Die Inzidenz spielt nicht mehr die erste Geige – das ist das zentrale Ergebnis der Beratungen zur neuen Corona-Schutzverordnung in Sachsen. Die hat zur Folge, dass öffentliche Einrichtungen unter Auflagen geöffnet bleiben sollen. Das Nachsehen dürften bald die Ungeimpften haben. Außerdem: Kurz vor der Bundestagswahl hat die SPD die Union in Umfragen überholt. Die LZ fasst zusammen, was am Dienstag, dem 24. August 2021, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Beinahe-Abschied vom Inzidenzwert in Sachsen

Seit fast anderthalb Jahren leben wir nun auch in Deutschland mit mehr oder minder starken Einschränkungen durch die weltweite COVID-19-Pandemie, die um den Jahreswechsel 2019/20 in China ihren Anfang nahm (hier eine Chronik).

Inzidenzwert, Schutzverordnung, Bettenbelegung, Maskenpflicht, Abstandsregeln – all das gehört seither zum Alltagsvokabular und irgendwie haben wir uns daran gewöhnt, dass ein unsichtbarer Erreger unser gewohntes Leben mal soeben auf den Kopf stellt. Rund 90.000 Menschen sind hierzulande seither im Zusammenhang mit einer COVID-19-Infektion verstorben.

Nun möchte Sachsen, direkt am wahrscheinlichen Beginn der vierten Ansteckungswelle, einen neuen Weg beschreiten. Da bereits eine beträchtliche Zahl von Menschen gegen das Virus geimpft ist, setzt der Freistaat auch künftig auf größtmögliche Offenheit von Läden, Einrichtungen und Veranstaltungen, unabhängig von der Inzidenz. Das ist das entscheidende Novum der neuen sächsischen Schutzverordnung, die von Donnerstag an bis vorerst 22. September in Kraft sein wird.

Bettenbelegung als Alarmwecker

Die wichtigsten Neuerungen für Sachsen: Nur noch die zwei Inzidenzstufen 10 und 35 sind maßgebend. Daneben wird der Bettenbelegung mehr Relevanz zugemessen: Sind 650 Betten auf Normalstationen oder 180 auf Intensivstationen durch COVID-19-Infizierte belegt, greift eine Vorwarnstufe. Bei einer Zahl von 1.300 (Normalstation) bzw. 420 (Intensivstation) kann es zu stärkeren Kontaktbeschränkungen kommen, zudem dürften Menschen, die nicht geimpft oder genesen sind, dann zu keiner Großveranstaltung mehr.

Die Maskenpflicht im ÖPNV, bei körpernahen Dienstleistungen und beim Einkauf (bei längerer Inzidenz über 10) bleibt erhalten.

Veranstaltungen sollen möglich bleiben

Großveranstaltungen sind unter Auflagen erlaubt, ab einer Inzidenz von 35 (über mindestens 5 Tage) greift jedoch eine Verschärfung – es dürfen in Innenräumen maximal 50 % der Kapazität (höchstens 5.000 Personen) teilnehmen. Für Fußballspiele gelten 25.000 Zuschauer als Höchstgrenze.

Zudem müssen Kontaktdaten angegeben werden und der Nachweis einer Genesung, einer Impfung oder eines aktuellen PCR-Tests ist verpflichtend. Das gilt generell auch für Restaurantbesuche, im Freizeit- und Kulturbereich, Clubs, Lokalen und Sportstätten.

Laut Kultusminister Christian Piwarz (46, CDU) ist nach derzeitigem Stand auch inzidenzunabhängiger Regelbetrieb an Sachsens Schulen nach Ende der Sommerferien geplant.

