Da haben augenscheinlich wieder ein paar Leute über Bande gespielt. „Stadtwerke Erfurt verkaufen millionenschweres Aktienpaket“, meldete der MDR am 17. März. Das ist schon ein Weilchen her und eigentlich ist der Deal über den Tisch. Aber die Leipziger Linksfraktion hat ihre Bauchschmerzen damit. Drei Linke-Stadträte wollen den Verkauf vom Bundeskartellamt prüfen lassen.

„Mit dem Verkauf der Aktien durch die Stadt Erfurt erfolgt faktisch eine Enteignung der Kommunen, die noch im Besitz von Aktien sind, denn die Stimmrechtsverhältnisse verschieben sich“, stellt die Linksfraktion in einer Pressemitteilung fest. „Es wird kolportiert, dass Erfurt den Verkauf auf den jetzigen Käufer gelenkt hat, denn für etwa diesen Preis hatten die Stadt Leipzig (und weitere Mitglieder der VUB Verbundnetz Gas Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft) ein indikatives Angebot unterbreitet. Diesen Preis wollten die Stadtwerke Erfurt nicht akzeptieren. Sie leiteten stattdessen ein Wertermittlungsgutachten ein, der ermittelte Preis lag dann mit wohl 16 bis 17 € weit über dem Angebotspreis. Dann erfolgte der Verkauf zu dem von Leipzig und Konsorten gemachten Preis an den unmittelbaren Konkurrenten. Der als Käufer in Rede stehende Zweckverband ‚Oberschwäbische Elektrizitätswerke‘ ist der Mutterkonzern der EnBW, die damit faktisch über 75 % der VNG-Aktien verfügen wird. Somit wird der ehemalige Gründungskonsens unterlaufen, der den ostdeutschen Kommunen die Möglichkeit gab, über das Erdgasnetz bestimmte Kontrollen und Einflüsse auf die Energiepolitik zu nehmen.“

Vor diesem Hintergrund haben sich nun die Mitglieder der Fraktion Die Linke im Stadtrat zu Leipzig, Dr. Ilse Lauter, Reiner Engelmann und Steffen Wehmann, mit der Bitte an den Präsidenten des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, gewandt, den geplanten Verkauf kartellrechtlich zu prüfen.

Wie kam es aber zu dem Kuddelmuddel?

2013 beschloss Erfurt, seine 4,2 Prozent Anteile an der in Leipzig ansässigen Verbundnetz Gas AG (VNG) zu verkaufen. Normalerweise gilt, dass die in der VUB-Gruppe zusammengeschlossenen Städte und Stadtwerke ihre Anteile erst einmal den anderen VUB-Mitgliedern anbieten, damit diese die Chance haben, die Sperrminorität von 25 Prozent im VNG-Konzern zu halten. So hat es auch Nordhausen gemacht, das seine Anteile dann zu einem Stückpreis von knapp unter 10 Euro verkaufte.

Erfurt wollte deutlich mehr und gab 15,50 Euro pro Aktie als Verkaufswert an. Was für den kompletten Erfurter Anteil satte 80 Millionen Euro bedeutet hätte.

Besonders interessiert am Kauf sind naturgemäß die Leipziger, die mit der Sperrminorität auch den Standort der VNG in Leipzig halten wollen. Aber die LVV, die für Leipzig die Anteile hält, fand 60 Millionen Euro für den Erfurter Anteil angemessener.

Um sich zu einigen, vereinbarten beide Partner, einen externen Gutachter einzuschalten, der die Aktie zum Stand Ende 2013 bewertet. Am Ende waren die Leipziger geschockt, denn die beauftragten Wirtschaftsprüfer von Baker Tilly Roelfs ermittelten sogar einen Aktienwert von 17,47 Euro für 2013. Das wären stattliche 92 Millionen Euro gewesen, die der Leipziger LVV eindeutig zu hoch waren.

Erst recht vor dem Hintergrund, dass die Prüfer für 2015 nur noch einen Aktienwert von 15,79 Euro ermittelten, was immer noch leicht über dem Preis lag, den die EnBW für die Übernahme der 74-prozentigen Mehrheit an der VNG bezahlt hatte – nämlich 15 Euro.

Da sich aber Leipzig und Erfurt darauf geeinigt hatten, das Gutachterergebnis zu akzeptieren, standen beide auf einmal vor einem Dilemma. Und kamen auch nicht wieder heraus. Aus Leipziger Sicht war das Gutachten auch keine echte Verhandlungsgrundlage: „Die erstellten Papiere entsprechen nicht dem erteilten Auftrag, sind offensichtlich fehlerhaft, spiegeln nicht den Unternehmenswert der VNG zum Stichtag wieder und lösen daher keine Annahmefristen aus“, teilten die LVV 2015 mit.

Peter Zaiß, Chef der Erfurter Stadtwerke, ging international auf Käufersuche, sogar im Iran, wie der MDR berichtet. Wurde aber nicht fündig. Am Ende kam es zum 62-Millionen-Euro-Deal mit dem Zweckverband „Oberschwäbische Elektrizitätswerke“, dem Mutterkonzern der EnBW, womit die EnBW ihre Mehrheit an der VNG auf 78 Prozent erhöhte und damit die Sperrminorität der VUB-Gruppe aushebelte.

Was die Linke-Stadträte verblüfft, ist die Tatsache, dass Erfurt an den Zweckverband „Oberschwäbische Elektrizitätswerke“ fast zum selben Preis verkaufte, den Leipzig noch vor zwei Jahren geboten hatte und der Erfurt damals viel zu niedrig war.

Anlass für die drei Stadträte der Linken, nun das Bundeskartellamt anzurufen.

Zum Hintergrund gehört auch, dass 2015 noch die Oldenburger EWE Mehrheitseigentümer der VNG war. Zu dem Zeitpunkt spielte die LVV sogar mit dem Gedanken, die VNG-Mehrheit selbst zu übernehmen. Immerhin 1,1 Milliarden Euro hätte man sich das kosten lassen. Doch dann klärten EWE und EnBW die Sache unter sich. Leipzig lehnte das aus seiner Sicht zu teure Angebot aus Erfurt ab. Erfurt bot seine Anteile auf dem freien Markt an und es gab nur ein Angebot, wie Peter Zaiß im MDR-Artikel erklärt. Das aus Baden-Württemberg.

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