Was früher in der Schmuddelecke der Videothek stand, ist heute frei zugänglich - im Internet. Die Leipziger Performance-Gruppe "FormLos" will die Probleme mit Pornografie in der barrierefreien Internetgesellschaft zeigen. "FormLos"-Mitglied Laura Kröner stellte sich den bohrenden Fragen der L-IZ. Denn am 9. Februar gibt es in der Helheim-Kneipe einen Vorgeschmack auf die Leipzig-Premiere im Sommer. Was ist nun "Porn this way"?

Virginia Woolf ließ in ihrem Roman “Orlando” den Protagonisten sagen, dass es viele Wörter für das weibliche Geschlecht gibt und keines verdient ausgesprochen zu werden: Ist man da als Frau einer Meinung?

Ganz und gar nicht. Ich finde, es gibt Wörter für das weibliche Geschlecht, die man mit gutem Gefühl verwenden kann. Aber einige Wörter sind negativ besetzt. Das liegt aber nicht an dem Wort selbst, denn ob einem/einer das gefällt oder nicht, ist wohl Geschmackssache. Stattdessen beeinflusst die gesellschaftliche Konnotation und damit auch das gesellschaftlich konstruierte Bild von Frau und ihrer Sexualität, ob uns ein Wort als unpassend erscheint. Wir sehen es daher als notwendig, diese Begriffe neu zu definieren und selbstbewusst zu verwenden, ähnlich wie das zur Zeit mit dem Begriff Slut/Schlampe im Kontext des Slutwalks der Fall ist.

Was ist “porn this way” genau?

“Porn this way” ist die neue Theater/Performance/Tanz-Produktion vom freien Kollektiv FormLos aus Leipzig, das im Juni Premiere haben wird. Sie bewegt sich im Spannungsfeld von wissenschaftlicher und körpereigener Erfahrung. Pornografie, Körperlichkeit und Geschlechterrollen erforschen und erleben wir mittels Film, Tanz und Performance. Wir heben keinen moralischen Zeigefinger, aber wir positionieren uns dazu auf ganz unterschiedliche Weise. Dadurch stehen verschiedene Sichten auf Pornografie gleichberechtigt nebeneinander, die sich in einem Spannungsfeld von Ekel und Lust bewegt. Wir werden individuelle Erfahrung auf gesellschaftliche Konstrukte prallen lassen, diese vermengen und damit spielen.In der Helheimkneipe gibt es bereits am 9. Februar einen Vorgeschmack auf eure Performance. Vorlese-Porno in der Kneipe: Wie soll das funktionieren?

Wir werden einen selbst geschriebenen Porno vorlesen – in verteilten Rollen. Auch, wenn in einem Porno bekanntlich nicht viel gesprochen wird. Aber gerade in diesem Genre ist es interessant, verbal vorzutragen, weil ganz unterschiedliche Wirkungen durch spezielle Lesarten erzeugt werden können. Man kann ihn wie ein Märchen lesen oder einfach ganz nüchtern und sachlich. Eine Kneipe ist dafür außerdem der beste Ort – etwas dunkel und verrucht, man hält ein Bier in der Hand, es herrscht eine entspannte und offene Stimmung. Perfekt!

Was ist an feministischen Pornos anders als bei nicht-feministischen?

Die PorYes Campagne um Laura Méritt prägt die Standards der feministische Pornografie und im Internet kann man das Manifest dazu lesen. Für die Arbeitsverhältnisse der PornodarstellerInnen werden dort wichtige Grundsätze aufgestellt – wie das Einverständnis aller DarstellerInnen und Safer Sex.

Der feministische Porno will Sex(ualität) differenzierter darstellen. Dazu gehört, dass die gezeigten Körper nicht den schönheitsidealistischen Standards entsprechen müssen, dass verschiedene Sexpraktiken Einzug finden und der Leistungsdruck aus dem Spiel genommen wird, im Zentrum steht die weibliche Lust. Diese Kriterien brechen mit den gängigen Machtverhältnissen der Mainstream-Pornografie und tragen zur Emanzipation der weiblichen Lust bei, weil sie die Frau nicht mehr nur als unterworfenes Sexobjekt zeigen wollen.Was ist an feministischen Pornos problematisch?

Kritisch daran ist, dass dadurch der Spieß nur oft umgedreht wird und nun der Mann der Dienende ist, was nicht der Sinn einer Sexualität auf Augenhöhe sein kann. Dennoch nimmt die feministische Pornografie eine hohen Stellenwert ein und ihre Bedeutung ist nicht zu unterschätzen, gerade weil sie als reale Alternative zur Mainstream-Pornografie und PorNo auftritt. Noch weiter geht dabei aber eigentlich die queer-Pornografie, die noch mehr darauf aus ist, die Geschlechterdisparität aufzulösen ohne das Spiel mit der Sexualität zu vernachlässigen.

Konsumiert ihr überhaupt Porno? Oder war das eher nur Recherche?

Den Impuls zu dieser Produktion gab Fabienne Mentzel, die ihre Bachelor-Arbeit über feministische Pornografie schrieb, so dass wir anfingen uns intensiver mit Pornografie zu beschäftigen. Aber auch davor hatte jede von uns ihrer Erfahrung mit dem Thema. Meistens beschränkt sich das Wissen auf youporn oder den einen oder anderen Hochglanzporno.

Wie seid ihr drauf gestoßen?

Jeder kennt außerdem die Situation: Man schaltet nachts den Fernseher an und plötzlich blickt man auf einen großen Busen, der den ganzen Bildschirm ausfüllt und kopulierende Körper flimmern über die Glotze. Das kann anregend sein, oder auch nicht. Dieses Spannungsfeld aus Ekel und Lust war der Ausgangspunkt für uns zu sagen: Was gibt es eigentlich noch? Dabei haben wir die verschiedensten Genres erforscht und auch eben jene feministischen und queer-Pornos geschaut, die uns mehr ansprachen, was dem Mainstream-Porno seltener gelang. So kann man unseren Konsum als eine Mischung aus wissenschaftlichem Interesse, aber auch persönlicher Anregung betrachten.

Nach dem Porno ist vorm Porno – was kommt nach “porn this way”?

Sicher ist: Diese Themen bleiben noch eine Weile interessant, brisant und aktuell. Deswegen bedeutet die Auseinander mit diesem Komplex auch für jeden von uns eine persönliche Weiterentwicklung und Bildung. Sicher ist auch: Das Publikum wird nicht dasselbe Spektrum an Wissen mitnehmen, das wir im Vorfeld gesichtet haben, aber darum geht es nicht, sondern um eine aufregende, anregende und reflektierte Auseinandersetzung. Hoffen wir das die beim Zuschauer ankommt. Oder er/sie auch einfach nur Spaß hat. Zu guter Letzt: Sicher ist auch: FormLos wird weiterarbeiten und Neues produzieren. Wobei wir zunächst erst einmal mit unserem Stück auf Reisen gehen möchten.

Pornografie hat ja – rein durch die auf dieses Reizwort folgenden Diskussionen – auch einen verbindenden, zwischenmenschlichen Aspekt. Man muss auch nicht mehr verschämt in die hintere Ecke irgendwelcher schmuddeliger Videotheken, heute reicht ein Sprung ins Netz. Ist Porno gut für diese Welt?

Diese Frage lässt sich nicht so ohne weiteres beantworten, weil es ganz darauf ankommt, von welcher Art Pornografie wir reden, wer sie konsumiert und welche Konsequenzen daraus gezogen werden. A priori ist Pornografie weder schlecht noch gut. Kinderpornografie ist zu verurteilen, wohingegen ein gleichberechtigter Porno, der unter fairen Bedingungen für die Darsteller produziert wird, ein anregendes Instrument ist.

Wann nicht?

Besonders schwierig wird die Frage, wenn es sich bei den Konsumenten um Jugendliche handelt. Es gilt das, was generell im Umgang mit Medien gilt: ein reflektierte Umgang mit dem Material, die ernsthafte Auseinandersetzung mit Anderen und die Unterscheidung zwischen dem, was gezeigt wird, und dem, was ich selbst empfinde. Denn natürlich bedeutet das Gezeigte etwas, es spiegelt vermeintlich gesellschaftliche Bilder wieder oder eben nur die Vorstellung eines/einer Regisseurs/Regisseurin. Denn überhaupt von der kollektiven männlichen oder weiblichen Lust zu sprechen, sie als solches zu identifizieren, ihr bestimmte Eigenschaften zuzuschreiben, ist abwegiger als man denkt.

FormLos e.V.:

www.facebook.com/FormLos.Kollektiv

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