Die sächsische Regierungspolitik steht vor einem gewaltigen Scherbenhaufen. Nach dem angekündigten Rücktritt von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) wird immer deutlicher, dass seine Regierungsjahre in weiten Teilen verlorene Jahre waren. Die zukunftsfähige Gestaltung des Landes hat er einer rigiden Sparpolitik geopfert, unter der vor allem die Kommunen im Land gelitten haben. Und das Statement von 21 Bürgermeistern aus dem Erzgebirgskreis bringt das Dilemma jetzt auf den Punkt.

Wir haben extra nachgeschaut, ob die CDU-Fraktion im Landtag wenigstens reagiert hat auf den Hilferuf. Hat sie aber bis Samstag, 18. November, nicht getan. Es hätte auch überrascht, denn bis heute hat die Fraktion keine Konzepte zur Stärkung der ländlichen Räume vorgelegt. Der einzige Refrain, den man immer wieder zu hören bekommt, ist: „Wir halten an unserer soliden Haushaltspolitik fest.“

Dass eine Staatspolitik, die ihre Kommunen nicht solide ausfinanziert, nicht solide ist, ist dieser Fraktion sichtlich schwer beizubringen. Es will schon etwas heißen, wenn die Bürgermeister sich im CDU-Kernland Erzgebirge zusammentun und gemeinsam um Hilfe rufen.

Konzepte gibt es.

Aber die liegen sämtlich entweder beim kleinen Koalitionspartner SPD, der sich schon über jedes minimale Zugeständnis freut, das man der CDU abringen kann. Und bei den Oppositionsfraktionen von Linken und Grünen, die die Staatsregierung gerade zum Thema der Kommunalfinanzen immer wieder mit Fragen bombardiert haben.

Das Schreiben der Bürgermeister der Kommunen

Die Statements der drei Fraktionen zum Nachlesen

***

SPD-Fraktion

Wir teilen die Sorgen der Kommunalpolitiker

„Die SPD-Fraktion nimmt die Sorgen der Kommunalpolitiker sehr ernst. Auch für die von den Bürgermeistern angesprochenen Probleme der Kommunen gilt, ein ‚Weiter so!‘ darf es nicht geben. Das steht für uns nicht erst seit der Bundestagswahl fest“, erklärte am Freitag, 17. November, Volkmar Winkler, Sprecher für Kommunalpolitik der SPD-Fraktion. „Viele der in dem Positionspaper angesprochenen Probleme sehen wir wie die Kommunalpolitiker aus dem Erzgebirge.

Wir haben mehr als einmal deutlich gemacht, dass Sachsens Kommunen und vor allem der ländliche Raum deutlich mehr Unterstützung und größere Handlungsspielräume benötigen. Eine ordentliche Finanzierung, eine bessere Förderpolitik mit weniger Bürokratie und – als deutlicher Ausdruck des Vertrauens – mehr pauschale Finanzzuweisungen gehören dazu“, so Volkmar Winkler, der lange Jahre selbst Bürgermeister war.

„Wohin es führt, wenn Sparen zum obersten Prinzip von Finanzpolitik wird, ist allerorts in Sachsen deutlich zu sehen“, so Winkler weiter. „Es ist uns als SPD mit großen Mühen gelungen, dieses vom Finanzminister verordnete Spardiktat etwas aufzubrechen, aber eben nur etwas. Nun aber muss endlich richtig umgesteuert werden.“

„An der SPD wird ein Umsteuern nicht scheitern“, erklärt auch Simone Lang, SPD-Abgeordnete aus dem Erzgebirge. „Das Thema Kommunen gehört zu den fünf wichtigen Punkten, die wir und mittlerweile auch unser Koalitionspartner mit Blick auf die kommenden Jahre auf der Tagesordnung haben. Als Abgeordnete des ländlichen Raums setze ich mich – wie meine Fraktionskolleginnen und -kollegen – für die Belange der Kommunen ein. Unsere Bürgerbüros stehen dafür auch jedem Bürgermeister offen. Die SPD-Fraktion wird sich in den kommenden beiden Wochen mit Vertretern des Sächsischen Städte- und Gemeindetages, des Landkreistags und erneut auch mit Bürgermeistern treffen. Dazu werden wir auch die Kommunalpolitiker aus dem Erzgebirge einladen.

***

Linksfraktion

Die CDU hat gar nichts verstanden

„Nicht erst seit der Bundestagswahl stehen für Die Linke der ländliche Raum und die Belastungen der vor allem ländlichen Kommunen im Fokus. Es hat sich gezeigt, dass sich die Menschen außerhalb der Großstädte nicht mehr mitgenommen fühlen. Bereits vor einer Woche hat die Linksfraktion mit den kommunalen Spitzenverbänden beraten, wo dringender Handlungsbedarf besteht. 21 Bürgermeister aus dem Erzgebirge haben nun Alarm geschlagen – ein weiter so ist nicht möglich. Das gilt für ganz Sachsen“, erklärte ebenso am Freitag Verena Meiwald, haushalts- und finanzpolitische Sprecherin der Linksfraktion.

„Wir teilen die Bedenken und Forderungen. Die Leuchtturmpolitik der Staatsregierung muss für gescheitert erklärt werden, wenn die Mehrheit der Menschen hier davon nicht profitiert. Die CDU behauptet: ‚Wir haben verstanden.‘ In den Plenardebatten der letzten Tage zeigte sich aber ein gänzlich anderes Bild – die gleiche bürgerferne und weltfremde CDU, die Erfordernisse ignoriert und das Primat der bisherigen Finanzpolitik betont.

Die Kommunen in Sachsen leiden unter einer dauerhaften Unterfinanzierung bei den dauerhaften Aufgaben. Wenn wir den Kollaps vermeiden wollen, muss die Staatsregierung hier gegensteuern. Der Freistaat hat sich zu lange auf Kosten der Kommunen gesund gespart – der sächsische Finanzausgleich muss grundlegend überarbeitet werden. So gehört es dazu, Entscheidungen dort zu ermöglichen, wo sie Wirkung zeigen – wir brauchen mehr freie Budgets statt starrer Vorgaben.

***

Grüne Fraktion

Mit der „kommunalen Familie“ ist in Sachsen gar nichts abgestimmt

„Ich bin Stadträtin in Ebersbach-Neugersdorf und Kreisrätin im Landkreis Görlitz. Viele Aspekte, die Sie ansprechen, beschäftigen auch mich in meiner täglichen Arbeit und in der Wahrnehmung meiner Mandate auf Kommunalebene“, heißt es in einem Brief, mit dem die Landtagsabgeordnete Franziska Schubert, finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, auf das Papier der 21 Bürgermeister reagierte. „Als grüne Landespolitikerin setze ich mich immer wieder dafür ein, dass die gesamte Thematik Kommunalfinanzen einen viel größeren und vor allem öffentlichen Raum im parlamentarischen Verfahren erhält und damit Teil der politischen Diskussion wird. Das ist ein schwieriges Unterfangen.“

„Alle zwei Jahre finden Gespräche zum kommunalen Finanzausgleich statt. Es ist einen kleine Runde – der FAG-Beirat – die Teilnehmer, Gespräche und Ergebnisse dieser Runde sind nicht öffentlich. Den Kommunen wird dann das Endergebnis präsentiert. In den Haushaltsverhandlungen lautet der gemeinsame Grundtenor vom Finanzminister und den kommunalen Spitzenverbänden (!): ’Ist alles mit der kommunalen Familie abgestimmt.‘ Und damit wird jede Diskussion beendet“, beschreibt die Abgeordnete den abgehobenen Zustand der sächsischen Regierungspolitik.

„Für Städte wie Landkreise und Gemeinden gilt: Hier leben die Menschen, die Familien, Kinder und Jugendliche. Es geht um das Hier und Jetzt genauso wie um Zukunft. Die Kommunen müssen ihre Aufgaben erfüllen können. Sie brauchen die Möglichkeit, trotz unterschiedlicher Einnahmen und Ausgaben, flächendeckend ein lebenswertes Sachsen zu schaffen. Wie der Freistaat seine Kommunen im Moment finanziell unterstützt, passt nicht mehr zu … den Entwicklungen in Sachsen.

