Für die noch ungeborenen "Nachwuchs-Messis" könnte es in 38 Jahren zu einer besonderen Konkurrenzsituation kommen: Im Rahmen eines Forschungsprojektes arbeiteten weltweit Studenten und Wissenschaftler daran, Roboter so zu programmieren, dass sie 2050 den amtierenden Fußball-Weltmeister schlagen können. An der HTWK Leipzig tüftelt eines der derzeit besten deutschen Teams.

“Eigentlich interessiert sich niemand von uns für Fußball.” – Informatikstudent Tobias Kalbitz sitzt mal wieder direkt an einem sechs Mal vier Meter großen Fußballfeld, wo er in den letzten Jahren mehr Freizeit verbracht hatte, als man ihm ob dieser Aussage glauben könnte und trotzdem erzählt er nicht die Unwahrheit. Denn mit Fußball hat das, was derzeit im RoboLab der HTWK passiert, derzeit noch sehr wenig zu tun. Gut, auf dem Spielfeld, dass die Hälfte des Labors ausmacht, gibt es auch zwei Tore, es gibt die normalen Spielfeldmarkierungen, aber die, die auf dem Spielfeld spielen, sind keine Fußballer – noch nicht. Eigentlich ist nicht mal ganz klar, ob man überhaupt jemals bei den Kameraden, die Tobias Kalbitz und bis zu elf andere Studenten regelmäßig betreuen, von Fußballern reden wird. 2050 sollen deren Nachfahren den amtierenden Fußball-Weltmeister schlagen, doch auch dann werden sie keine Lebewesen sein. Kalbitz und Co. wollen Roboter auf diesen Erfolg programmieren.

1997 – im Jahr, in dem “IBM Deep Blue” den Schachweltmeister Garri Kasparow schlug und ein Roboter bei der Mission “Pathfinder” erste Bilder vom Mars sendete, rief die Robocup Federation dieses Ziel aus, um der Roboterforschung über Wettbewerbe weitere Schübe zu geben. Deutschlandweit befassen sich zahlreiche Universitäten mit der Programmierung von Robotern, längst gibt es mehr als nur Fußball-Wettbewerbe. Auf Treffen bügeln die besten Haushaltsroboter gegeneinander, andere Roboter sollen Rettungskräfte bei Einsätzen unterstützen.
Im RoboLab der HTWK wird seit 2009 mit Robotern auf dem Fußballfeld experimentiert. Die Studenten Rico Tilgner und Thomas Reinhardt hatten sich damals erstmals mit dem Thema befasst, gingen auf Professor Karl-Udo Jahn zu und erhielten die notwendige Unterstützung. Seitdem forscht, tüftelt und baut das Nao-Team HTWK. Die Informatik-Studenten treffen sich regelmäßig im Labor oder testen auch schon mal allein. “Wer eine Idee hat, der kommt einfach hierher und probiert es aus”, so Kalbitz, der zudem unterstreicht, dass das Team “offen für alle und nicht nur für Informatikstudenten ist, auch ein Mathematik-Student würde uns weiterhelfen oder jemand, der uns bei der Reiseorganisation unterstützt. Lernen kann man hier auf jeden Fall viel.” Nicht nur in Sachen Programmierung und Software-Architektur, sondern auch bei den sogenannten Soft Skills, wie Teamfähigkeit kann man hier lernen, denn “wir haben niemanden, der die Hosen an hat. Wir treffen immer Konsensentscheidungen”.

Die Roboter bezieht die Hochschule von der Firma Aldebaran Robotics, die den sogenannten Nao produziert. Ein Roboter, der ursprünglich für den japanischen Spielzeugmarkt entwickelt wurde. Dort kostet er umgerechnet 16.000 Euro. Für die Wissenschaftler sind die Sportskameraden preiswerter. Aldebaran liefert allerdings wirklich nur den Roboter mit ein bisschen Hardware, um die Software, also um die Programmierung, kümmern sich die Studenten. Vier von ihnen stehen bei Spielen zweimal zehn Minuten auf dem Spielfeld, neben den Bewegungsabläufen kommt es bei der Programmierung vor allem auf die korrekte Objekterkennung des Roboters an. Nur wenn der Nao, der mit zwei Kameras ausgestattet ist, die vor ihm befindlichen Objekte richtig erkennt und zuordnet, kann er auf dem Fußballfeld auch richtig handeln. Kalbitz nennt ein Beispiel: “Bis zum letzten Jahr hatten die Tore unterschiedliche Farben. Wir haben ein Programm entwickelt, durch das der Nao über die Farbe des Tores feststellen konnte, in welche Richtung er laufen muss.” Sah der 55 Zentimeter große und 4,5 Kilogramm schwere Roboter vor sich also ein Tor, was er als gegnerisch erkannte, wusste er auch, dass er den Ball besser in diese Richtung schießen sollte. Doch um das große Ziel 2050 auch wirklich zu erreichen, werden Jahr für Jahr die Anforderungen an die Programmierer größer. Seit diesem Jahr gibt es bei Turnieren nur noch gelbe Tore, die Studenten mussten sich etwas anderes einfallen lassen, um dem Roboter Orientierung zu geben. Nun erhält der Nao, der durchaus auch mal stürzen kann, Orientierungshilfen über den eigenen Torwart. Ob ihr Programm auch einwandfrei funktioniert, erleben die Studenten spätestens im Wettkampf.
Anfang April starteten sie bei den German Open in Magdeburg und belegten einen guten 4. Platz. “Im Halbfinale trafen wir auf die Iren, deren Roboter einen enorm starken Schuss haben. Es war das beste Spiel des Turniers, aber am Ende haben wir verloren”, so Kalbitz. Taktisch sind die Roboter der HTWK noch nicht so geschult, dafür punkten sie in Sachen Schnelligkeit. Serien-(Welt-)Meister sind die Roboter des Deutschen Forschungsinstituts für Künstliche Intelligenz (DFKI), sie bringen mittlerweile auch schon Passspiel zustande. “Aber die haben auch ein Team von 20 Mann dahinter”, erklärt Professor Klaus Bastian, der die Leipziger Studenten bei Fragen berät und auch Studienleistungen zu diesem Thema annimmt. “Wenn die Studenten ein Thema haben, das damit im Zusammenhang damit steht, können sie gern darüber schreiben.” Zuletzt schrieb ein Student seine Masterarbeit über Objekterkennung bei Robotern, andere absolvieren im RoboLab ihr dreimonatiges Betriebspraktikum. Aber Bastian und seine Kollegen kommen den Studenten auch entgegen, wenn ein Turnier in ihrer Liga, der Standard-Plattform-Liga, ansteht. Im Juni geht es zur Weltmeisterschaft nach Mexiko City, vor Turnieren trifft sich das Team regelmäßig, Zeit für Hausarbeiten oder Klausur-Vorbereitung bleibt kaum. “Ohne die Unterstützung der Professoren könnten wir nicht soviel Zeit investieren”, weiß auch Tobias Kalbitz, dessen Team sich immer wieder auch mit anderen Nao-Mannschaften austauscht. Eine echte Konkurrenzsituation gibt es nicht. “Wir verfolgen alle ein Ziel und helfen uns gegenseitig bei Problemen, tauschen auch mal Quellcodes aus.”

Einen Sieg gegen den amtierenden Weltmeister 2050 hält er nicht für unrealistisch. “Das Nao-Team der HTWK hat in drei Jahren richtig große Fortschritte gemacht, warum soll es also nicht klappen?” Kalbitz und Co. werden versuchen, ihr Stück dazu beizutragen, auch wenn 2050 noch lange hin ist und gerade Reisen zu größeren Turnieren ins Geld gehen. Übrigens: Ein Werbeverbot auf Naos gibt es nicht. Sponsoren sind gern gesehen.

Mehr Informationen:
RoboCup im Netz: robocup.imn.htwk-leipzig.de
Die Naos der HTWK in Aktion: www.youtube.com/watch…, www.ais.uni-bonn.de/robocup.de

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