Da Sachsen den in der aktuell gültigen Corona-Schutzverordnung festgelegten sogenannten Belastungswert Normalstationen nun fünf Tage hintereinander überschritten hat, greift am Freitag die Corona-Vorwarnstufe, die weitere Einschränkungen mit sich bringt. Unter anderem dürfen dann Versammlungen nur noch mit maximal 1.000 Personen und ortsgebunden stattfinden, was bedeutet, dass die „Bewegung Leipzig“ und ihre Anhänger/-innen am Wochenende nicht wie geplant über den Ring ziehen dürfen. Außerdem hat das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ seine Motive und Pläne für die Gegendemonstrationen am Samstag vorgestellt. Die LZ fasst zusammen, was am Mittwoch, dem 3. November 2021, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Vorwarnstufe in Sachsen: Nur noch stationäre Versammlungen erlaubt

Gestern äußerte sich die Stadtverwaltung noch im Konjunktiv bezüglich der Auflagen für das Demogeschehen am Samstag, heute gab es Klarheit, zumindest, was die coronabedingten Einschränkungen für die Demonstrationen betrifft.

Zum fünften Mal in Folge lag der sogenannte Belastungswert Normalstationen in Sachsen heute über 650. Der Wert gibt an, wie viele Betten auf Normalstationen in sächsischen Krankenhäusern mit Coronapatient/-innen belegt sind. Aktuell sind es 920. Der Wert war in den vergangenen Tagen rasant angestiegen.

Damit erreicht der Freistaat laut aktueller Corona-Schutzverordnung ab Freitag (5. November) die sogenannte Vorwarnstufe, die weitere Einschränkungen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens vorsieht. Unter anderem dürfen Versammlungen dann nur noch ortsfest – das heißt ohne Aufzüge – stattfinden. Außerdem darf eine Versammlung maximal 1.000 Personen umfassen. Geimpfte und genesene Personen werden dabei mitgezählt.

Was ein Sprecher der Stadt bereits am Dienstag angekündigt hat, steht nun also fest: Die „Bewegung Leipzig“ und die „Bürgerbewegung Leipzig“ dürfen am Samstag nicht wie geplant über den Innenstadtring ziehen. Bescheide wurden laut Stadt allerdings noch nicht versandt, da „die versammlungsrechtlichen Prüfungen und Kooperationsgespräche mit Stadtverwaltung, Polizei und Anmeldern bezüglich der ortsfesten Standorte“ noch laufen.

Reges Demowochenende in Aussicht

Ob sich die Demoteilnehmer/-innen, die sich in der Tradition der Friedlichen Revolution von 1989 sehen, an die Auflagen für Samstag halten werden, darf stark angezweifelt werden.

Vor etwa einem Jahr zogen Zehntausende „Friede, Freiheit, Demokratie“ rufend über den Ring, nachdem Neonazis ihnen den Weg freigeprügelt hatten. Zu diesem Zeitpunkt war die Versammlung von der Polizei offiziell seit Stunden aufgelöst, da Auflagen wie das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in großen Teilen nicht eingehalten wurden.

Auch, wenn die Teilnehmer/-innenzahl am Samstag deutlich kleiner ausfallen wird als im November 2020, dürfte das Wochenende in Leipzig ereignisreich werden. Der städtischen Versammlungsbehörde wurden bisher 16 Versammlungen für Samstag und drei für Sonntag angezeigt.

„Leipzig nimmt Platz“ zur Gegendemo am Samstag

Mit den pandemiebedingten Einschränkungen könnte das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ über eine Umbenennung des Mottos nachdenken, unter dem es am Samstag gegen die zunehmend rechtsradikalen „Querdenker/-innen“ demonstrieren will. „Keine Nazis auf dem Ring – Querdenkenbewegung? Läuft nicht“ lautet der Schriftzug, mit dem „Leipzig nimmt Platz“ für Samstag mobilisiert.

Sollten die „Bewegung Leipzig“ und die „Bürgerbewegung Leipzig“ die Auflagen tatsächlich einhalten, wäre das Ziel der Gegendemonstration also schon erfüllt. Doch daran darf wie oben erwähnt erfahrungsgemäß gezweifelt werden.

Auf einer Pressekonferenz heute Mittag erklärten verschiedene Vertreter/-innen von Leipzig nimmt Platz und anderen Organisationen, warum sie am Wochenende gegen die „Querdenker/-innen“ auf die Straße gehen wollen. Moderiert wurde die 40-minütige Konferenz von Jürgen Kasek, Grünen-Stadtrat und seit Jahren aktiv bei „Leipzig nimmt Platz“.

Außerdem anwesend waren Manuela Grimm vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Leipzig/Nordsachsen, Christian Wolff vom „Aufruf 2019“, Julius Reim, Vorsitzender der Jusos Leipzig, Marie Müser von der Grünen Jugend Leipzig, Michael Neuhaus, Sprecher der Linksjugend, Tom Rodig von Die PARTEI und ein Vertreter der „Antiverschwurbelten Aktion“.

„Antifaschistisch agieren aus historischer Verantwortung“

Manuela Grimm vom DGB begründete die Beteiligung des DGB an den Gegendemonstrationen mit der aus der Geschichte resultierenden Verantwortung. „Es liegt in der Tradition der Gewerkschaften, dass wir antifaschistisch agieren.“ Grimm erinnerte an die Gewerkschaftsmitglieder, die zwischen 1933 und 1945 gefoltert, inhaftiert und ermordet wurden. „Unsere Vorväter haben sich geschworen, dass es nie wieder Krieg und Faschismus geben soll. In dieser Tradition sind wir natürlich.“

Marie Müser von der Grünen Jugend und Julius Reim von den Jusos betonten die deutlichen antisemitischen Tendenzen der „Bewegung Leipzig“, denen etwas entgegengehalten werden müsse. Als Beispiel nannte Reim das Format des „Offenen Mikrofons“, das die „Bewegung Leipzig“ anfänglich bei ihren Kundgebungen anbot. „Dort wurden übelste antisemitische Hetze und Verschwörungserzählungen verbreitet.“

Anstatt sich mit den antisemitischen Äußerungen auseinanderzusetzen, schaffte die „Bewegung Leipzig“ ihr „Offenes Mikrofon“ einfach ab, „um in der Öffentlichkeit besser dazustehen“. „Das heißt aber nicht, dass dieser Antisemitismus verschwunden wäre. Im Gegenteil“, so das Juso-Mitglied.

Christian Wolff, ehemals Pfarrer der Thomaskirche, machte während der Pressekonferenz deutlich, dass eine kritische Haltung zu den Corona-Maßnahmen auf Landes- oder Bundesebene nichts mit den Motiven der „Bewegung Leipzig“ zu tun hat. „Sowohl der Aufmarsch vor einem Jahr als auch der jetzt geplante am Samstag haben es nicht zum Ziel, eine alternative Coronapolitik aufzubauen oder diese zu bewerben“.

Stattdessen würden – wie es typisch für rechtsnationalistische Bewegungen sei – bestimmte gesellschaftliche Vorgänge gezielt genutzt, um bestimmte Themen zu setzen. Die Corona-Pandemie ist laut Wolff ein Beispiel für diese Mobilisierung der rechtsnationalistischen Szene, die sogenannte Flüchtlingskrise 2015 ein weiteres.

Corona-Vorwarnstufe gilt ab Freitag

Neben den Einschränkungen für Versammlungen treten aufgrund der hohen Bettenbelegung mit COVID-19-Infizierten am Freitag in Sachsen weitere neue Corona-Regeln in Kraft. Unter anderem dürfen bei privaten Treffen nur noch maximal zehn Personen zusammenkommen. Die Anzahl der Hausstände ist dabei unerheblich. Allerdings müssen bei der Zählung Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres und geimpfte und genesene Personen nicht berücksichtigt werden.

Neues Gutachten im Fall Oury Jalloh

Worüber die LZ heute berichtet hat: Es liegt ein neues Brandgutachten eines britischen Sachverständigen im Fall Oury Jalloh vor, das heute von der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh vorgestellt wurde. Außerdem ist im Stadtgeschichtlichen Museum derzeit eine Ausstellung zur NS-Raubkunst zu sehen und der Suchtbericht 2021 der Stadt Leipzig liegt vor.

Was heute sonst noch wichtig war: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warnte heute erneut mit Nachdruck vor der vierten Pandemie-Welle, die sich gerade aufbäume. Er forderte deshalb die Bundesländer dazu auf, ihre Impfangebote wieder auszubauen. In Sachsen wurden Ende September alle Impfzentren geschlossen.

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