Am 3. April stellte sich Sachsens Agrarminister Thomas Schmidt (CDU) mal wieder als großer Grundwasserschützer dar. „Grundwasser noch besser schützen! Freistaat intensiviert Wissenstransfer zur Verminderung landwirtschaftlicher Nitratausträge in das Grundwasser“, meldete sein Ministerium. Die Bauern sollen jetzt in „sogenannten Nitrat-Gebieten“ lernen, ihre Düngeausbringungen an den tatsächlichen Bedarf der Böden anzupassen. Ein Vorstoß, den Grünen-Fraktionschef Wolfram Günther für reine Show hält.

Die Ankündigungen von Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt, den überhohen Nitratkonzentrationen in Sachsens Ackerböden entgegenzuwirken und so auch die Trinkwasservorräte besser zu schützen, gehen aus seiner Sicht nicht annähernd weit genug.

„Fachinformationsveranstaltungen, Feldtage oder Beratungen zum Düngemanagement der Landwirtschaftsbetriebe reichen nicht aus“, kritisiert Wolfram Günther, der auch agrarpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag ist. „Landwirtschaftsminister Schmidt muss sich auf Bundesebene für eine Überarbeitung der Düngeverordnung starkmachen, damit diese die Gewässer künftig besser schützt. Bisher geplant ist die Absenkung des Dünge-Sollwertes um 20 Prozent in besonders belasteten Gebieten.“

Und die von Schmidt erwähnten „Nitrat-Gebiete“ sind solche Gebiete. Dort überschreitet das Grundwasser den Schwellenwert von 50 Milligramm Nitrat je Liter. Die Überdüngung an der Oberfläche sorgt dafür, dass sich die Grundwasserkörper in regelrechte Nitratbrühen verwandeln.

Und in Schmidts Ministerium weiß man sehr genau, wie weit das Problem in Sachsens Landwirtschaft reicht: „Gedüngte Ackerflächen stellen eine Haupteintragsquelle für Nitrat in das Grundwasser dar. Rund 20 Prozent der sächsischen Ackerfläche liegen in sogenannten Nitratgebieten, also Gebieten, in denen im Grundwasser Nitratwerte gemessen werden, die den Schwellenwert von 50 Milligramm je Liter überschreiten.“

„Wichtig wäre, endlich die Höchstmengen für Stickstoffgaben auf jeden einzelnen Hektar zu begrenzen. Derzeit dürfen 170 kg Gesamt-Stickstoff pro Hektar und Jahr im Durchschnitt der landwirtschaftlich genutzten Flächen des Betriebes nicht überschritten werden, was eine Überdüngung auf einzelnen Schlägen leider nicht ausschließt. Auch über eine Verschärfung der Kontrollmechanismen, beispielsweise die Probenahme für die Bodenuntersuchung, können Stickstoffüberschüsse im Boden erkannt und gegengesteuert werden“, stellt Günther fest.

Und ein Grund für die Überdüngung ist eben auch, dass Sachsen einfach Sperrfristen aufweicht, um den Bauern trotzdem das Ausbringen von Gülle auf den Feldern zu ermöglichen.

„In Sachsen müssen die Sperrfristverschiebungen bei der Ausbringung von Düngemitteln wie Gülle endlich ein Ende haben“, fordert Wolfram Günther.

98 Landwirtschaftsbetriebe in Sachsen hatten im Herbst 2018 einen Antrag auf Verschiebung der Sperrzeit nach der Düngeverordnung für die Ausbringung von Düngemitteln wie Gülle nach dem 1. November 2018 auf Grünland oder mehrjährigem Feldfutter gestellt. Alle eingereichten Anträge wurden durch das zuständige Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) genehmigt. Das teilte Umwelt- und Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) auf eine Kleine Anfrage von Wolfram Günther mit.

„Ich halte die fachliche Begründung des Ministers ‚… Berücksichtigung der aktuellen Witterungssituation, die die Nährstoffaufnahme durch die Grünland- bzw. Feldfutterbestände gewährleistete …‘ zur Verschiebung der Sperrzeit für nicht nachvollziehbar und aus pflanzenbaulicher Sicht regelrecht für falsch“, erklärt Günther. „Die Nährstoffsituation an Standorten und Böden ist sehr unterschiedlich. Die ausnahmslose Genehmigung aller Anträge hinterlässt bei mir den Eindruck, dass bei der Genehmigung eine mögliche Überdüngung einzelner Standorte gar keine Rolle spielte, sondern es allein um das Entsorgungsproblem der Tierhalter ging. Der Minister kann nicht einmal Auskunft darüber geben, wie viel Gülle und andere organische Düngemittel jährlich auf welcher Gesamtfläche und in welchen Landkreisen ausgebracht werden. Lieber verschanzt er sich hinter fehlenden Melde- und Mitteilungspflichten.“

Logisch, dass es dann auch zur „Überdüngung“ der wertvollen Grundwasserkörper kommt.

„Im Jahr 2018 gab es durch die extreme Trockenheit deutlich weniger Pflanzenaufwuchs auf etlichen Grünlandflächen. Dadurch hatten die Pflanzen dort einen geringeren Stickstoffbedarf als in Durchschnittsjahren. Bis zum Herbst entwickelte sich sogar ein Stickstoffüberhang auf den Grünlandflächen. Wenn dann ab Ende Oktober die Pflanzen keinen nennenswerten Aufwuchs mehr haben, können sie den Stickstoff aus der Gülle gar nicht aufnehmen. Viel zu viel Stickstoff verbleibt auf den Wiesen. Das führt zu einem Rückgang der Tier- und Pflanzenarten. Um die ursprüngliche Artenvielfalt zu erhalten, muss diese Überdüngung endlich aufhören“, fordert der Fraktionsvorsitzende der Grünen.

Ein weiteres Problem sieht der Grünen-Fraktionschef in den zusätzlichen Gülle-Importen aus den Niederlanden in den Jahren 2014, 2015 und 2016. Im Jahr 2017 fand laut Minister Schmidt kein Wirtschaftsdüngerimport aus den Niederlanden in den Freistaat statt, die Zahlen für 2018 liegen noch nicht vor.

„Wir haben schon genug Probleme durch Gülle und Überdüngung. Dass die importierte Gülle aus den Niederlanden, die zumeist aus der Massentierhaltung stammt, laut Angaben des Ministers nicht auf Antibiotika-Rückstände kontrolliert wird, ist angesichts der Probleme durch antibiotika-resistente Keime ein Skandal. Hier fehlt es an gesetzlichen Regelungen und Kontrollen“, so Günther.

Sachsens Landwirtschaftsminister will über die Güllemengen auf den Feldern lieber nichts wissen

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