Ganz neue Einblicke in die jüngere Luftfahrtgeschichte eröffnet der Flughafen Leipzig/Halle ab Monatsmitte. Mit einer Iljuschin IL-18 kann das erste in der DDR eingesetzte strahlgetriebene Verkehrsflugzeug sowjetischer Bauart besichtigt werden. Neben vielen technischen Details dokumentiert der Jet auch deutsch-deutsche Nachkriegsgeschichte.

Vor den Toren des Leipziger Flughafens steht ein Flugzeug. Ab Mitte Juni kann es von Technik-Freaks und Freunden der Luftfahrt von innen besichtigt werden.

Genau genommen erlebt die Iljuschin IL-18 mit der Kennung STA in Diensten der DDR-Fluggesellschaft damit ihren zweiten Start als Museumsflugzeug am Schkeuditzer Airport.

Am 16. September 1988 absolvierte das einstige “Arbeitspferd” der ostdeutschen Airline ihren letzten offiziellen Flug von Berlin-Schönefeld zum damaligen Leipziger Messeflughafen. Bestimmt war das Fluggerät, das von 1960 bis 1985 rund 350.000 Flugstunden absolvierte und annähernd zehn Millionen Fluggäste beförderte, als Hingucker für den geplanten Aeropark Kursdorf.Der entstand dann auch: wenn auch erst kurz nach der Wiedervereinigung. Mit der roten Bemalung der Interflug präsentierte sich dort auch das Flugzeug DDR-STA. Doch den Aeropark ereilte das gleiche Schicksal wie den Ort Kursdorf. Beide mussten der Erweiterung des Flughafens Platz machen.

Etwa im Jahre 2009 reifte bei den Verantwortlichen die Entscheidung, das Highlight der jüngeren Luftfahrtgeschichte der interessierten Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen. Eine aufwändige Instandsetzung begann. Das in Schkeuditz ansässige russisch-ukrainische Lufttransportunternehmen Ruslan Salis konnte sogar Original-Ersatzteile beisteuern.

Pünktlich zu den Festlichkeiten zum 85. Gründungstag des Schkeuditzer Flughafens ist es nun soweit: Das Flugzeug ist in entkerntem Zustand begehbar, die technischen Eingeweide sind unter Glasplatten sichtbar. Als Einstimmung gibt es im neuen IL-18-Raum des Flughafens eine Einführung mittels Lichtbildervortrag.Dabei sitzt man übrigens auf den Original-Sitzen der “Tango Alpha”, was nach dem Buchstabier-Alphabet der internationalen Luftfahrt für das TA des Flugzeugnamens steht. Mit mehr Beinfreiheit übrigens als bei manchen zeitgenössischen Passagiermaschinen und mit ausziehbaren Aschenbechern in den Armlehnen. Doch auch im Showroom herrscht heutzutage striktes Rauchverbot.

Von außen stellt das Museumsflugzeug anno 2012 ein deutsch-deutsches Zeitdokument der besonderen Art dar. Denn anders als zu DDR-Zeiten geplant, trägt es nun seine Originalbemalung aus dem Jahr seiner Indienststellung 1960. Also prangt der bekannte Kranich ebenso am Rumpf wie in blau der Schriftzug “Deutsche Lufthansa”. Auf der Außenhaut steht: DM-STA, und den Heckflügel ziert die DDR-Flagge.So war das damals: Zehn Jahre nach Kriegsende erlaubten die alliierten Sieger und Befreier des Zweiten Weltkrieges den Deutschen in Ost und West erst die zivile, und kurz darauf auch die militärische Fliegerei. Beide Seiten gründeten daraufhin eine Airline in Staatshand und griffen auf den gesamtdeutschen Vorkriegsnamen zurück. Also entstanden eine Lufthansa (West) und eine Deutsche Laufhansa der DDR (Ost).

Der Wettbewerb der Systeme wurde in den ersten beiden Jahrzehnten nach dem Krieg eben nicht nur durch strikte Abgrenzung, sondern auch durch das wechselseitige Reklamieren gesamtdeutscher Symbole ausgetragen. Leipziger Fußballfreunde erinnern sich: Die BSG Chemie Leipzig wurde 1964 Deutscher Fußballmeister der DDR. Aus Ost-Berlin sendeten der Deutsche Fernsehfunk und der Deutschlandsender. Und bis in die frühen 1970er Jahre lernten DDR-Erstklässler den Text der Eisler-Becher-Hymne vom Dienst an “Deutschland, einig Vaterland”. Die “sozialistische Nation DDR” hatte dann urplötzlich eine Hymne ohne Text.

Den Streit um die gesamtdeutsche Lufthoheit entschied der Europäische Gerichtshof 1963 zugunsten des Westens. Künftig hieß die Ost-Airline Interflug, und späterhin änderte sich das Länderkürzel DM – für “Deutschland-Mitte” – in DDR. Und aus blau als Airline-Farbton wurde rot. Doch dafür fuhr durch den Osten bis 1994 die Deutsche Reichsbahn.

Für den ehemaligen IL-18-Chefausbilder der Interflug, Hans-Dieter Kallbach, stellt die Umlackierung kein Problem dar. Am 5. Juni 1958 hat er seinen ersten zivilen Flug absolviert: noch bei der Deutschen Lufthansa. Die ostdeutsche “Luftfahrtlegende” – so Leipzigs Flughafen-Chef Dierk Näther über Kallbach – lobte bei der Vorstellung des Museumsflugzeugs die Leistungsfähigkeit der IL-18. Mit dem Gerät hätte man “Super-Landungen” machen können, so Kallbach. Das funktionierte so gut, “dass man oftmals gar nicht gemerkt hat, dass man unten war”, erinnert der alte Luftfahrt-Hase an die vielen butterweichen Landungen mit der “Tango Alpha”.

“Die viermotorige Turbopropmaschine wurde 1960 als erste diesen Typs bei der Lufthansa-Ost in Dienst gestellt”, heißt es vom Leipziger Flughafen zum Museums-Start. Am 25. Mai 1966 sei die TA erstmals nach Moskau geflogen. Mit dem neuen Stahlvogel ging das dann auch nonstop. Der besondere kulturelle und technisch-historische Wert der Maschine besteht aus Sicht der Flughafen-Gesellschaft darin, das erste in der DDR eingesetzte strahlgetriebene Verkehrsflugzeug gewesen zu sein. “Des Weiteren verkörpert die IL-18W den damaligen Stand der Technik im Osten, für Verkehrsflugzeuge mit Propellerturbinenantrieb”, so der Flughafen weiter.

An die Besichtigung des Flugzeuges schließt sich noch eine Fahrt über eine der beiden Start- und Landebahnen an. Anmeldungen können telefonisch unter 0341-224-1414 und per E-Mail unter besucherdienst@leipzig-halle-airport.de erfolgen. Buchungen sind auch möglich unter

https://www.mdf-ag.com/

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