Vielleicht hat die Linksfraktion recht, wenn sie zur Ratsversammlung am 31. Januar einen neuen Antrag ins Verfahren bringt: "Verzicht auf den Einsatz von Glyphosat". Auch wenn einem der Antrag erstaunlich vertraut vorkommt. Hat der Stadtrat genau das nicht schon 2015 beschlossen? Hat er. Leicht entschärft. Die Verwaltung hat sich Zeit ausbedungen, die kommunale Grünpflege auf eine Pflege ohne Pestizideinsatz umzustellen.

Damals beschlossen mit absoluter Mehrheit, nur vier Enthaltungen gab es. Aber wieviel Zeit braucht eine Verwaltung, um ihre Pflegemaßnahmen umzustellen? Drei Jahre? 30 Jahre? Die Ungeduld in der Linksfraktion ist nur zu verständlich, denn seither gab es nicht einmal ein Signal aus dem Grünflächenamt, dass man irgendetwas umgestellt habe.

“Die Stadt Leipzig verzichtet schrittweise auf allen kommunalen Flächen, auf Kultur- sowie Nicht-Kulturland, auf den Einsatz von Pestiziden. Zu Beginn wird insbesondere auf, bzw. in der Nähe, von Kinderspielplätzen, Schulen und Kindergärten auf den Einsatz von Pestiziden verzichtet. Alternativ kommen nur die im Biolandbau verwendeten Schädlingsbekämpfungsmittel zum Einsatz”, hieß es damals im Beschluss.

Im Punkt 4 wurde der OBM dann auch noch zu einer intensiven Öffentlichkreitsarbeit aufgefordert.

Aber wer heute das Stichwort Glyphosat auf der Homepage der Stadt eingibt, bekommt ganze zwei Treffer: einen Hinweis auf das Amtsblatt 22 / 2017, wo in einer Bekanntmachung das Wort Glyphosat auftaucht. Und einen auf die Ratsversammlung am 31. Januar, wo der Linke-Antrag auf der Tagesordnung steht.

Von einer irgendwie gearteten “intensiven Öffentlichkeitsarbeit” kann keine Rede sein. Und von einer Berichterstattung der Stadt über den städtischen Glyphosat-Einsatz auch nicht.

Augenscheinlich hat die Verwaltung solche Worte wie “schrittweise” als “Wir haben ja Zeit” interpretiert.

Die Untersagung von Glyphosat auf den verpachteten Flächen der Stadt hat man 2015 lieber ganz herausgenommen: “Die kommunalen Landwirtschaftsflächen sind von der Beschlussfassung ausgenommen, da Agrarumweltrichtlinien bereits eingehalten werden.”

Wer kontrolliert das?

Alle Nachfragen im Sächsischen Landtag deuten darauf hin, dass es niemanden gibt, der den Glyphosat-Einsatz in der sächsischen Landwirtschaft in irgendeiner nachhaltigen Weise kontrolliert. Es gibt nur sporadische Kontrollen – 15 insgesamt im Jahr 2016, wie jüngst erst eine Anfrage der linken Landtagsabgeordneten Kathrin Kagelmann ergab. Der Linke-Antrag im Stadtrat Leipzig geht jetzt deutlich über den Beschluss von 2015 hinaus.

Er beantragt den sofortigen Verzicht auf das umstrittene Pestizid

“Die Stadt Leipzig verzichtet ab sofort auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die Glyphosat und andere Herbizide enthalten. In Parks, auf Spielplätzen, Friedhöfen und an Straßenrändern darf das gefährliche Herbizid nicht mehr versprüht werden. Private Unternehmen, die Aufträge von der Stadt Leipzig zur Pflege von Grün-, Sport-, Verkehrs- und anderen Flächen erhalten, werden entsprechend vertraglich auf einen Glyphosat- und sonstigen Herbizidverzicht verpflichtet. Bei laufenden Verträgen wird auf eine freiwillige Einigung hingewirkt.”

Und auch bei den verpachteten Landwirtschaftsflächen will die Linksfraktion den Glyphosat-Verzicht: “Die Stadt Leipzig untersagt bei Neuverpachtungen von Agrarflächen und bei Verlängerung von Pachtverträgen den Einsatz von Glyphosat und anderen Herbiziden.”

Die Begründung dazu hat man sich in Dresden bei der dortigen Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen (Grüne) abgeschrieben: “Glyphosat ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Herbizid und stark umstritten, weil es die Artenvielfalt gefährdet und im Verdacht steht, der menschlichen Gesundheit zu schaden.-  Gerade in Parkanlagen und auf Spielplätzen kommen insbesondere Kinder immer wieder mit dem Boden in Berührung. Gift hat dort deshalb nichts zu suchen. Es ist daher richtig, dass wir als Stadt Leipzig – unabhängig von der weiteren Zulassung von Glyphosat – auf dieses Mittel verzichten.”

Und Eva Jähnigen hat etwas betont, was Leipzigs Umweltamt bislang noch gar nicht thematisiert hat: Dass der Pestizid-Einsatz in der Stadt eben auch für das Artensterben und den Insektenschwund mit verantwortlich ist: “Glyphosat und andere Breitbandherbizide tragen nachweislich zum Verlust der Artenvielfalt bei. Sie beseitigen jeglichen Wildpflanzenwuchs, so dass Insekten, Schmetterlinge und Vögel keine Nahrung mehr finden. Weil das Unkrautvernichtungsmittel weiterhin auf landwirtschaftlichen Flächen eingesetzt wird, ist es ein Gewinn, wenn Städte wie Dresden bedrohten Vogel- und Insektenarten Lebensräume und Nahrung bieten können. In Dresden wurde freiwillig durch die Stadtverwaltung auf den Einsatz von Glyphosat verzichtet, wir möchten dies darüber hinaus Schritt für Schritt für alle Flächen in öffentlicher Hand erweitern.”

Der Glyphosat-Beschluss von 2015.

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