Es ist schon ein ulkig Ding, wie das so mit den angeblich drängenden Themen funktioniert in Leipzig. Schön zu schauen am Beispiel einer Pressemitteilung, welche der Leipziger Bundestagsabgeordnete Dr. Thomas Feist (CDU) nach seinen zurückliegenden Kämpfen um die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke und einen Verbleib eines gewissen Herrn zu Guttenberg in der Politik diesmal unter die Leute brachte. Das Leipziger Badewannenrennen gehört vom Völkerschlachtdenkmal weg, an den Störmthaler See verlegt. Der "Mahn- und Gedenkort" braucht Schutz vor Spaß.

Der “See der Tränen” vor dem riesigen Steinkoloss ist runde 60 Zentimeter tief, an heißen Sommertagen 50. Es ist also im Wortsinn Flachwasser, auf welchem einmal im Jahr bunte Fantasieboote schippern und ab und zu stellt der mutmaßliche Freimaurerbau dahinter die Kulisse für eine Carmina Burana oder eine Nebenveranstaltung des Wave-Gotik-Treffens, andere Großkonzerte oder für ein Vereinsfest mit Bierwagen und Grillstand. Am 17. Juli 2012 wird auch die dunkeldüstre Schlagerkapelle Unheilig den Ort beehren.

Doch nicht der Spaß der Veranstaltungsbesucher der zahlreichen Feste und Konzerte steht dem ruhigen Gedenken an die Toten einer Schlacht von Monarchen vor 200 Jahren entgegen, sondern der von der Nato veranstaltete Rudergaudi “Badewannenrennen” scheint einigen zu bunt.

Schon vor zwei Jahren will Dr. Thomas Feist (MdB, CDU) seine Bemühungen begonnen haben, schriftliche Hinweise an den Völkerschlachtdenkmal e.V. seien ergangen und angesichts des 2013 anstehenden Doppeljubiläums des Massenschlachtens vor 200 und der militaristisch geprägten Einweihung vor 100 Jahren sei das Badewannenrennen an den Störmthaler See zu verlegen.
Dr. Thomas Feist auf L-IZ-Nachfrage dazu: “Ich habe diesen Vorschlag mit dem Förderverein vorab kommuniziert. Dass ich das ‘Badewannenrennen’ als nicht kompatibel mit dem Charakter des Denkmals einschätze, habe ich dem Förderverein bereits vor zwei Jahren schriftlich mitgeteilt. Der Vorschlag einer Verlagerung hin zum Störmthaler See ist dagegen neu.”

Was ist also kompatibel mit einem Mahnmal? Wenn sich Menschen schwarz anziehen, die Haare bunt und auffällig dekorieren und teils Gasmasken vors nur scheinbar immertraurige Gesicht schnallen, scheint jedenfalls der Gedanke ans Gedenken ebenfalls relativ fern. Der Spaß hingegen deutlich näher. 2013 werden die Gothics mit einer Wagner-Inszenierung am Völki präsent sein. Feist: “Dass das Wave-Gothik-Treffen spaßzentriert ist, ist mir neu. Ich bin nicht generell gegen Veranstaltungen, nur gegen unpassenden Klamauk. Im Einzelfall sollte die Stadt prüfen, ob eine Veranstaltung am Völkerschlachtdenkmal passend oder unpassend ist. Und ein ‘Badewannenrennen’ auf dem (lt. Homepage der Stadt Leipzig) ‘See der Tränen’ ist absolutes NoGo.”

Nato-Pressesprecher Torsten Hinger zeigt sich über diesen Vorschlag eher grundsätzlich überrascht, den Bundestagsabgeordneten Dr. Thomas Feist kennt er nicht persönlich, die angeblich seit zwei Jahren vorliegende Problematik hört er das erste Mal. Doch nach kurzem Überlegen sagt er zur Verlegungsanregung fürs Leipziger “Badewannenrennen”: “Ist doch eine gute Idee. Grundsätzlich kann man ja über alles nachdenken. Doch gerade weil das Jubiläum stattfindet, sollte sich die gute Zusammenarbeit der letzten 20 Jahre mit dem Förderverein des Völkerschlachtdenkmals fortsetzen.”

