Andere schreiben dicke Wälzer, produzieren Bildbände oder prächtige Jubiläumsausgaben. Der Leipziger Alex Kats zeigt seine Verehrung für Oleg Popow mit dem Zeichenstift. Oleg Popow kennt wohl jeder. Er ist einer der berühmtesten Clowns der Welt. Und noch heute ist der 1930 Geborene der Starclown des russischen Staatszirkus.

Seit 1955 steht er im Licht der Manege. Der Clownstyp mit der karierten Mütze und den strohgelben Haaren ist seine Erfindung. Und für den 1985 in Riga geborenen Alex Kats gehört er zu den großen Gestalten seiner Kindheit. Seit 2001 wohnt Alex Kats in Leipzig. Er hat einen Fernlehrgang im Karikatur-Comiczeichnen belegt, bildet sich in IT weiter. Den fröhlichen Zeichenstrich seiner Kindheit hat er sich bewahrt.

Denn wie zeichnet man seine Liebe zum berühmtesten lebenden Clown? Ist der Clown nicht die perfekte Personifikation unserer eigenen naiven Seele? Wollen wir selbst das Leben mit all seinen unerhörten Vorfällen nicht gern auch so unerschrocken und unerschütterlich angehen? Albern sein, wenn uns danach ist? Diesen ganzen tierischen Ernst einfach mal verlassen? – Klar, wollen wir. Traun wir uns aber in der Regel nicht. Denn der Ernst ist ja gar nicht tierisch, sondern menschlich. Der Clown ist der Schelm, der sich die lachende Maske aufmalt und einfach schon dadurch aus dem Gewohnten aussteigt, indem er sich verkleidet. Und den Ausrutscher auf der Bananenschale mit Würde hinnimmt – und mit diesem breiten Lachen, hinter dem man nicht sieht, ob der Clown nicht doch die ganze Zeit ganz ernst und würdevoll bleibt.

Im Clown begegnet sich der Mensch, wie er lebt und leidet. Und das war in West und Ost immer gleich. Im Osten noch ein bisschen gleicher. Fast wäre ja aller Spaß weg gewesen, nachdem man Bojaren, Ausbeuter und Popen vertrieben hatte und den neuen Menschen zusammenbaute. Doch auch das russische Volk hat sein Lachen nie verlernt. Und es hat sich – in Literatur und Varieté – immer mit einer Figur identifiziert: mit Iwanuschka, dem Tolpatsch. Der eigentlich keiner ist. Aber das darf man den Mächtigen und Gewaltigen ja nicht sagen und nicht zeigen. Also versteckt sich Iwanuschkas Verletzlichkeit hinter der eindrucksvollen Fassade des immer fröhlichen Tolpatsch. Der nicht immer nur der Geneppte und Geprellte ist.

Er hat ja Verbündete. Und Popow hat damit immer leidenschaftlich gespielt, wissend, dass rund um die Manage auch lauter verkleidete Iwanuschkas sitzen, die mit ihm lachen, weil er ihre Rolle spielt. Das “Hab ich’s euch nicht gesagt?” und das “Seht ihr wohl?” ist immer präsent. Ohne Worte. Clowns brauchen keine Worte. Ihre Sprache ist international. Die Iwanuschkas sind überall die Mehrheit. Und viele gehen nicht wegen der Löwen und Elefanten in den Zirkus, oder nicht nur. Viele gehen, weil sie hier selbst der Star sind, auch wenn die lockigen Moderatoren fehlen, die immerfort so tun, als seien sie die Eintänzer des zahlenden Publikums. Nein, das moderne Fernsehen ist kein Ersatz für den Zirkus. Nicht einmal dann, wenn es aus einem Zirkus überträgt. Im Fernsehen ist Iwanuschka nicht präsent. Da ist er nur “Zielgruppe”, etwas ganz Erbärmliches.Aber im Zirkus, wo Oleg Popow und seine Kollegen in den Sägespänen landen, von frechen Hunden ausgetrickst werden, von Blumen angepritzt, da sind Iwanuschka und sein fröhlich grinsendes Abbild auf Augenhöhe. Da schaut sich Iwanuschka selber zu.

Wenn er noch darf. Und zumindest Kinder und manchmal auch ihre Eltern wissen das noch. Wenn die Hochseilartisten ihre Knochen riskieren, machen sie die Augen zu. Aber wenn die Clowns in die Manege gewatschelt kommen, dann strahlen sie und reißen die Augen auf.

Heute versuchen Comedians, die Rolle des Clowns zu spielen. Aber sie wissen das Wichtigste nicht, das auch in den kleinen Zeichnungen von Alex Kats sichtbar wird: Clowns brauchen keine Worte. Sie müssen auch nicht so tun, als wären sie klüger als andere Leute. Sie reagieren nur mit großer, immer neu überraschter Grimasse auf das, was ihnen passiert. Im Mittelteil des kleinen Büchleins gibt es auch zwei Zeichnungen, in denen Kats zeigt, dass der Clown auch im “wahren” Leben eine höchst ermutigende Rolle spielen könnte: als einer, der die Eskalations-Strategien der ernsthaften Leute durchbricht und mit Lächeln, Lachen und Knutschen reagiert, wenn sich die ach so Ernsthaften echauffieren.

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Lasst uns lachen
Alex Kats, HÖLLverlag 2014, 5,00 Euro

Wer Clown ist, ist nicht mehr nur der Zuschauer, der eifrig darauf bedacht ist, die Rollen einzuhalten. Clowns wissen, dass alle nur eine Rolle spielen – und die Meisten die falsche. Sie wissen auch, dass man die Rolle wechseln kann und damit selber zum Akteur wird. Das kann ganze Partys retten. Kongresse in der Regel nicht. Und es löst die schlimmste aller menschlichen Blockaden: die Unfähigkeit, über sich selbst zu lachen.

Alex Kats hat sich diesen kindlichen Blick noch bewahrt. Sein kleines Buch ist eine Liebeserklärung an Oleg Popow und an den Clown in uns allen. Zumindest in denen, die noch wissen, was das ist.

www.verlaghoell.de

Wikipedia zu Oleg Popow: http://de.wikipedia.org/wiki/Oleg_Popow

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