Es war die CDU-Fraktion, die das Thema im März 2011 per Antrag auf den Tisch packte: Leipzig solle sich für das Jahr 2020 um den Titel Kulturhauptstadt bewerben. Die Idee fanden die meisten Stadträte gut. Im August 2011 beschlossen sie deshalb, das Dezernat Kultur zu beauftragen, alle erforderlichen Fakten zur "Kulturhauptstadt Europas", insbesondere die Erfahrungen aus anderen Kommunen, zu sammeln.

Die Ergebnis soll gegebenenfalls zur Grundlage einer Ratsentscheidung zur Bewerbung Leipzigs werden. Zur Ratsversammlung am 22. November legte das Kulturdezernat nun seinen Bericht vor – mit dem Ergebnis, das eine Bewerbung für 2020 nicht viel Sinn macht.

Das Kulturdezernat hatte bewusst den 20. Juli 2012 abgewartet. An diesem Tag veröffentlichte die Europäische Kommission ihren „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Aktion der Europäischen Union für die ‚Kulturhauptstädte Europas‘ im Zeitraum 2020 bis 2033“.

Wesentlich dabei ist, dass dabei auch die Liste der Länder, die für einen Kulturhauptstadttitel infrage kommen, fortgeschrieben wurde. Bislang reichte die Liste nur bis 2019. Alle Bewerbungen für 2020 wären also reines Bewerben auf blauen Dunst hin gewesen. Die wichtige Entscheidung der EU-Kommission dazu lautet nun: „Die nunmehr vorgeschlagene Fortsetzungsliste sieht eine deutsche Kulturhauptstadt das nächste Mal im Jahr 2025 (gemeinsam mit Slovenien) vor.“

Das Jahr 2020 ist übrigens einem potenziellen EU-Kandidatenland vorbehalten.
Die bisherigen Kulturhauptstädte in Deutschland waren 1988 (West-)Berlin, 1999 Weimar und 2010 Essen mit „Ruhr. 2010“. Als Berlin dabei war, hieß der Titel übrigens noch „Kulturstadt“. Erst 1999, als Weimar sich präsentierte, wurde ein „Hauptstadt“-Titel vergeben.

„Das Kulturdezernat wird die Entwicklung und Perspektiven der Kulturhauptstadt-Initiative in den nächsten Jahren weiter aufmerksam verfolgen. Der Kontakt mit den Institutionen der Europäischen Union wird gehalten. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse werden laufend aktualisiert. Gegebenenfalls wird das Thema im Jahr 2016 erneut zur Erörterung aufbereitet und der Ratsversammlung zur Entscheidungsfindung vorgelegt“, schreibt das Kulturdezernat in seiner Verwaltungsvorlage. Was vielleicht die falsche Pointe für den Text ist.

Denn vorher benennt das Dezernat auch die beiden Punkte, die für eine Bewerbung sprechen: „1. Wenn eine Bewerbung zur europäischen Kulturhauptstadt der aktiven Debatte der anstehenden Transformationsprozesse der Leipziger Kulturlandschaft dient, ist sie im Sinne der objektiven Aufgaben der nächsten Jahre letztlich zielführend – unabhängig davon, ob die Diskussion tatsächlich in eine Bewerbung mündet bzw. eine Bewerbung zum Erfolg führt.

2. Eine Bewerbung muss von Beginn an einen weiten Kulturbegriff im Blick haben, zum Beispiel auch die Umformung von Kulturlandschaften (Leipziger Gewässerverbund) berücksichtigen.“

Den meisten Sinn ergibt die Bewerbung nämlich nur, wenn sie nachhaltig angegangen wird, wenn nicht wieder nur die üblichen kulturellen Leuchttürme zusammengekarrt werden, dann gibt’s ein großes Feuerwerk – und das war’s. Die Jahre bis zur Bewerbung sollten eigentlich schon zu grundlegenden Klärungsprozessen und Weichenstellungen genutzt werden. Sonst hat Leipzig wieder 5 Minuten vor Bewerbungsschluss eine heillose Diskussion wie jüngst erst zum actori-Gutachten.

Und wenn man gar mit weiteren Partnern arbeiten möchte – wie denen im Neuseenland – dann erfordern die Abstimmungsprozesse noch mehr Zeit. Aber sich zu bewerben, ohne dass sich auch nur die Akteure vor Ort einig wären, welche Art Kultur Leipzig und die Region künftig ausmachen soll, wäre eher Traumtänzerei.

Und es kommt der Fakt hinzu, der bei der Olympiabewerbung völlig außer Acht gelassen wurde: Was passiert, wenn’s nur der 2. Platz wird? – Dann wäre die gesamte Bewerbungsmannschaft gut beraten, wenn alle Teile der Bewerbung nachhaltig geplant und finanziert sind und man Stadt und Region trotzdem gut vermarkten kann, auch wenn im Briefkopf dann der Titel „Kulturhauptstadt“ nicht auftaucht.

Die Europäischen Kulturhauptstädte 2012 sind übrigens Guimarães in Portugal und Maribor in Slowenien. 2013 sind es dann Marseille in Frankreich und Kosice in der Slowakei.

guimaraes2012.pt
https://maribor.si/
marseille-provence2013.fr
kosice2013.sk

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar