Wissenschaftler des Instituts für Slavistik der Universität Leipzig erforschen seit kurzem die Genese und politische Nutzung sudetendeutscher Identität am Beispiel des sudetendeutschen Kameradschaftsbundes (KB). Das jüngst gestartete Forschungsprojekt "Heroischer Nationalismus: Der sudetendeutsche 'Kameradschaftsbund' in der Ersten Tschechoslowakischen Republik und die Konstruktion sudetendeutscher Identität" ist auf zwei Jahre angelegt und wird vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert.

Geleitet wird es vom Professor für Kulturstudien Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig, Stefan Troebst. Projektbearbeiter ist der Osteuropahistoriker Wilfried Jilge, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Slavistik/Professur Kulturstudien Ostmitteleuropas der Universität Leipzig.

Die Wissenschaftler untersuchen die ideologische und politische Arbeit des sudetendeutschen Kameradschaftsbundes. Der aus der Jugendbewegung hervorgegangene und Mitte der zwanziger Jahre als “Arbeitskreis für Gesellschaftwissenschaften” gegründete “Männerbund” entwickelte sich zu einem der prominentesten politischen Zirkel innerhalb der deutschen Minderheit der Ersten Tschechoslowakischen Republik (CSR).

“Mit seinem völkisch-antidemokratisch ausgerichteten ?Stammeskörperkonzept? trug der KB wesentlich zur Politisierung und Popularisierung einer sudetendeutschen Identität bei, die sich erst nach 1918 allmählich herausbildete und deren Existenz zunächst eine Behauptung völkischer Intellektueller war”, erklärt Wilfried Jilge.Der KB sei Initiator und Motor in dem Einigungs- und Radikalisierungsprozess der deutschen Minderheit, der schließlich in die Ausrufung der Sudetendeutschen Heimatfront 1933 mündete. In dem Projekt gehe es auch um die Frage, ob der KB trotz der heftigen Machtkämpfe im rechten Lager eigenständige, antidemokratische Perspektiven auf einen “Anschluss” an das Reich entwickelte und ob er politische Brücken vom “Sudetenland” in das nationalsozialistische Deutschland baute, ohne dass seine politischen Vorstellungen mit denen des Nationalsozialismus in allen Punkten identisch waren.

“Bis heute werden die Bedeutung und die Rolle des KB im Vorfeld des Münchner Abkommens und der Zerschlagung der CSR kontrovers beurteilt. Die als Endprodukt angestrebte monographische Untersuchung bildet daher auch einen Beitrag zur Erforschung eines der neuralgischsten Punkte in den deutsch-tschechischen Beziehungen des 20. Jahrhunderts”, sagte Troebst.

Die Materialbasis der Untersuchung bilden teilweise noch ungenutzte Bestände einschlägiger Archive in Deutschland, Österreich und der Tschechischen Republik sowie die zeitgenössische Periodik in der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig und der Universitäts- und Staatsbibliotheken der genannten Länder.

Zu Prof. Dr. Stefan Troebst: www.uni-leipzig.de/~gwzo/index.php?option=com_content&view=article&id=194&Itemid=383

Zu Wilfried Jilge: www.uni-leipzig.de/gwzo/index.php?option=com_content&view=article&id=232&catid=87&Itemid=343

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar