Seit einigen Jahren sehen sich Journalisten, aber auch Politiker und Leser mit scheinbar neuen Herausforderungen und Bedrohungen konfrontiert, die unter anderem mit der wachsenden Bedeutung des Internets und der Sozialen Medien zusammenhängen. Eine von der Leipziger Rechtsanwaltssozietät Spirit Legal veranstaltete Diskussion am Dienstagabend, dem Internationalen Tag der Pressefreiheit, widmete sich unter dem Titel „Hass im Netz“ im Intercity Hotel vor allem den Themen Fake News und Hate Speech. Auf dem Podium versammelten sich zu drei Vorträgen mit Dr. Jonas Kahl, Peter Hense und Markus Walther praxisnahe Juristen zum Thema. Flankiert wurde der Abend von CDU-Stadtrat Michael Weickert, Grünen-Sprecher für Sachsen, Jürgen Kasek und Robert Dobschütz (L-IZ.de) in der anschließenden gemeinsamen Debatte.

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Rechtsanwalt Peter Hense eröffnete die Veranstaltung mit einem Vortrag zur Geschichte der Fake News. Darin zeigte er auf, dass dieses Phänomen, das vor allem seit dem jüngsten US-Präsidentschaftswahlkampf unter diesem Namen in aller Munde ist, weit zurückreicht. Als Beispiel nannte er die Berichterstattung über den Reichstagsbrand in der Nacht auf den 28. Februar 1933 und die Meldungen zu Wahlergebnissen in der DDR.

In der jüngeren Vergangenheit seien Fake News beispielsweise bei den Brexit-Befürwortern oder im „Fall Lisa“ zum Einsatz gekommen. Die US-Präsidentenberaterin Kellyanne Conway prägte gar einen neuen Begriff als Ausdruck von Fake News: Alternative Fakten.

Der Vortrag von Rechtsanwalt Peter Hense zum Thema FakeNews

Jonas Kahl, Markus Walther, Peter Hense, Jürgen Kasek, Robert Dobschütz und Michael Weickert (vlnr.) Video L-IZ.de

Einen Ausflug ins Zivilrecht unternahm anschließend der Medienexperte und Rechtsanwalt Dr. Jonas Kahl. Er nannte zunächst die Voraussetzungen, wann man sich gegen Angriffe im Netz juristisch wehren kann: persönliche Betroffenheit, ein identifizierter Täter und eine unwahre Tatsachenbehauptung oder Beleidigung beziehungsweise Schmähkritik. Ein Beispiel für eine unwahre Tatsachenbehauptung sei die mediale Umbenennung des AfD-Politikers Höcke von Björn zu Bernd. Mögliche Ansprüche, die das Zivilrecht gegebenenfalls vorsieht, sind Löschung, Unterlassung, Widerruf, Gegendarstellung und Geldentschädigung.

Im Falle von Höcke jedoch dürfte die Satire seitens der „Heute-Show“ einen durchaus als Schutzrahmen zu sehenden Satireraum darstellen.

Der Vortrag von Rechtsanwalt Dr. Jonas Kahl zur Rechtslage im Netz

Jonas Kahl, Markus Walther, Peter Hense, Jürgen Kasek, Robert Dobschütz und Michael Weickert (vlnr.) Video: L-IZ.de

Einen Einblick in die Arbeit der deutschen Behörden gewährte schließlich der Leipziger Staatsanwalt Markus Walther, der später am Abend mit dem Satz „Sie können der sächsischen Justiz vertrauen“ für einige Lacher sorgte. Sein Vortrag führte vor allem über ein Beispiel einer aufgestellten Behauptung durch die Möglichkeiten der Justiz, bereits heute Falschnachrichten, Hasssprache und Bedrohungen im Netz zu verfolgen.

Der Vortrag von Staatsanwalt Markus Walther zum Vorgehen der Justiz

Peter Hense, Jonas Kahl, Markus Walther, Jürgen Kasek, Robert Dobschütz und Michael Weickert (vlnr.) Video: L-IZ.de

Die Podiums-Debatte

Nach etwa einer Stunde begann die eigentliche – übrigens rein männlich besetzte – Podiumsdiskussion, an der sich nun auch der Rechtsanwalt und Grünen-Landesvorsitzende Jürgen Kasek, der lokale CDU-Pressesprecher und Stadtrat Michael Weickert sowie Journalist Robert Dobschütz, u. a.. Mit-Inhaber der L-IZ.de, beteiligten.

Kasek schilderte eindrücklich die persönlichen Angriffe, bis hin zu Morddrohungen, die ihn in den vergangenen Jahren erreicht haben und seinen Umgang damit. Als beispielsweise vor einiger Zeit im Internet die Behauptung verbreitet wurde, er hätte „seine Antifa“ losgeschickt, um Menschen zusammenschlagen zu lassen, ging er gegen mehr als 200 Personen juristisch vor. Gleichwohl sah er bei der Justiz ein „starkes Vollzugsdefizit“ und meint damit den großen Zeitraum zwischen Straftat und Anklage. „Der Täter sieht eine Strafe dann gar nicht mehr als Reaktion auf seine Handlung.“, so Kasek.

Mit den Reaktionen auf Medienberichterstattung und dem allgemeinen „Lügenpresse“-Vorwurf setzte sich Dobschütz für die L-IZ.de auseinander. Lokaler Journalismus biete den Vorteil, dass behauptete Fakten für Leser relativ einfach zu überprüfen seien – anders als beispielsweise die Lage in der Ostukraine oder Syrien, die immer wieder Anlass für „Lügenpresse“-Vorwürfe bieten. Später in der Debatte dann die Frage: Ist die stärkere Kontrolle seitens des Staates in sozialen Netzwerken nötig. Eher nicht, so Dobschütz, besser wäre eine zwingende Impressumspflicht vor allem für scheinbare „Zeitungs“ und „alternative“ Medienseiten auf Facebook. Auch, um bei Falschbehauptungen und Lügen effektiv gegen diese vorgehen zu können.

Die Debatte im Video

Jonas Kahl, Markus Walther, Peter Hense, Jürgen Kasek, Robert Dobschütz und Michael Weickert (vlnr.) Video: L-IZ.de

Der angehende Lehrer Michael Weickert kam hingegen rasch auf die Notwendigkeit eines sachlicheren Umgangs miteinander zu sprechen. In vielen Kommentarspalten auf Facebook würde es in der Regel auf „Merkel ist schuld“ oder „Ausländer raus“ hinauslaufen.

Als wichtig erachtete es Weickert, Schülern im Unterricht Quellenkritik beizubringen – dies könne aber nicht funktionieren, wenn in Fächern wie etwa Geschichte gespart werde. Ein generelles Problem sah Weickert in der sächsischen Lehrerausbildung, etwa beim Umgang mit neuen Medien: „Die Ausbildung der Lehrkräfte in Sachsen ist auf dem Stand der 50er Jahre.“

Das Nicken beim Thema Bildung und somit Vorbereitung von jungen Menschen auf den Umgang mit News, Nachrichten, aber auch bei Attacken im Netz gegen Einzelne war einhellig. Wie und was im Rahmen der „politischen Bildung“ vermittelt werden soll, ist immerhin gerade in der sächsischen Landesregierung Thema. Ausgang derzeit offen.

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