Der fhl Verlag hat sich in den letzten Jahren zum Leipziger Krimi-Verlag gemausert. Er lädt zur Buchmesse am heutigen Mittwoch, 13. März, ab 18 Uhr zur 7. Langen Leipziger Kriminacht ein. Er verleiht erstmals den "Leipziger Krimipreis" an Cornelia Lotter für ihr Buch "Gottesgericht". Das natürlich bei fhl erscheint. Und ein begabter Dresdner Krimi-Autor hat bei fhl auch seine Heimat gefunden: Andreas M. Sturm. Sein zweiter Krimi liegt jetzt vor. "Albträume". Das kann nur finster werden.

Wird es auch. Erlebte die Heldin, die der 1962 geborene Dresdner Andreas M. Sturm sich ausgedacht hat, die Kommissarin Karin Wolf, schon im ersten Krimi aus Sturms Werkstatt dramatische Tage und brenzlige Situationen, geht’s in diesem Band gleich mit einem Serienmörder zur Sache. Und nicht nur irgendeinem, der irgendwann austickt und drauflos mordet nach dem ihm eingebauten Schema – er scheint es mit der Bibel zu halten, insbesondere den Todsünden. Die Spuren scheinen alle auf die katholische Gemeinde von Pfarrer Leonhardt hinzudeuten, wo eins der ersten Opfer ein wenig Heimstatt fand. Was ihm möglicherweise zum Verhängnis wurde. Was richtet ein fanatischer Puritaner an, wenn er erst einmal anfängt, die strengen Gebote der Bibel auf seine Mitmenschen anzuwenden und sich zum Racheengel zu erheben?

Karin Wolf, die nur von ihren engsten Mitarbeitern auch “die Wölfin” genannt werden darf, hat schon nach dem ersten Toten in diesem Fall berechtigte Albträume. Denn wer macht die sakrale Hinrichtung seiner Opfer auch noch zu einer derartigen Folter, lässt einen sichtlich harmlosen und arglosen Menschen einfach in der versperrten Wohnung verdursten? – Man merkt: Sturm wagt sich gleich an die ganz großen Motive der Kriminalliteratur, traut sich in jene Sphären, in denen unsere Ur-Ängste aufs engste verquickt sind mit der christlich verbrämten Furcht vor einem Strafgericht, den engen Fesseln einer strengen Moral. Aber dahinter stecken natürlich auch die Wirklichkeiten, die unsere nur scheinbar aufgeklärte Gegenwart durchflackern. Die Dunkelmänner, deren verklemmte Moralvorstellungen ein freies Leben gar nicht zulassen würden, sind ja keine Ausgeburt der Phantasie. Sie melden sich in den seltsamsten Momenten zu Wort, versuchen ihre Moral auch politisch durchzusetzen. Sie geben sich als Biedermänner, doch im Herzen sind sie Fanatiker, Inquisitoren und oft genug auch wirklich Täter.Nicht jeder freilich überschreitet wie Sturms vermeintlicher Serientäter so grausam die Grenzen, glaubt seine blutigen Botschaften an eine Welt ohne Moral richten zu müssen. Ein Fall jagt den nächsten. Erst recht, als Karin Wolf und ihre durchaus clevere Mannschaft dem Täter auf den Leib zu rücken beginnen. Es ist natürlich wieder etwas flotter als im richtigen Leben, wo sich Ermittlungen oft Wochen und Monate hinziehen können. Doch hier gilt es einen Täter mitten im Furioso zu bremsen. Als gar die Jurastudentin Svenja, die sich schon vom Täter verfolgt fühlte, einer seiner Botschaften auf dem Leim geht und spurlos verschwindet, ist erst recht Feuer unterm Kessel. Und die Dresdner Polizisten dürfen beweisen, mit welcher Cleverness sie die nötigen Fäden aufspüren, die sie zum Täter und zur verschwundenen Svenja führen.

Was nicht gerade leichter wird, als Karin und ihre mittlerweile sehr enge Kollegin Sandra merken, dass die Sache mit dem einen fanatischen Täter möglicherweise nicht stimmt. Dass Sandra dabei die genialen Fähigkeiten einer gewissen Signorina Elettra aus den Brunetti-Romanen von Donna Leon entfaltet, verblüfft natürlich. Nicht der Fähigkeiten wegen. Das ist klugen jungen Frauen allemal zuzutrauen. Aber im realen sächsischen Polizeileben dürfte das, was sie so schlankweg tut, praktisch verboten bis unmöglich sein. Es sei denn, hinter den Kulissen tut sich wieder etwas, von dem wir als einfache Pressemenschen nichts erfahren haben.Es sind zwar schöne stilistische Mittel, wenn die Ermittler auf diese digitale Weise den direkten Weg dorthin finden, wo für 90 Prozent aller Verbrechen das eigentliche Motiv liegt – nämlich auf den Konten der Beteiligten -, aber es erzeugt auch eine Leichtigkeit der kriminalistischen Arbeit, die so wohl eher nicht in der Wirklichkeit zu finden ist. Was schade ist. Tausende Verbrechen – gerade im Bereich Wirtschaftskriminalität – wären dieserart wohl schneller und zeitnah aufzuklären. Auch viele Verbrechen aus den ur-biblischen Motiven Gier und Geiz. Wo der Täter seine persönlichen Defizite hat, spielt fast immer der schnöde Mammon die wesentliche Triebkraft. So wie auch bei allen anderen Geschäften in unserer Welt, bei denen die Akteure auf die geltenden Regeln pfeifen und – teilweise in tiefsten Grauzonen – auch über Leichen gehen.