Auch bei der Titulierung des Ortes machen sich Wahrnehmungsunterschiede zwischen den Machern des Badewannenrennens und dem CDU-Mann bemerkbar. “Für uns ist es ein Friedensmonument, dessen Bedeutung uns auch in den zurückliegenden Jahren bewusst war. Auch deshalb sind mittlerweile die grundsätzlichen Haltungen des Fördervereins positiv gegenüber dem Badewannenrennen. Nicht zuletzt ist der Verein ja jedes Jahr mit einem Stand bei uns vertreten, teils unterstützen wir die Spendensuche des Vereins und nehmen an seinem jährlichen Bürgerfest teil.”
Bei der Fortsetzung der Zusammenarbeit scheint auch beim Förderverein des Völkerschlachtdenkmals durchaus Interesse zu bestehen. Die konkrete Frage zur Verlegung verweist man dort jedoch auf das städtische Museum, welches die Veranstaltungen am Denkmal eigentlich organisiert und begleitet. Der verantwortliche Direktor Rodekamp weilt jedoch derzeit im wohlverdienten Urlaub und wird sich erst bei der Rückkehr mit dem Vorschlag des Leipziger Bundestagsabgeordneten befassen können. Wenn er dann nicht längst im Sommerloch verschwunden ist.

Wo ist nun also das Problem und wer hat es? Welche Veranstaltungen dem Mahnmal angemessen sind, verrät Dr. Feist jedenfalls auf Nachfrage nicht. “Das ist eine Frage, die die Stadt beantworten muss.” Doch so ganz ohne Hinweis an diese will er es dann doch nicht stehen lassen. Man dürfe allerdings als Stadt das Jubiläum nicht nach außen (Bund, Land) als “europäisch hochpreisig” verkaufen, um möglichst hohe Fördermittel zu bekommen, ohne dass dies einen Einfluss auf das Programm haben darf. Beides gehöre zusammen.
Geht es also um Gelder aus dem Steuersäckel oder soll gar das Geld des Freistaates und des Bundes, welches zum Jubiläum fließen, den Leipziger Spaß verdrängen?

Das Badewannenrennen jedenfalls bekommt keines, da es sich aus Sponsorengeldern unter anderem von den Stadt- und Wasserwerken finanziert. Ob diese bei einer Veranstaltung am Störmthaler See daran noch Interesse haben, wäre eher fraglich. Für Dr. Feist kein Grund, da fänden sich offenbar genug Geldgeber. “Die Gewässerlandschaft rings um Leipzig wirbt mit dem Städtenamen, da sehe ich kein Problem. Zudem bietet der Störmthaler See mit seinen Veranstaltungen wie das Highfield-Festival, der schwimmenden Kirche Vineta und dem Amphibienfahrzeug des Varietés überzeugende Konzepte, wie sich Sponsoren sowohl im Umland als auch in der Stadt engagieren. Abschließend: jeder im Leipziger Umland investierte Euro ist auch für Leipzig eine wichtige Investition.”

Torsten Hinger gibt derweil gern eine über das 2013er Badewannenrennen hinausreichende Vorschau auf die Jubiläumsfestlichkeiten, welche seitens der Nato in Planung sind. “Im Oktober 2013 werden wir gemeinsam mit der Titanick-Truppe, rund 250 Künstlern und Laiendarstellern, ein riesiges Spektakel am Völkerschlachtdenkmal inszenieren.”

Man rechne dann mit 50.000 Besuchern von nah und fern. “Dafür werden wir unter anderem am 8. Juli 2013 beim ‘Badewannenrennen’ werben”, so Hinger.

Herr von und zu Guttenberg ist heute kein Politiker mehr, die Bundeskanzlerträume scheinen vorbei. Auch die Atomkraftwerke werden gerade Stück um Stück einkassiert. Es scheint, als ob dies auch dem aktuellen Kampf von Dr. Thomas Feist ums Denkmal droht. Aktuell jedenfalls scheint keiner der Beteiligten die Verlegung ernsthaft in Erwägung zu ziehen.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Michael Freitag über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar