Wenn Viere feiern, dürfen sich die Leipziger freuen. Das "800 Jahre Thomana"-Jahr tickert so langsam auf seine letzten großen Höhepunkte zu. Thomanerchor, Thomasschule und Krankenhaus St. Georg haben schon ihre Festwochen gefeiert. Und nun wird die Thomaskirche fit gemacht für ihre Festwoche. Die können große und kleine Leipziger vom 31. Oktober bis 4. November miterleben. Auch wenn ein geplanter Höhepunkt gründlich daneben ging.

Es ist die Vierte Festmusik, die sich Thomaskantor Georg Christoph Biller zum großen Jubiläumsjahr bestellt hat bei hochkarätigen Komponisten der Gegenwart. Und Heinz Holliger hat auch eine Festmusik geschrieben. “Nur nicht für uns”, frotzelt der Thomaskantor. Aber man merkt dennoch, dass es ihn ein wenig grämt. Denn gedacht waren die Festmusiken ja für den Thomanerchor. “Aber es ist dann leider doch keine Festmusik für einen Knabenchor geworden”, sagt Biller. “Wir haben uns also einen anderen professionellen Chor geholt, der sie singt.”

Es wird das Ensemble vocal modern sein unter Leitung von Christfried Brödel, das Holligers Festmusik am Samstag, 3. November, um 15 Uhr in der Thomaskirche singt. Und auch Biller wird sich nicht wirklich grämen. Denn das Festjahr hat auch den Thomanerchor gefordert. Der ja – neben allen Festveranstaltungen – auch weiterhin die Motetten und Gottesdienste in der Thomaskirche gestaltet.

Auch den Festgottesdienst am Reformationstag, mit dem die Festwoche der Thomaskirche eingeleitet wird. Beginn 10 Uhr. Und wer will, kann ihn im Fernsehen miterleben. Niemand muss mehr, wie 1539, als Luther in der Thomaskirche predigte, die Kirchenfenster einschlagen, um dabei zu sein. Die ARD überträgt den Gottesdienst.Und wer beim Fernseh-Kieken doch wieder die Unruhe in sich verspürt, dabei sein zu wollen: Das ist in der Woche so oft möglich, dass man eigentlich gleich da bleiben kann. Am Abend singt amarcord (die gerade ihr 20. feierten) “Musik zur Reformationszeit in der Thomaskirche. Am Donnerstag, 1. November, ist große Jazzmesse mit Gästen aus Brno. Anlass so nebenbei: Leipzigs Städtepartnerschaft mit Brno wird 40 Jahre alt.

Drei Tage lang – vom 1. bis 3. November – wird Geschichte rund um die Kirche auch greifbar. Dann finden hier die Kinderfesttage mit dem Motto “Steine ins Rollen bringen” statt, die an die Entstehung und das Leben im einstigen Thomaskloster erinnern. Aber auch an die geklauten Steine von der Kirchenbaustelle. Die Leipziger sahen den Bau den Klosters in ihrer Stadt ja höchst ungern. Eigentlich wollten sie ja eine freie Stadt werden – ohne landesherrliche Bevormundung.Heute steht die Thomaskirche auch für Leipziger Selbstbewusstsein. Der OBM freut sich über deutlich gestiegene Touristenzahlen. Viele Leipzig-Besucher 2012 werden auch wegen der diversen Festwochen von Chor, Schule und Kirche gekommen sein und kommen. Der Chor, so OBM Burkhard Jung, sei auch ohne das Festjahr tief in den Herzen der Leipziger verankert. “Die Leipziger lieben ihre Thomaner, auch wenn sie noch nie in der Thomaskirche waren”, sagt Jung. Und lässt sich von Biller das Stichwort zur Rolle der Lehrer geben. Biller ist ja selbst einer als Thomaskantor. Ohne ihn ist das aktuelle Niveau des Knabenchores nicht denkbar. Aber Biller bezieht auch die Arbeit der anderen Lehrer aus der Thomasschule mit ein, benennt den Paragraphendschungel, mit dem sie oft konfrontiert sind. “Unter solchen Bedingungen auch noch ein echtes Profil zu entwickeln, ist eine echte Aufgabe”, sagt Biller.

Was Thomaspfarrer Christion Wolff an diesem ersten Pressetermin zum Fest in der Thomaskirche das Stichwort liefert, an die Trias von Glauben, Lernen, Singen zu erinnern. “Denn für wen machen wir das alles? Wir machen es doch für die nachfolgenden Generationen”, sagt er.

Was dann den Bogen schlägt zur 800jährigen Geschichte, die in der Festwoche noch einmal aufleuchtet. Nicht nur mit Zunftmarkt und Dombauhütte draußen vor der Kirche, sondern auch mit einer Lichtinszenierung, die am Samstag, 3. November, auf der Nordseite der Thomaskirche zu sehen sein wird. Jürgen Meier – der sich auch für die Lichtinstallationen beim “Lichtfest” engagiert, hat diesmal eine eigene 20-Minuten-Bilder-Show für die Thomaskirche entwickelt, die an diesem Abend drei Mal an die Nordwand der Kirche geworfen wird – um 19, 21 und 22 Uhr. Wer ein Plätzchen in der Zuschauermenge findet, wird 800 Jahre in eindrucksvollen Bildern erleben können. Und sieben echte Thomaner von heute sind auch dabei.

Und ein nicht unwichtiger Baustein der Festwoche wird am 1. und 2. November im Audimax der Universität stattfinden. Pfarrer Christian Wolff erinnert ja gern daran, dass die Uni 1409 im Thomaskloster gegründet wurde. Und den Kongress “Kirche in der Gesellschaft” hätte er gern schon in der neuen Universitätskirche stattfinden lassen. Doch die ist baulich noch nicht verfügbar. Also findet der Kongress, zu dem unter anderem auch Bundesminister Thomas de Maizière und Gesine Schwan Vorträge halten, im Audimax statt, als erster stadtoffener Kongress in diesem neuen Schmuckstück. Der Kongress beschäftigt sich mit Fragen wie “Wie politisch darf Kirche sein?” oder “Wie kommen wir zu sozialer Verantwortung?”.

Wer mehr wissen will zu allem, was zur Festwoche passiert, findet es hier: www.thomana2012.de

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