monika Lazar für die sächsische Landesliste zur Bundestagswahl aus.

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