Man kann ja so nebenher weiterdenken: Warum sind einige Täter eigentlich so schwer zu erwischen, obwohl sie wie eine Spinne mitten im Netz der Ereignisse hocken? Kann es sein, dass sie mit vielen scheinbar gutbürgerlichen Zeitgenossen nicht nur Gier und Machtwahn teilen, sondern auch die Kaltschnäuzigkeit, ihre Mitmenschen zu schädigen, wo immer sich die Gelegenheit bietet? Immerhin eine zeitweise geradezu gefeierte Begabung. Auch in Deutschland. Die Grenzen sind fließend. Und so mancher Zeitgenosse tut ja alles dafür, dass die Grenzen verschwommen bleiben.

Ganz so weit geht es in “Albträume” nicht. Am Ende bekommen es Katrin und Sandra mit einer doch eher wieder simpel gestrickten Persönlichkeit zu tun. Doch es tröstet nach all der Aufregung keinesfalls, zu erfahren, dass das Böse eigentlich doch wieder dumm und hässlich ist.

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Albträume
Andreas M. Sturm, fhl Verlag Leipzig 2013, 12,00 Euro

In der realen Welt ist es zumeist wesentlich komplizierter. Man liest ja solche Krimis auch deshalb, weil es hier den Kommissarinnen und Kommissaren tatsächlich mit detektivischem Gespür gelingt, die Mörder zu fangen. Dabei geraten sie bei Sturm immer wieder selbst in Gefahr, was den Nervenkitzel natürlich noch erhöht.

Es geht heftig zur Sache in seinen Dresden-Krimis. Mit viel Geschick für die Steigerung der Spannung. Nicht unbedingt etwas für Leute, die gern ein Kapitel lesen vorm Lichtausmachen und dann schlafen Wollen. Man sollte also damit rechnen, dass der Abend etwas länger wird.7. Lange Leipziger Kriminacht

Wie in den vergangenen Jahren findet auch dieses Mal am Vorabend zur Leipziger Buchmesse die Lange Leipziger KrimiNacht statt. Am Mittwoch, 13. März, ab 18 Uhr geben sich elf Krimi-Autoren aus ganz Deutschland und Österreich im Leipziger Café Waldi ein Stelldichein. Zur Langen Leipziger Kriminacht kann man in dieser Reihenfolge erleben: Martin Keune (be.bra verlag/ berlin.krimi.verlag), Astrid Vehstedt (fhl Verlag Leipzig), Olaf Kolbrück (fhl Verlag Leipzig), Tatjana Kruse (KBV Verlag), Ralf Kramp (KBV Verlag) , Edith Kneifl (Haymon Verlag), Jan Flieger (fhl Verlag Leipzig), Cornelia Lotter (fhl Verlag Leipzig), Peter Godazgar (KBV Verlag), Ria Klug (fhl Verlag) und Edgar Franzmann (emons Verlag).

Sie findet am Mittwoch, 13. März, von 18 Uhr (Einlass 17 Uhr) bis Mitternacht im Café Waldi (Peterssteinweg 10) statt. Eintritt: 10 (ermäßigt 8) Euro.

1. Leipziger Krimipreis

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Den 1. Leipziger Krimipreis bekam in diesem Jahr Cornelia Lotter für ihren Roman “Gottesgericht – Ki und die Schatten der Vergangenheit” zugesprochen. Neben ihrer Teilnahme an der Langen Leipziger Kriminacht hat der fhl Verlag folgende Termine mit der Autorin organisiert:

Freitag, 15. März, 18 Uhr: Leipziger Verlage präsentieren sich: Preisträger Leipziger Krimipreis 2012. Bei Hugendubel, Leipzig City.

Freitag, 15. März 20 Uhr: Cornelia Lotter – Lesung aus “Gottesgericht” im Kreuzgewölbe Großpösna (Hauptstraße 19, 04463 Großpösna).

Sonntag, 17. März, 12:30 Uhr: Lesung aus “Gottesgericht”, Moderation Hartwig Hochstein, im Literaturcafe (Messe Halle 4, Stand B600).

Sonntag, 17. März, 14 Uhr: Gespräch mit Cornelia Lotter, Preisträgerin Leipziger Krimipreis 2012, LVZ-Autorenarena, Halle 5, Stand A100.

Nach der Buchmesse – am 21. März um 19 Uhr – ist Cornelia Lotter zu Gast in Brandis, im Cafe am Markt (Markt 13).

Und am 22. März um 20 Uhr ist sie mit “Gottesgericht” noch einmal zu Gast in der Buchhandlung Hugendubel Leipzig.

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