Diese Form der Finanzierung wird weder den Städten noch den ländlichen Räumen gerecht. Andere Bundesländer haben das bereits erkennen müssen – teils erst nach Klagen von Kommunen gegen bestehende Systeme. Da wurde das Finanzausgleichsystem zwischen Land und Kommunen angepasst. Für Sachsen ist das überfällig.“

Als mögliche Lösungen empfiehlt Schubert die Orientierung an Elementen der Finanzausgleiche in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein: „Rheinland-Pfalz hat zum Beispiel einen Stabilisierungsfonds eingeführt, der allen Kommunen eine finanzielle Grundausstattung garantiert und Ungleichgewichte glättet – und zwar für alle gleichermaßen, egal, ob groß oder klein. Rheinland-Pfalz hat sich gesagt: eigentlich haben wir als Land keinen direkten Einfluss auf die Steuereinnahmen der Kommunen.

Wir können aber deren schwankende Gesamteinnahmen über einen anderen Geldstrom verstetigen, der an die Kommunen fließt: über Zuweisungen im kommunalen Finanzausgleich. Schleswig-Holstein hat 2014 einen neuen Finanzausgleich verabschiedet. Was ist hier für Sachsen interessant? Der deutlich stärkere Aufgabenbezug. Grundlage sind die gemeindlichen Aufgaben, die Aufgaben der Kreise und Kreisfreien Städte und die übergemeindlichen Aufgaben.

In besonderer Weise berücksichtigt der kommunale Finanzausgleich die sozialen Lasten bei den Kreisen und Kreisfreien Städten. Sie werden entsprechend ihrem Umfang zu einem zentralen Verteilungskriterium. Leistungen zentraler Orte für ihr Umland werden stärker honoriert. Gemeinden mit rückläufiger Einwohnerzahl werden entlastet. Ferner wird jährlich ein Betrag für Infrastrukturlasten bereitgestellt, was für Großstädte durchaus relevant ist. Das Schleswig-Holsteinische System ist also aufgabenbezogen, transparent und gerecht.“

Zudem sei, so die Abgeordnete, „dringend eine grundsätzliche Änderung der Förderpolitik nötig. Notwendige Deckungsmittel für den allgemeinen Finanzbedarf müssen Vorrang vor einer Förderung haben. Das Vertrauen in die Kommunen ist daher eine zwingende Voraussetzung, die gelebt werden muss. Allein im aktuellen Doppelhaushalt 2017/18 ist ein Fördervolumen von über 5 Milliarden Euro vorgesehen. Da aber die Förderverfahren zum überwiegenden Teil bürokratisch, hochkompliziert, zeit- und papieraufwendig sind, wird das Geld niemals in dieser Höhe von Kommunen, Vereinen und anderen möglichen Fördermittelempfängern genutzt werden können.

In Sachsen zum Beispiel sind viele soziale Vereinsstrukturen, aber auch im Sport, Kunst und Kultur ausschließlich auf Förderprogramme angewiesen. Die Landesregierung macht damit Politik auf Kosten der Entwicklungen im Land. Hier braucht es dringend ein neues Verfahren. Förderbedarfe müssen erhoben und in machbare und verlässliche Verfahren umgesetzt werden. Fördermittelnehmern müssen planen können und nicht nur auf die neueste Idee aufspringen müssen. Sie brauchen Planungssicherheit. Die Forderung der Kommunen, dass die Mittel der Fachförderung in die kommunale Finanzausgleichsmasse als Deckungsmittel eingespeist werden, ist nachvollziehbar und nicht neu.

Allein der Personalbedarf auf kommunaler Ebene für die Antragstellung und Bearbeitung von Förderprogrammen rechtfertigt eine solche Forderung. In Sachsens ländlichen Regionen hat die Selbstorganisation einen immer wichtigeren Stellenwert. Hier kann und sollte über Regionalbudgets ohne Zweckbindung nachgedacht werden. So können zusätzliche Finanzmittel, wie zum Beispiel aus den Bundesinvestitionsprogrammen zur Stärkung der Kommunen, unabhängig von Förderkriterien- und Verfahren des Freistaates ausgereicht werden.“

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar