Nach seinem Intermezzo in die knuffige Welt von "Tim & Struppi" bietet Steven Spielberg den Zuschauern wieder anspruchsvollere Kost an. In "Gefährten" erzählt der Altmeister des Blockbusterkinos in emotionalen Bildern die Geschichte der Liebe eines Bauernjungen zu seinem Pferd zur Zeit des Ersten Weltkriegs.

Albert (Jeremy Irvine) findet in dem Pferd Joey, das sein Vater auf dem Markt ersteigert hat, einen wahren Freund. Als der Krieg ausbricht, werden die beiden voneinander getrennt. Joey wird an die Armee verkauft und nach Frankreich verschifft. Schnell wird das Tier zum Liebling der Soldaten, die jede noch so kleine Ablenkung von den blutigen Kämpfen nur allzu gut vertragen können. Aber Joey sehnt sich nur nach einem – zurück zu seinem Hof in England und zu Albert. Welch ein Glück, dass der sein Pferd um jeden Preis wiederhaben will. Mehrere Jahre nach der Trennung kommt es auf dem Schlachtfeld zu einer schicksalhaften Begegnung.

Steven Spielberg macht das, was er am besten kann: In einer überwältigenden Bilderflut schildert er die lange Leidensgeschichte eines Kriegspferds und seine Freundschaft zu einem Jungen aus armen Verhältnissen. Der Regisseur arbeitet sich chronologisch am Weg des Tiers ab. Die erste Begegnung mit Albert, der Abschied, der erste Kriegseinsatz, das Finden und Verlieren neuer Freunde. Der Star des Films ist das Tier. Jeremy Irvine, der seine Sache gut macht, bleibt wegen Spielbergs Fokus auf den Vierbeiner faktisch nur die Rolle des Nebendarstellers.
“Gefährten” ist kein Geschichtskino. Anders als in seinem Antikriegsepos “Der Soldat James Ryan” interessiert Spielberg weniger die Historisierung der Ereignisse. Das Aus für die Kavallerie, die den neuen Maschinengewehren hoffnungslos unterlegen ist, spricht er nur in einer Nebenepisode an. Moralische Fragen, etwa die nach der Sinnhaftigkeit des Krieges, wirft der Film leise am Rande auf. Im Mittelpunkt steht die Beziehung des Vierbeiners zu Albert. Schade nur, dass sich Spielberg beim pathetischen Erzählen ein wenig verzettelt. Sein Film ist mit 140 Minuten deutlich zu lang. Die eine oder andere Nebenepisode hätte der Altmeister ohne Qualitätsverlust abkürzen oder streichen können.

Spielberg versucht permanent, mit wuchtigen, wohlkomponierten Aufnahmen beim Publikum Spannung und Emotionen hervorzurufen. Spätestens als Joey sich gegen Ende des Films von Stacheldraht umwickelt in Schmerzen windet, möchte man am liebsten die Taschentücher auspacken oder selbst auf das Schlachtfeld stürmen, um dem Tier zu helfen. Schließlich befreien ein britischer und ein deutscher Soldat gemeinsam Joey von seinen Fesseln. Ein seltsam bizarrer Moment, der uns die Sinnlosigkeit des Grabenkriegs mit seinen unzähligen Toten vor Augen führt. Ein lichter Moment in einer finsteren Epoche.
Die teils verstörend realistischen Aufnahmen von Kameramann Janusz Kaminski wurden völlig zu Recht für den Oscar nominiert. In der Kategorie “Bester Film” dürfen sich Steven Spielberg und Mitproduzentin Kathleen Kennedy Hoffnungen auf eine Trophäe machen. Auch die epische Filmmusik aus der Feder von John Williams könnte am 26. Februar prämiert werden.

USA/Indien 2011, R: Steven Spielberg, D: Emily Watson, David Thewlis, Peter Mullan, 147 Min, FSK 12.

Filmstart ist der 16. Februar, zu sehen im CineStar, Cineplex, UCI Nova Eventis und Regina Palast.

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