Die Leipziger können sich ja glücklich schätzen, dass frühere Generationen nicht so gründlich waren im Abreißen und Wegschaffen wie die neueren Generationen. So blieben auch unter der immer wieder umgebauten Innenstadt bis heute wertvolle Spuren des alten Leipzig erhalten. Dieser Tage kam wieder ein besonderes Stück Geschichte ans Licht: Teile des ehemaligen Peterstores.

Ans Tageslicht kamen sie, als für den Umbau der südlichen Petersstraße / Kreuzung Schillerstraße der alte Straßenuntergrund ausgehoben wurde. Dabei kamen nicht nur alte Leitungen und Kanäle zum Vorschein. Direkt auf der Westseite der Musikschule “Johann Sebastian Bach” tauchten auch ganze Ziegelmauern und Gewölbe auf. Am Mittwoch, 31. Juli, beschauten sich auch Vertreter des Landesamtes für Archäologie die Reste und kamen zu dem Schluss, dass sie es hier mit den Resten eines bekannten Bauwerks zu tun hatten: dem alten Peterstor, das bis 1860 gleich westlich an die alte Peterskirche angrenzte. Die alte Peterskirche stand noch bis 1886. Das Peterstor aber störte den Verkehr.

Leipzig verlor damit eines seiner markantesten barocken Bauwerke. Denn das Tor, wie es 1860 quasi in letzter Minute noch von Bertha Wehnert-Beckmann und einem bis dato noch unbekannten Fotografen festgehalten wurde, war ein echter Pöppelmann. Der sächsische Oberlandesbaumeister Matthäus Daniel Pöppelmann, der besonders im barocken Dresden tätig war, für die Grimmaer aber zum Beispiel auch ihre geliebte Pöppelmann-Brücke gestaltete, entwarf den Leipzigern 1722 ein neues, barockes Stadttor am Ausgang der Petersstraße. 1723 war es fertig und schuf auf dieser Seite der Stadt eine neue Dominante. Mit einer noch zweibogigen Steinbrücke über den Petersgraben war es mit der so genannten Esplanade, dem späteren Königsplatz (und heutigen Wilhelm-Leuschner-Platz) verbunden.Es ist wahrscheinlich, dass man 1722/1723 keineswegs alle Fundamente des Vorgängerbaus beseitigte. So dass die jetzt sichtbaren Ziegelmauern durchaus aus der Zeit stammen könnten, als Bürgermeister Hieronymus Lotter im Auftrag von Kurfürst Moritz von Sachsen die Leipziger Stadtbefestigung erneuerte und nach damaligen Gesichtspunkten modernisierte. Im Schmalkaldischen Krieg (1546 – 1551) war auch Leipzig belagert und ein Teil der alten Stadtmauern und Türme zerschossen worden. Auch das Kurfürstliche Schloss lag in Trümmern.

Lotter umbaute die Stadt mit mehreren Bastionen, von denen heute noch die Moritzbastei als Rest erhalten ist. Auch dem Peterstor war eine Bastei vorgelagert genauso wie dem Grimmaischen Tor. Und die Baubefunde an der Moritzbastei deuten darauf hin, dass zumindest diese drei Bastionen durch überwölbte Gänge miteinander verbunden waren.

Was der heutige Spaziergänger nicht mehr sieht, ist ja der alte Petersgraben, der im 19. Jahrhundert verfüllt wurde. Dort befindet sich heute die Lennéanlage.

Der Vorgängerbau des Peterstores wurde erstmals 1420 erwähnt. Es muss ein für mittelalterliche Städte ganz klassischer Torbau mit Turm, Außen- und Innentor gewesen sein.

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Das Bauwerk, das nach den Plänen Pöppelmanns errichtet wurde, beschreibt Friedrich Gottlob Leonhardi 1799 als das neueste und schönste des damaligen Leipzig. Es enthielt neben den Wachstuben der Stadtsoldaten auch Wohnungen für städtische Beamte.

Was aber passiert jetzt mit den alten Mauerteilen? – “Die Mauern werden nun dokumentiert – eingemessen und fotografiert”, teilt der Referatsleiter des Landesamtes für Archäologie mit. “Die Mauern werden durch die Baumaßnahme nicht gefährdet und verbleiben im Boden.”

Am Donnerstag konnte man dann den Archäologen beim Vermessen zuschauen. Bis die Bauarbeiter wieder den Straßenuntergrund verfüllen, für die Leipziger eine kleine Gelegenheit, ein Stück Leipziger Geschichte im Boden stecken zu sehen.

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