Der sächsische Landeselternrat hat den Rücktritt von Sachsens Kultusminister Roland Wöller zum Anlass genommen, Ministerpräsident Tillich noch einmal ins Schulheft zu schreiben, was derzeit eigentlich schief läuft. Grundlegende Forderung: Der Ministerpräsident soll seiner Verantwortung endlich gerecht werden.

Nach dem Rücktritt seines Kultusministers hat Ministerpräsident Stanislaw Tillich sein letztes Schutzschild vor den Bildungskritikern im Freistaat, deren Gruppe – so hat man den Eindruck – täglich größer wird, verloren. Solange wie es keinen neuen Minister gibt, wird Tillich alle Kritik und alle Forderungen selbst aushalten müssen. Noch am Dienstag, 20. März, am Tag des Rücktritts, sandte der Landeselternrat einen offenen Brief nach Dresden, adressiert an den Ministerpräsidenten, in dem dieser darauf aufmerksam gemacht wird, was nun zu tun sei. Schlimm genug, dass es Tillich und die sächsische Landesregierung offenbar selbst noch nicht mitbekommen haben.

Fünf aufgelistete Forderungen umfasst der Brief. Im Zentrum steht einmal mehr das “vollkommen unzulängliche Bildungspaket”, das zu einem “unterrichtswirksamen Lehrerstellenabbau führt.”

Neu sind die Forderungen des Landeselternrats allesamt nicht, aber nun muss sich Tillich selbst diese zu Herzen nehmen, ein anderer ist nicht mehr da.

Der offene Brief im Wortlaut:

Dresden, den 20.03.2012

Offener Brief des Landeselternrates Sachsen an Ministerpräsident Stanislaw Tillich anlässlich des Rücktrittes von Staatsminister Prof. Dr. Wöller
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

der Landeselternrat Sachsen hat heute den Rücktritt des Staatsministers Prof. Dr. Wöller zur Kenntnis genommen – die Gründe, die der Staatsminister für seinen Rücktritt angibt, sind alarmierend. Demnach führt die geplante fünfzigprozentige Finanzierung des ohnehin völlig unzulänglichen “Bildungspaketes” aus dem Haushalt des SMK zu einem signifikanten, unterrichtswirksamen Lehrerstellenabbau.

Das ist für Sachsens Eltern nicht hinnehmbar!

In diesem Sinne zollen wir der Entscheidung des Staatsministers Prof. Dr. Wöller Respekt, wenn er die sich abzeichnende Entwicklung im sächsischen Bildungssystem nicht weiter mittragen kann und danken ihm für die Zusammenarbeit mit dem LER Sachsen.

Aber auch unabhängig von der Frage der Finanzierung kritisiert der Landeselternrat Sachsen erneut das durch die FDP/CDU Koalition verabschiedete Bildungspaket. Dieses wird dem selbstgesteckten Ziel, freiwerdende Lehrerstellen neu zu besetzen, nicht gerecht und ignoriert wesentliche Entwicklungen im sächsischen Bildungssystem.

In diesem Zusammenhang verweisen wir auf die Erklärung des Landeselternrates und der Kreiselternräte zur Lehrerversorgung an Sachsens Schulen vom 20.02.2012. Insbesondere möchten wir folgende Forderungen bekräftigen:

1. Steigende Schülerzahlen erfordern mehr unterrichtswirksame Lehrerstellen. Aktuelle Prognosen müssen dabei berücksichtigt werden!

2. Bei der Planung der einzustellenden Lehrer muss der Bedarf der jeweiligen Schulart und die benötigte Fachspezifik berücksichtigt werden. Hierfür sind rechtliche Grundlagen zu schaffen, die das Einstellen von Lehrern entsprechend der benötigten Fachspezifik erlauben.

3. Die Attraktivität des Lehrerberufs im Allgemeinen, besonders aber für Grundschulen, Mittelschulen und für Sonderpädagogik muss deutlich erhöht werden, damit sich Studienanfänger für Studienrichtungen entscheiden, für die ein tatsächlicher Bedarf besteht und ein Abwandern von Lehrkräften in andere Bundesländer mit attraktiveren Arbeitsbedingungen verhindert wird.

4. Neben den unterrichtswirksamen Lehrerstellen sind zudem die für ein funktionierendes Schulsystem notwendigen Unterstützungssysteme wie Schulpsychologen, Schulsozialarbeiter etc. in wirksamer Weise vorzusehen.

5. Die Umsetzung der UN-BRK im Schulsystem, zu der Sachsen verpflichtet ist, erfordert in der Anfangsphase deutliche Investitionen. Auch diese müssen in einem nachhaltigen Konzept berücksichtigt werden.

Ein weiteres Ignorieren der teilweise seit Jahren bekannten Aspekte würde eine rasche Verschlechterung der Bildungsqualität in Sachsen zur Folge haben. Dies wäre eine Entwicklung, die sich nur schwer wieder umkehren ließe und die sich Sachsen tatsächlich nicht leisten kann.

Der Landeselternrat Sachsen fordert Sie daher auf, Ihrer Verantwortung für die positive Weiterentwicklung Sachsens, die zu einem wesentlichen Teil auf einer exzellenten Bildung fußt, gerecht zu werden und die notwendigen Schritte für ein nachhaltiges, qualitativ hochwertiges Bildungssystem einzuleiten.

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Hellner Vorsitzender Landeselternrat Sachsen”

Weitere Informationen zum Landeselternrat Sachsen im Netz:
www.landeselternrat-sachsen.de

Einen offenen Brief hat auch der Arbeitskreis Gymnasien im Stadtelternrat Leipzig geschrieben.
Den finden Sie hier als PDF zum download.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar