Wieder schön bunt ist er, der neue Flyer zur nächsten Aktion im Völkerschlacht-und-Völkerschlachtdenkmal-Jahr. Ein Mitmach-Flyer für die Schüler Leipziger Schulen. Schön bunt - und voller Fehler. So langsam deutet sich an, wie wichtig im Jahr 2013 die Diskussion darüber ist, was das 100 Jahre alte Denkmal eigentlich bedeutet.

“Anlässlich des Jubiläumsjahres 2013 hat in den vergangenen Tagen der Förderverein Völkerschlachtdenkmal e.V. mit Unterstützung der Sächsischen Bildungsagentur, Regionalstelle Leipzig, die Schulen in der Region Leipzig aufgerufen, sich am Doppeljubiläum 2013 mit kreativen schulischen Projekten zu beteiligen”, teilt die Regionalagentur dazu mit. “Selbstverständlich ist die Völkerschlacht zu Leipzig 1813 in den Geschichtslehrplänen verankert und war auch in den vergangenen Jahren Unterrichtsstoff.”

Achso? – Dann hätte man doch bestimmt den ein oder anderen Geschichtslehrer finden können, der das Blatt vor der Drucklegung mal durchliest? Oder geht der Lehrermangel schon so weit, dass sich keiner mehr mit den historischen Fakten auskennt?

Der Fehler auf der einen Seite “1998-1913: Bau des Denkmals” ist eher lässlich. Das passiert den besten Redaktionen.

Viel beängstigender ist, dass der federführende Förderverein Völkerschlachtdenkmal e.V. nicht einmal weiß, warum das Denkmal da steht.

Warum er es auch für so wichtig hält, auf dem Flyer darauf hinzuweisen, dass das Denkmal 1913 “im Beisein von Kaisern und Königen eingeweiht” wurde, ist fast schon rätselhaft. Tatsächlich war nur ein einziger Kaiser dabei – nämlich Wilhelm II., Kaiser des Deutschen Reiches. Die anderen Kaiser – nämlich die von Russland und Österreich – schickten Stellvertreter. Der sächsische König war dabei und hatte sogar das Privileg, sprechen zu dürfen. Die anderen Fürstlichkeiten durften keine Reden schwingen.

“Aber das Jubiläumsjahr sollte auch zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten mit dem Thema bieten”, meint die Bildungsagentur. “Auf der Basis verschiedener Projektvorschläge (aber auch mit selbstentwickelten Ideen) können sich einzelne Schülerinnen und Schüler sowie Teams und Klassen in verschiedenen Formen mit Themen rund um das Völkerschlachtdenkmal beschäftigen. – Recherchieren, sich informieren, Exkursionen durchführen, Fotos-Videos und Webseiten erstellen, Modelle bauen … den Ideen sind eigentlich keine Grenzen gesetzt. Durch die Festlegung auf eine ‘offene Form’ soll der Zugang zum Thema erleichtert und die möglichen Ansätze der inhaltlichen Beschäftigung nicht eingeschränkt werden.”

Wäre vielleicht aber besser gewesen. Es ist ein bisschen wie beim Freiheitseinheitsdenkmal, das auch so schwammig ausgelobt wurde: Bei Wettbewerben kommt eher wenig Sinnvolles heraus, wenn es keinen gemeinsamen Nenner gibt. Und in Leipzig sind mittlerweile eine Menge Leute richtig bemüht, den gemeinsamen Nenner aufzudröseln und alles in eine Art Beliebigkeit zu verwandeln.Da interpretiert man dann einfach mal drauflos.

“Den über 120.000 Toten der Schlacht und der Befreiung von der französischen Besatzung wurde auf Initiative des Leipziger Architekten Clemens Thieme in den Jahren 1898 bis 1913 das Völkerschlachtdenkmal errichtet”, heißt es im Flyer.

Mal abgesehen davon, dass seriösere Quellen meist von 90.000 “getöteten und verletzen” Soldaten sprechen, ist der zweite Teil des Satzes schlichtweg falsch. Und bislang ist die These, das Denkmal könnte an die “Befreiung von der französischen Besatzung” erinnern, sogar regelrecht neu.

In Leipzig gibt es kein einziges Denkmal, das an die “Befreiung von der französischen Besatzung” erinnert. Aus vielen guten Gründen. Denn den Denkmalsinitiatoren war die Zweischneidigkeit der Schlacht und ihrer historischen Bedeutung sehr wohl bewusst. und Clemens Thieme, der eigentliche Ideengeber für das Denkmal, hat 1934 sehr klar formuliert, wofür das Denkmal steht:

“Es sollte sein 1. ein Ehrenmal für die gefallenen Helden von 1813, 2. ein Ruhmesmal für das deutsche Volk und 3. ein Mahn- und Wahrzeichen für kommende Geschlechter …”

Das äußerte er in Kritik an den Entwürfen von Bruno Schmitz: “Weder das Ehrenmal für die gefallenen Helden noch das Mahn- und Wahrzeichen für kommende Geschlechter fanden die genügende Betonung. Es wurde auf mein Geheiß die Krypta eingebaut, um so das Ehrenmal für die gefallenen Helden zu schaffen.”

Ehrung der Gefallenen und Mahnung an künftige Generationen. Darum ging es.

Wahrscheinlich tun Leipzigs Geschichtslehrer gut daran, den Flyer so wie er ist ins Altpapier zu geben. Oder sie lassen die Schüler im Unterricht die inhaltlichen Fehler alle rot anstreichen.

Hier ist noch einer, der die Schweden freuen wird: “Diese Schlacht führte zu einer Niederlage Napoleons gegen die Großmächte Russland, Preußen, Österreich und Schweden.” Wie heißt es so schön auf Wikipedia zur Großmacht Schweden, die es tatsächlich mal war – aber halt im 17. Jahrhundert: “Ein jähes Ende fanden die Großmachtsträume unter König Karl XII., der im großen nordischen Krieg von den Russen und den Dänen geschlagen wurde. Schweden musste daraufhin seine Besitzungen im Baltikum abgeben.” Der “große nordische Krieg” endete 1721.

1813 war Schweden so wenig mehr eine Großmacht wie Preußen, dessen Großmachtträume 1806 vorerst ausgeträumt worden waren in der Schlacht von Jena und Auerstädt. Auch das lernt man normalerweise im Geschichtsunterricht.

Dabei sitzt mit Dr. Volker Rodekamp eigentlich einer im Vorstand des Fördervereins Völkerschlachtdenkmal, der diese Dinge wissen müsste. Aber auch den hat man wohl nicht gebeten, mal drüber zu schauen und Korrektur zu lesen.

Was in diesem Jahr, in dem der 200. Jahrestag der Völkerschlacht und 100 Jahre Völkerschlachtdenkmal gewürdigt werden sollen, zumindest bedenklich ist. Wissen die Akteure denn überhaupt, was sie genau feiern?

Die Befreiung von der französischen Besatzung jedenfalls nicht.

Zumindest vorsichtig genießen kann man auch diesen Satz: “Vor 200 Jahren fand vor den Toren Leipzigs eine der größten Massenschlachten der Menschheitsgeschichte statt: die Völkerschlacht bei Leipzig.” Wenn man ergänzt “in der bis dahin bekannten Geschichte”, dann stimmt es. Aber die Völkerschlacht war leider eine jener Massenschlachten, die die noch viel größeren Massenschlächtereien des 19. und 20. Jahrhunderts erst vorweg nahmen. Einer wie Thieme meinte die Mahnung durchaus ernst. Einen wie Wilhelm II. interessierte das aber nicht die Bohne. 1914 war er mitbeteiligt an der Auslösung eines Krieges, der die Ausmaße der Napoleonischen Kriege noch deutlich übertraf.

Auch das dürfen wir heute als Mahnung verstehen. – Liebe Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrer, schnappt euch den Rotstift und korrigiert diesen Zettel, bevor ihr ihn an die Schüler verteilt.

Zur Intension des Völkerschlachtdenkmals: www.itoja.de/Jahrestag_Voelkerschlacht_1813_bei_Leipzig/Alles_ueber_die_Voelkerschlacht_1813_bei_Leipzig/Die_Entstehungsgeschichte_des_Voelkerschlachtdenkmals_in%20Leipzig.html

Der kritisierte Flyer als PDF zum download.

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