Lauterbach kritisiert Abkehr von Inzidenz

Es ist offenbar eine Wende in der Corona-Politik Deutschlands, den auch Sachsen mit vollzieht. Da anders als noch vor einem Jahr inzwischen gut 60 % der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland vollen Impfschutz gegen das Virus genießen, sollen speziell diese nun ihre gewohnte Freiheit weitestgehend zurückbekommen. Der pragmatische Wechsel ist dennoch nicht unumstritten. SPD-Gesundheitspolitiker Karl-Lauterbach (58) kritisiert die Abkehr vom Inzidenz-Kriterium jedenfalls als „zynisches Experiment.“

SPD vor Union: Kommt jetzt doch der Kanzler Scholz?

Morgenluft für die Sozialdemokraten: Zum ersten Mal seit dem Jahr 2006 ist die SPD in einer aktuellen Umfrage wieder vor der Union gelandet. Laut dem Forsa-Trendbarometer liegt sie in der Gunst der Menschen bei 23 Prozent und steht damit einen Punkt vor CDU/CSU. Dahinter kämen die Grünen auf 18 Prozent, gefolgt von der FDP mit 12 Prozent und der AfD mit 10 Prozent. Die Linke belegt mit 6 Prozent den letzten Rang.

Knapp vier Wochen vor der Bundestagswahl am 26. September wären mit dieser Konstellation rechnerisch nun vier Dreierbündnisse denkbar, welche die erste Bundesregierung nach Merkel stellen könnten: SPD-Union-FDP (Deutschland-Koalition), SPD-Grüne-FDP (Ampel-Koalition), rot-grün-rot (Linkskoalition) oder Union-Grüne-FDP (Jamaika-Koalition).

Nur letztere würde vom Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet (60) geführt, während in den anderen Fällen dessen SPD-Konkurrent Olaf Scholz (63) neuer Regierungschef würde. Geht es nach den Beliebtheitswerten, ist das sowieso ausgemacht – Scholz konnte kräftig zulegen, während Laschet in den letzten Wochen massiv an Zustimmung einbüßte.

Wahlumfragen sind keine Wahlergebnisse

Aber: Wahlumfragen sind ein punktuelles Stimmungsbild, nicht mehr. Erinnern Sie sich noch an die vorgezogene Bundestagswahl von 2005? Vorab hatten damals alle Befragungen auf eine Mehrheit zugunsten von Union und FDP hingedeutet. Doch dann reichte es doch nicht für Merkel-Westerwelle – und ein hämisch-frohgelaunter Gerhard Schröder wies die sichtlich konsternierte Angela Merkel in der legendären „Elefantenrunde“ süffisant zurecht, eine große Koalition mit ihr als Kanzlerin sei ausgeschlossen: „Machen Sie sich da gar nichts vor!“ Bekanntermaßen kam es dann anders. Politik ist ein flexibles Geschäft.

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Worüber die LZ heute berichtet hat: War in Afghanistan alles umsonst? – darauf geht der ehemalige Thomaskirchenpfarrer Christian Wolff in seinem Gastkommentar ein.

Kollege Ralf Julke sinniert über das Alleinsein in den unendlichen Tiefen des Weltalls. Zudem nimmt er gefährliche Stellen für Radfahrer in Leipzig kritisch unter die Lupe – heute die Wurzner Straße im Osten. Und er stellt einen Band mit Kurzgeschichten vor.

Was heute sonst noch wichtig war: In Leipzig ist ein Kran auf eine Straßenkreuzung gestürzt. Glück im Unglück: Es gab weder Tote noch Schwerverletzte.

Nach einem mutmaßlichen Giftanschlag an der TU Darmstadt ermittelt die Kripo mit Hochdruck wegen versuchten Mordes.

In Afghanistan ist die Situation nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban weiter angespannt und dramatisch. Während die hastige Evakuierungsaktion des Bundes kompliziert und in ihrer Bilanz ernüchternd bleibt, hat das neue Regime ein Ultimatum für den Abzug der westlichen Truppen gestellt.

Was morgen wichtig wird: Bundeskanzlerin Angela Merkel (67, CDU) wird gegen Mittag zum Thema Afghanistan eine Regierungserklärung im Parlament abliefern.

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