Über Frauen in Vorstandsetagen wird wohl in Deutschland noch ewig diskutiert werden, über irgendwelche Quotenmodelle per Gesetz. Und die werden wohl auch kommen, sie werden nur nichts daran ändern, wie Wirtschaft in Deutschland funktioniert. Aber man kann ja mal die Leute fragen, wie sie das sehen, dachten sich acht Studierende und zwei Dozentinnen des Lehrstuhls für Arbeits- und Organisationspsychologie der Uni Leipzig.

Den in deutschen Chefetagen immer noch unterrepräsentierten Frauen werden nach ihrer Untersuchung bessere Führungsqualitäten zugetraut als Männern. Wie die jetzt veröffentlichte Studie des Lehrstuhls für Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Leipzig zeigt, wird das Verhalten von Chefinnen und Chefs unterschiedlich wahrgenommen. Positive Führung werde zwar mit Männern und Frauen gleichermaßen in Verbindung gebracht. Negatives Führungsverhalten hätten die Probanden hingegen eher Männern zugetraut. In der Online-Umfrage wurden 164 Personen aus der arbeitenden Bevölkerung im Alter von 19 bis 78 Jahren in ganz Deutschland gebeten, Männer und Frauen im Hinblick auf verschiedene Führungsstile einzuschätzen.

Die Erhebung fand im Rahmen eines Projektmoduls der Masterausbildung Psychologie an der Universität Leipzig im Wintersemester 2012/13 statt.

Ein interessantes Detail, das sich daraus ergab: Das Geschlecht der Befragten spielte eine Rolle bei den Einschätzungen. Besonders Frauen schrieben positive Führung eher ihrem eigenen Geschlecht zu. Männer dagegen waren wesentlich zurückhaltender mit geschlechtsbezogenen Zuschreibungen.

Gängige Stereotype über Männer und Frauen könnten, so die Expertin, eine Erklärung für diese Befunde liefern. Positive Führung verstanden die Befragten als förderndes, unterstützendes, faires und sinnstiftendes Verhalten. Negative Führung hingegen wurde mit aggressiven und feindseligen Verhaltensweisen beschrieben.

“Das Rollenbild der Frau ist eher fürsorglich, unterstützend und sozialer. Das spielt Frauen in Führungspositionen in die Hände”, sagt Dozentin Christiane Stempel, die mit ihrer Kollegin Sabine Korek die Studie federführend betreut hat. Beide Psychologinnen arbeiten am Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie.

Die Verhaltensweisen schlechter Führung wie Aggressivität und Vorteilsnahme passten andererseits besser zum männlichen Stereotyp, was die gefundenen Zuschreibungen erklärt. Dass Frauen ihre Geschlechtsgenossinnen bei der Bewertung von Führungsverhalten mehr bevorzugen als Männer die ihren, findet sich bereits in früherer Forschung. Ein Grund könnte Solidarität unter Frauen in einer vorrangig von Männern geprägten Führungswelt sein, vermuten die Dozentinnen.

“Männer dagegen empfinden ihre Geschlechtsgenossen eventuell sogar als die größere Konkurrenz”, erklärt Stempel. Allerdings seien weitere Forschungen auf dem Gebiet nötig, um entsprechende Mechanismen zu klären, betont die Uni Leipzig in ihrer Mitteilung. Denn abgefragte Urteile sind ja noch keine fundierten Analysen.
Eine Frage, die sich zwangsläufig ergibt ist die: Macht es überhaupt Sinn, Frauen in Führungspositionen in Unternehmen zu hieven, deren Leitungsmechanismen nicht ganz zufällig männlich-aggressiv strukturiert sind?

Sollte man nicht eher über eine andere, sorgendere Art des Wirtschaftens nachdenken, eine, die nicht der Konkurrenz und der Ausschaltung der “Mitbewerber” den Vorrang gibt, sondern der Schonung und Mehrung von Ressourcen aller Art – angefangen von kompetentem Personal über die dazu gehörenden Familien und die gesellschaftliche Umgebung? Und das nicht nur mit den üblichen Sponsoring-Feigenblättchen?

Und die nächste wäre: Was passiert eigentlich mit führungskompetenten Frauen, wenn sie in männlich strukturierten Hierarchien per Quote “implantiert” werden? Verlieren sie nicht zwangsläufig genau das, was man an ihrer Führungskompetenz schätzen muss?

Und was müssten politische Instanzen tatsächlich tun, um eine andere, nachhaltige Art des Wirtschaftens, die auch diese Qualitäten stärkt, zu fördern?

Die diskutierten Quotenmodelle gehören wahrscheinlich nicht dazu. Aber die Fragen haben wir gleich an die Fachfrauen geschickt. Wir sind auf die Antworten gespannt.

Der Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie existiert seit 1995 und beschäftigt sich mit zahlreichen Fragestellungen des Arbeitsalltags. Das Spektrum reicht dabei von Führungs- und Genderforschung bis hin zu Themen der Arbeitsgestaltung und des Gesundheitsmanagements.

www.uni-leipzig.de/~apsycho/

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