Jaja, wir wurden eingeladen. Wie alle anderen. Zwei freundliche Mails, ein freundlicher Anruf. Ob die L-IZ noch schnell ganz fix Zeit hat, an der Pressekonferenz im Vorfeld des Medientreffpunkts Mitteldeutschland teilzunehmen, der vom 6. bis 8. Mai in der Mediacity in Leipzig ausgetragen wird. Aber der Blick ins Programm ernüchterte gleich wieder: Es war wie 2012, wie 2011. Der Medientreffpunkt ist eine Veranstaltung der Alten Medien.

Wir haben uns das Programm angeschaut – rauf und runter. Ist da was, was uns interessieren könnte? – Eigentlich ja, stellten wir fest. Da wird über Werte im Netz diskutiert, über die Jugend und ihre Themen, über Digitale Kontrolle (“Wer steuert uns?”), sogar über Finanzjournalismus. Über Medien und Demokratie (“Gesellschaftliche Bindewirkungen”). In einer Ecke unterhalten sich ein paar Leute auch über Bezahl-Journalismus im Netz.

Aber schon wenn man die Referentenliste aufklappt, kommt dieser Moment der Ernüchterung. Es sitzen wieder die diversen Sender und Öffentlich-Rechtlichen da und diskutieren mit ein paar eingeladenen Experten. Die Sache ist so hermetisch wie seit Jahren. Und saßen die “anderen”, die Leipziger Kreativen schon 2012 am Katzentisch draußen vor der Tür, ist dieser Katzentisch in diesem Jahr sogar noch mit einem schönen Label beklebt worden: Open Lab “Blattkritik”.

Das klingt so, als würden da draußen von verrückten jungen Leuten die Ideen gekocht, die zeigen, dass Medienmachen in Mitteldeutschland auch anders geht. Oder ginge.

Ariane Jedlitschka vom Kreatives Leipzig e.V. bekam sich am 30. April gar nicht wieder ein vor lauter Freude, verkünden zu können: “Wir haben, als Kooperationspartner für das Open Lab an zwei Tagen ein spannendes Programm zur Kultur- und Kreativwirtschaft gestaltet und freuen uns über Rückmeldungen zur Teilnahme.”

Als spannend verspricht sie am Montag, 6. Mai, 13 Uhr bis 15:30 Uhr das Panel “Kreativ in Mitteldeutschland”. Da moderiert Claudius Nießen vom Literaturinstitut tatsächlich die spannende Frage “Vision 2020 – Wie kreativ ist Trimedial?” – Trimedial – das ist der Zauberbegriff, mit dem auch der MDR sich seit einiger Zeit versucht, als moderner Sender zu verkaufen – in drei “Medien”, was natürlich Quatsch ist. Es geht immer nur um Vertriebskanäle – TV, Radio und – nachdem man einfach mal den Sendeauftrag etwas weiter gefasst hat – auch im Internet. “In der Trimedialität sieht die Medienbranche die Zukunft. Ein Thema für drei Verbreitungswege zu konzipieren setzt eine kreative Herangehensweise in Format, Inhalt und Darstellung voraus”, heißt es in der Ankündigung.
Das wäre genauso, als würden Logistiker aus der Lkw-, Schienen- und Fahrradbranche sich zusammentun und würden darüber debattieren, wie man kreativ an das Thema Vertrieb herangeht und dieselben Päckchen mal mit Lkw, mal mit Container, mal mit Fahrradkurier verschickt. Nur anders verpackt.

Von 17 Uhr bis 18:30 Uhr gibt es dann auch noch einen WebMontag im Rahmen des Medientreffpunkts Mitteldeutschland. Da “stellen euch die Großen der Branche ihre aktuellen Mediendienste rund um Radio, TV und Internet vor. Und vielleicht schauen wir auch ein wenig in die Zukunft”, verkündet Ariane Jedlitschka. Und merkt nicht mal, was für ein eleganter Kotau das ist in einem Satz.

Die “Großen der Branche”? – Wer so spricht, kann kein Selbstvertrauen haben, eine belastbare Einschätzung vom eigenen Tun schon gar nicht. Und wie sehr sich die vereinten “Kreativen” in Leipzig mit ihrer Rolle als Bittsteller identifizieren, zeigt dann der Dienstag, 7. Mai, in der Media City, wenn von 9:30 Uhr bis 17:30 Uhr das Open Lab “Blattkritik” veranstaltet wird. Wenn hier die wilden Kreativen tatsächlich über mediale Alternativen für eine bräsig gewordene Medienlandschaft debattieren würden und den “Großen” auf Augenhöhe begegnen würden – es wäre sinnvoll.

Aber es ist wieder nur ein Feigenblättchen. Ariane Jedlitschka: “Mitmachen und präsentieren! Eure medialen Ideen und Produkte – Feedback vom Profi für Euch! – Eure Produktidee im Fokus: Ihr erläutert einem professionellen Medienmacher eurer Wahl, kurz Nutzen, Hintergrund und Zukunftsfähigkeit eures Vorhabens. Im Anschluss erhaltet ihr fachgerechtes Feedback und es gibt Raum für ein konstruktives Gespräch.” So wird die Leipziger Kreativbranche nie erwachsen.

Und wer sind diese “Profis”? – “Manager, Produzenten, Direktoren der großen Medienanstalten und -unternehmen aus dem gesamten Bundesgebiet”. Also wieder die alten und fest Angestellten. Aus Sicht der Veranstalter ist das Angebot aber ein Novum namens Kreativwirtschaft im alten Baustein “Treffpunkt Mediennachwuchs”.

