Was da in der letzten Woche im Regierungskabinett in Dresden passierte, war so etwas wie eine stille Abdankung des Ministerpräsidenten. Etwas anderes ist der Beschluss eines Einstellungsstopps für den öffentlichen Dienst nicht, wenn gerade das letzte Haushaltsjahr mit einem Überschuss von 800 Millionen Euro über die Bühne ging und die Reservefonds des Landes mit fast 6 Milliarden Euro gefüllt sind.

Mit etwas gutem Willen kann man es auch als Versuch interpretieren, die Personalkürzungen im Land, die man mit Strategie und belastbaren Visionen nicht untermauern kann, gegen die Betroffenen mit aller Macht durchzudrücken. Auch gegen Polizeipräsidenten oder Hochschulrektoren, die in ihren Ressorts schon die Strukturen zerbrechen sehen. Denn wirklich verdaut hat Sachsen die Personalkürzungsrunden der letzten zehn Jahre noch nicht. Die Verwaltungsreform von 2008 auch nicht. Die Scheu vor der Evaluierung der Ergebnisse ersetzt eine nachhaltige Personalpolitik nicht.

Nur noch in begründeten Ausnahmefällen dürfen unter Zustimmung von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) und Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) Neueinstellungen erfolgen. Obwohl der Bildungsbereich ausgespart bleiben sollte, sind die Anweisungen des Einstellungsstopps bei den Hochschulen bereits angekommen.

Damit hat das Kabinett gleich mal alle seine jüngeren Projekte zu Makulatur erklärt – allen voran das viel gepriesene “Hochschulfreiheitsgesetz”. So unfrei bei der Besetzung ihrer Stellen waren Sachsens Hochschulen seit 180 Jahren nicht mehr.

“Die vollmundigen Ankündigungen von Wissenschaftsministerin von Schorlemer verkommen abermals zur Worthülse. Die Ministerin ist offensichtlich nicht mehr Ressortchefin, wenn alles im Wissenschaftsbereich durch die Hand des Finanzministers gesteuert wird”, stellt Holger Mann, Sprecher für Hochschule und Wissenschaft der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, speziell für seinen Bereich fest. “Wir erleben die Haushaltssperre 2.0 und einen Erpressungsversuch, wie ihn Sachsen seit Wissenschaftsminister a. D. Matthias Rößler (CDU) nicht mehr erlebt hat.”

Wäre denn der Hochschulbereich, in dem Sabine von Schorlemer trotz Rekordstudierendenzahlen weiterhin über 1.000 Stellen streichen will, das einzige vom Einstellungsstopp betroffene Ressort. Doch der vom Kabinett beschlossene Quasi-Einstellungsstopp bis zum 19. Juni 2012 gilt für den gesamten öffentlichen Dienst in Sachsen.

Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen befürchtet nun, dass das Einstellungsmoratorium auch auf Sachsens Lehrerschaft Auswirkungen haben wird und die Neueinstellungen zum nächsten Schuljahr in Gefahr sind.

“Sollte sich herausstellen, dass im Schulbereich nicht weiter, oder nicht wie nötig, eingestellt werden kann, käme dies für einige Schulen dem letzten Sargnagel gleich. Dem werden wir uns mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln entgegenstellen”, erklärt Annekathrin Giegengack, bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion. “Der Personalbedarf der Schulen wird ohnehin kaum gedeckt, ein zusätzlich erschwertes Einstellungsverfahren darf es nicht geben.”Die Grünen haben deshalb speziell zu den Auswirkungen im Schulbereich eine Kleine Anfrage gestellt.

Für die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften ist das, was die Landesregierung mit ihrem Personal und speziell dem Hochschulpersonal anstellt, längst “Personalwahnsinn”.

Obwohl der Hochschulbereich vom Kabinettsbeschluss ausgespart werden sollte, sorgten entsprechende Schreiben, die gleich darauf in den Hochschulen eintrudelten, für einen ganz anderen Eindruck. Die Anweisung traf am Freitag, 9. März, in den Rektoraten der Hochschulen ein. In einem Brief informierte die Landesregierung auch die Hochschulen, dass ab sofort alle Neueinstellungen, Vertragsverlängerungen oder Entfristungen vom Ministerpräsidenten und dem Wirtschaftsminister genehmigt werden müssen.

“Damit unterwandert die Regierung sogar das Sächsische Hochschulgesetz”, erklärt Anni Fischer, Sprecherin der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSK) dazu. “Das Vorgehen wird nicht nur katastrophale Folgen für die Hochschulen haben, sondern ist ein Skandal! Die Lehre an sächsischen Hochschulen wird komplett ruiniert, wenn das Verfahren bis Juni 2012 fortgeführt wird. Vor allem im Wintersemester wird dann kaum noch Lehre angeboten werden können. Besonders bei dem zu erwartenden Anstieg der StudienanfängerInnenzahlen – die das Ministerium selbst noch vor einigen Zeit bekannt gab – ist das Vorgehen ein Desaster.”

Das Verhalten entbehre jeglicher Logik und sei unverantwortlich. Anni Fischer: “Sowohl Studierenden, aber vor allem jenen MitarbeiterInnen, denen eine Verlängerung ihrer befristeten Arbeitsverträge in Aussicht gestellt wurde, wird hier jegliche Grundlage entzogen. Dabei braucht es noch nicht einmal böser Absicht bei Ministerpräsident und Wirtschaftsminister, um den Hochschulen jegliche Grundlage zu entziehen. Das Moratorium umspannt den gesamten öffentlichen Dienst – allein die schiere Menge an zu bearbeitenden Anträgen wird dafür sorgen, dass uns ein neues Semester mit Personalchaos ins Haus steht. Das ist sächsische Nachhaltigkeitspolitik.”

Die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften fordert logischerweise die Landesregierung auf, diesen “Personalwahnsinn” zu beenden und die Hochschulen, in Zeiten von nie gesehenen Studierendenzahlen, personaltechnisch auf eine stabile und planbare Grundlage zu stellen.

Und Holger Mann zu diesem Notregieren: “Diese Koalition sollte von Hochschulfreiheit und Stellenplanflexibilisierung schweigen. Auf der einen Seite Autonomie zu heucheln und auf der anderen jetzt jede Personalmaßnahme durch den Ministerpräsidenten oder seinen Stellvertreter genehmigen zu lassen, zeugt von wenig Glaubwürdigkeit in der Hochschulpolitik. Mit dieser Bildungspolitik manövriert sich Schwarz-Gelb ins Aus! Wir brauchen keine neuen Knebel für die Hochschulen und keinen Bürokratieaufbau. Die Zeiten der ministeriellen Berufungen in Sachsen sind längst vorbei. Hier einzugreifen, muss als Erpressungsversuch in den Verhandlungen zu Zielvereinbarungen verstanden werden und legt das tiefe Misstrauen gegenüber den Hochschulen offen.”

Der angekündigte Dialog auf Augenhöhe sei damit endgültig gescheitert. Holger Mann: “Wäre es nicht so traurig, würde ich von einem vorfristigen Aprilscherz ausgehen. Stattdessen gilt bei dieser Regierung wohl das Motto: ?Denn Sie wissen nicht, was Sie tun!'”

Kleine Anfrage der Grünen: “Auswirkung Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst auf Lehrerneueinstellungen”: www.gruene-fraktion-sachsen.de/1e2a9ef2.l

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