Jordan Belfort ist, man kann es nicht anders sagen, ein durchtriebener und größenwahnsinniger Drecksack. Eigentlich ist er das genaue Gegenteil von einem Menschen, dem man sein Vermögen anvertrauen sollte. Doch leider ist der Mann auch ein Verkaufsgenie und liegt seinen Kunden so betörend in den Ohren, dass diese gar nicht anders können, als seinen Aktienempfehlungen zu folgen. Zur Motivation seiner Mitarbeiter marschiert da schon einmal eine komplette Marching Band mit einem Gefolge aus Stripperinnen ein, Erinnerungen an die ERGO-Ausschweifungen werden wach.

Doch wie es sich für einen Scorsese-Film gehört, gibt es für den ehrgeizigen Börsenmakler, der im Reichtum schwelgt, einen adäquaten Gegenpart. Den zurückhaltend gespielten aber ebenfalls willensstarken FBI-Agenten Patrick Denham, der sich auch von Bestechungsversuchen nicht vom Vorhaben abbringen lässt, Belforts Finanzimperium in die Knie zu zwingen.

Dieses fußt auf so einigen nicht ganz sauberen Methoden. Anfangs verkauft Belfort seinen Kunden Schrottpapiere, bringen diese doch die höchste Provision. Hier wird auch die einzige Schwäche des Films offenbar. Scorsese schafft auf Grundlage des übrigens realen Jordan Belfort ein grandioses Porträt eines skrupellosen Maklers. Und das so unterhaltsam, dass die knapp drei Stunden wie im Flug vergehen. Aus dem Fokus gerät dabei die gesellschaftliche Komponente. Denn auch in den 90ern dürften wegen solcher Geschäfte einige Tausend US-Bürger ihre Altersvorsorge und ihre Häuser verloren haben, wie auch in der letzten Krise. Diesen Aspekt muss der geneigte Zuschauer mitdenken, um nicht im Rausch zwischen Drogenexzessen und Orgien den Eindruck zu gewinnen, Drecksack sein verkürze die Lebenserwartung, sei doch aber mit 40-Meter-Yacht und 10 Millionen Dollar Villa eigentlich ganz angenehm.
Schauspielerisch gibt es an keinem Punkt etwas auszusetzen, bis in die Nebenrollen beherrschen alle Darsteller ihre Charaktere. DiCaprio wird mal wieder für einen Oskar gehandelt, der im bisher fehlt und es wäre nicht einmal unangemessen, ihm die kleine Statuette diesmal in die Hand zu drücken. Besonders eine Szene fasziniert: Nachdem Belfort und sein engster Vertrauter Donnie ein paar überalterte Tabletten einwerfen, spielt DiCaprio die Lahmlegung seines Nervensystems recht überzeugend. Auch hier steht die Unterhaltung klar im Vordergrund, kleine Unschlüssigkeiten gilt es auszublenden. Die Lähmung nämlich setzt in einem Country-Club ein, warum keiner der Angestellten zu Hilfe kommt, bleibt Scorseses Geheimnis. Es ist aber auch nicht weiter wichtig, denn diese Szene lässt die gute Zusammenarbeit zwischen DiCaprio und Scorsese spüren. Schon in “Shutter Island”, “Aviator” und “Gangs of New York” arbeiteten beide zusammen.

Es bleibt aber festzuhalten, “The Wolf of Wall Street” ist nicht in erster Linie sozialkritisch, sondern erst einmal Komödie. Sozialkritische Aussagen sind natürlich enthalten, stehen aber nicht im Mittelpunkt. Dass Belfort nach Zerschlagung seiner Firma wieder auf die Füße fällt, kennt man auch von anderen Beispielen, dass er auch noch Seminare leitet, um quasi seine Nachfolger zu befähigen, ist eine wundervolle Ironie des Schicksals.

USA 2013, D:Leonardo DiCaprio, Jonah Hill, Mattew McConaughey R: Martin Scorsese, Spieldauer: 179 Minuten, Altersfreigabe: FSK ab 16 Jahren.

Filmstart ist der 16. Januar, zu sehen im Cineplex, CineStar, Passage Kinos, Regina Palast und UCI Nova Eventis.

Die offizielle Homepage zum Film:
www.wolf-of-wall-street.de

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