“Traditionell setzt sich der Treffpunkt Mediennachwuchs (TMN) mit Themen auseinander, die einerseits junge Medienkonsumenten und andererseits junge Medienmacher betreffen. In diesem Jahr hat der TMN eine neue Säule dazu bekommen und bedient umfänglich das Thema Kreativwirtschaft. Medien sind Teil dieses Wirtschaftszweiges und zunehmend auf kreative Dienstleistungen angewiesen. Dennoch haben beispielsweise medienspezifische Entwickler und Designer kaum eine Plattform auf Medienkongressen”, stellt man zu diesem Schwerpunkt auf der Website fest. Also präsentieren sich hier aus Sicht der “Großen” die jungen kreativen Dienstleister. – Wenn das mal keine Einschätzung ist.

“Der TMN möchte zukünftig eine Schnittstelle zur Kreativwirtschaft bieten. Neben klassischen Podiumsdiskussionen bietet der TMN im Open Lab Raum für intensive Gespräche zwischen Referenten und Teilnehmern, Moderator und Experten, Medienakteuren und Kreativen. Der Dialog auf Augenhöhe steht hier im Vordergrund. Das Open Lab bietet zudem Platz für ein Barcamp zum Thema Kreativwirtschaft.”

Augenhöhe. Nach dem Motto: Wir kommen dann mal raus und erklären euch, wie’s geht.

“Der Medientreffpunkt bietet wieder eine große thematische Vielfalt und widmet sich den wesentlichen Aspekten und aktuellen Fragen der Branche”, erklärte Martin Heine, Vorsitzender der AG Medientreffpunkt Mitteldeutschland und Direktor der Medienanstalt Sachsen-Anhalt, vor Beginn der Veranstaltung. “Als Veranstalter bin ich überzeugt, dass der Medientreffpunkt wieder wichtige Impulse setzen wird. Die Zusammensetzung der Panels mit namhaften Experten wird einige kontroverse Debatten bringen.”

Mal so gefragt: Welche Impulse haben die ganzen vorangegangenen Medientreffpunkte gebracht? Die Veranstaltung ist so hermetisch wie zuvor. Ein echter Branchentreffpunkt der Alten Medien mit mehr als 200 Referenten, “die aktuellen Fragen und Trends der Branche in der Leipziger media city” diskutieren. Rund 1.200 Teilnehmer werden erwartet.

Und was ist wichtig? “In der sogenannten großen Runde am Mittwoch diskutieren der ZDF-Intendant Dr. Thomas Bellut, der ARD-Vorsitzende Lutz Marmor, die MDR-Intendantin Prof. Dr. Karola Wille, Dr. Tobias Schmidt von RTL, der DLM-Vorsitzende Dr. Jürgen Brautmeier sowie die Chefs der Staatskanzleien aus Thüringen und Sachsen das Thema ‘Strategien der Sender und die Politik der Länder’.” Das klingt so, als hätten die Öffentlich-Rechtlichen eine Strategie und müssten irgendwie auf die Politik der Landesregierung reagieren. Ist natürlich irreführend: Es geht um den Rundfunkbeitrag und die Interpretation des Senderauftrags. Und im Podium sitzen lauter Leute, die begründen werden, warum der neue Rundfunkbeitrag und die Senderangebote im Internet gebraucht werden.

“Die mit der Digitalisierung einhergehende fortschreitende Konvergenz der Medien verändert auch die Voraussetzungen für den Wettbewerb. Die Sender wollen Stabilität und Qualität gewährleisten und gleichzeitig den Anschluss nicht verlieren”, heißt es auf der Website über diesen Spagat, bei dem sich würdige Herren im Sakko schon seit Jahren die Beine ausrenken. “In der Diskussion um neue Erlösmodelle und die verschiedenen Verbreitungswege werden daher Stimmen laut, die Anpassungen in der bestehenden Medienordnung fordern. Hier ist die Politik gefragt.” Dumm nur, dass nur die Staatsminister und Sendervertreter im Podium sitzen. Das Ergebnis kann man sich schon vorher ausmalen.

“Ebenfalls am Mittwoch debattieren unter anderem der Kommunikationsberater Michael H. Spreng, der ehemalige Regierungssprecher Hessens Dirk Metz und Dieter Wonka, der Berliner Chefkorrespondent der Leipziger Volkszeitung, zum Thema ‘Skandale – Machen die Medien die Politik steril?'”

So etwas ist dann spätestens der Punkt, an dem man sich sagt: So viel verschwendete Zeit. Das hat man nun schon alles hundertfach in Diskussionen und Talkrunden gehört. Es sind die Themen und Schwerpunktsetzung der Alten. Die gar nicht daran denken, irgendetwas an ihrem Verhalten zu ändern. Das Thema gehört in die Redaktionskonferenzen. Aber da findet es wohl nicht mehr statt.

Dass das alles so hermetisch ist, hat natürlich mit dem Veranstalter, der AG Medientreffpunkt, zu tun. Zu den Mitgliedern gehören die drei mitteldeutschen Landesmedienanstalten, der Mitteldeutsche Rundfunk, die Stadt Leipzig und “weitere Unternehmen der Medienbranche”, was schon wieder gemogelt ist, denn es sind fast alles Radiosender.

Aber wer noch Zeit zu verdaddeln hat, hier steht alles: www.medientreffpunkt.de

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