Landet ein Streifen als erstes im Filmregal, ist das selten ein Indiz für Qualität. Das Freefight-Drama "Warrior" zählt zu den wenigen Ausnahmen. Vermutlich sahen die Verantwortlichen Universum Film kein Potenzial für die Kinoverwertung. Dabei heimste die Genre-Perle selbst hierzulande unter Kritikern viel Lob ein. Nebendarsteller Nick Nolte wurde für den Oscar nominiert.

“Warrior” ist kein brutaler Selbstbeweihräucherungsporno einer Sportart, die hierzulande einen höchst anrüchigen Ruf genießt. Keine Frage, Mixed Martial Arts (MMA) spricht in Deutschland vor allem hartgesottene Schläger an. Nicht wenige Aktive haben einen Hooligan-, Security- oder Neonazi-Hintergrund. In den Vereinigten Staaten ist Freefight dagegen gesellschaftlich akzeptiert. Die Preisgelder erreichen teils astronomische Dimensionen, der Sport ist professionell organisiert. Deswegen ist “Warrior” entgegen aller Vermutung kein Film über durchtrainierte asiatische Kampfmaschinen wie Bruce Lee, sondern steht in der Tradition von Boxfilmen wie “The Fighter”. Wie David O. Russel’s Meisterwerk aus dem Jahr 2010 beschäftigt sich der Film mit der Geschichte zweier ungleicher Brüder.
Irak-Kriegsveteran Tommy (Tom Hardy) bittet nach langem Auslandsaufenthalt seinen Vater Paddy Conlon (Nick Nolte), ihn für einen Martial-Arts-Wettkampf zu trainieren. Der gescheiterte Profiboxer sieht hierin die Chance, das zerrüttete Verhältnis zu seinem Sohn wieder aufzupolieren. Wie der Zufall es möchte, nimmt am selben Turnier Tommy’s großer Bruder Brendan (Joel Edgerton) teil. Der Physik-Lehrer mit Frau und Kind braucht dringend den Gewinn von 5 Millionen Dollar, um seinen Hauskredit zu begleichen. Im Ring kommt es zum ultimativen Showdown.

Regisseur Gavin O’Connor ist im Sportgenre vorbelastet. Im Jahr 2003 inszenierte er in “Miracle” den überraschenden Eishockey-Olympiasieg der Amerikaner über die UdSSR. In den USA mit 65 Millionen Dollar Einspielergebnis ein Erfolg. Wen wundert’s, schließlich steht man dort auf heroische Bilder. Zuletzt machte er allerdings 2008 mit dem beinharten Cop-Thriller “Das Gesetz der Ehre” von sich Reden. “Warrior” schlägt in dieselbe Kerbe. Beide Filme erzählen hinter ihrer brutalen Fassaden dramatische Familiengeschichten.
In “Warrior” geht’s heftig zur Sache. Wem schon Boxen zu sehr ins Mark geht, macht um den Streifen besser einen Bogen. Die Kampfszenen wirken perfekt choreografiert und sind deswegen nett anzuschauen. Der Film punktet aber weniger wegen seiner brillant inszenierten Fights, sondern dem Familiendrama, dass sich zwischen Tommy, Brendan und Paddy abspielt. Schade nur, dass das Handlungsgerüst recht konstruiert wird. Das Aufeinandertreffen von Tommy und Brendan im Turnier, den damit verbundenen inneren Konflikt der beiden, sich gegenseitig die Fressen einschlagen zu müssen, thematisiert der Regisseur nur am Rande. O’Connor hebt hier nicht den moralischen Zeigefinger, sondern lässt das schier Unvorstellbare einfach Wirklichkeit werden.

Seine Protagonisten besetzte er nicht etwa mit x-beliebigen Muskelpaketen oder drittklassigen Seriendarstellern. Frauenschwarm Tom Hardy, zurzeit mit “Dame, König, As, Spion” im Kino, entpuppt sich einmal mehr als fähiger Charakterdarsteller. Seiner Figur verleiht er die Züge eines von Schuldgefühlen geplagten Egomanen, der nie aufgibt. Nick Nolte, der zuletzt in schwachen Komödien wie “Der Zoowärter” und “Arthur” mitspielte, liefert mit 70 noch einmal eine starke Leistung ab. Sein Paddy, gescheitert, gekränkt, alkoholkrank und von der eigenen Familie verschmäht, ringt in allen Szenen mit sich selbst und seiner Vergangenheit. Auch Joel Edgerton, zuletzt im Horror-Prequel “The Thing” zu sehen gewesen, macht seine Sache gut, wirkt aber neben Hardy und Nolte recht blass. “Warrior” ist in erster Linie ein Film über das Scheitern. Die drei Protagonisten versagen unterm Strich jeder für sich und alle zusammen. Am Ende verlassen Brendan und Tommy, beide übel zugerichtet, sich gegenseitig stützend die Arena.

USA 2011, R: Gavin O’Connor, D: Joel Edgerton, Tom Hardy, Nick Nolte, 134 Min.
DVD: Warrior
VÖ: 23. Februar 2012
Vertrieb: Universum, erhältlich als DVD, Blu-ray Disc
Film-Webseite: www.warriorfilm.com

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