Es ist schon ein pfiffiger Schachzug, ein Leipziger Festival, das sich dem am 3. Oktober anstehenden 30. Jahrestag der Deutschen Einheit widmet, motivisch einem Autor zuzuordnen, der diese Einheit nicht erlebte, weil er zu früh starb – im Exil. Kaum einer hat mit seinem ganzen Leben die deutsch-deutschen Widersprüche so durchgemacht wie Uwe Johnson.

Eröffnet wird das Uwe-Johnson-Festival „Eine Reise wegwohin“ über deutsch-deutsche Identitäten von Oberbürgermeister Burkhard Jung am 29. September auf dem Naschmarkt. Insgesamt dauert die Festivalwoche vom 28. September bis zum 4. Oktober. Sie bringt Theater, Lesung, Hörspaziergang und Diskussion.

Zum dreißigsten Jahrestag der Wiedervereinigung hat das das kollektiv „Wegwohin“ mit der Festivalwoche „Eine Reise wegwohin“ eine Suche nach deutsch-deutschen Identitäten initiiert – inspiriert vom Schriftsteller Uwe Johnson. Gemeinsam mit dem Stadtarchiv, dem Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig, der Hochschule für Musik und Theater (HMT Leipzig), dem Deutschen Literaturinstitut und dem Literaturhaus Leipzig wird die Leipziger DNA als Stadt der Friedlichen Revolution neu beleuchtet.

Denn diese DNA reicht zurück bis in die 1950er Jahre, als Uwe Johnson an der Universität Leipzig studierte und dort mit Professoren wie Theodor Frings und Hans Mayer in Berührung kam. Leipzigs stille Widerständigkeit hatte immer auch mit intellektueller Eigenständigkeit und Literatur zu tun.

Stattfinden wird das Festival mit Schauspieler/-innen der Nachwendegeneration, die Texte über die deutsche Teilung im Theater interpretieren, Zeitzeug/-innenberichten im Hörspaziergang, Soziolog/-innen in der Diskussion und einer hochkarätig besetzten Screening-Lesung (u. a. Nina Gummich, Matthias Brandt, Charly Hübner). Die Besucher/-innen der Festivalwoche sind eingeladen, sich mit dem heutigen Verhältnis zwischen Ost und West und ihren eigenen Wendegeschichten auseinanderzusetzen.

Briefwechsel Uwe Johnson – Fritz J. Raddatz gelesen von Gabriela Maria Schmeide & Udo Samel (Auszug)

https://www.youtube.com/watch?v=Z7ER48P5npo

Kurzprogramm der Festivalwoche

Ab 28. September, online und & am 2. Oktober 18 Uhr auf MDR KULTUR: Impulsgespräch: „Wo ich her bin, gibt es nicht mehr“ mit der Direktorin des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig Uta Bretschneider und den Soziologen Wolfgang Engler und Steffen Mau.

29. September bis 4. Oktober, 10 bis 18 Uhr in der Innenstadt: Hörspaziergang „Die Personen sind erfunden“ mit Zeitzeug/-innenberichten und den Texten Uwe Johnsons durch die Leipziger Innenstadt.

1. bis 3. Oktober im Stadtarchiv Leipzig: Theater „Versuch einen Autor zu finden“. Eine begehbare Zeitreise mit Uwe Johnsons Texten, die in einem Theaterparcours von Studierenden der HMT Leipzig in der Regie von Maik Priebe umgesetzt werden.

4. Oktober, 19:30 im Haus des Buches – Literaturhaus Leipzig: Screening-Lesung „Fuer Zwecke der brutalen Verständigung“. Hochkarätig besetzte Screening-Lesung (Video) von Johnsons Briefwechseln. Es lesen: Nina Gummich, Nicole Heesters, Jutta Hoffmann, Ruth Reinecke, Gabriela Maria Schmeide, Angelika Waller, Matthias Brandt, Charly Hübner, André Kaczmarczyk, Ulrich Matthes, Udo Samel, Peter Simonischek & Michael Wächter.

Das ausführliche Programm findet man hier.

Uwe Johnson (1934–1984) steht wie kaum ein anderer für die literarische Aufarbeitung der Beziehung zwischen der Bundesrepublik und der DDR. Verlorenes Land, verlorene Heimat und verlorene Identität waren zentral für das Schreiben Johnsons, der nach seinem Studium in Leipzig und der Ausreise aus der DDR in der Bundesrepublik, New York und schließlich in England lebte. Die Verbindung zu seinen Leipziger Kommiliton/-innen riss dabei nie ab.

Das Angebot im Stadtarchiv: Theaterparcours auf Spuren des Schriftstellers Uwe Johnson

Im Stadtarchiv sind dabei von Donnerstag, 1. Oktober, bis Samstag, 3. Oktober, Schauspiel-Studentinnen und -Studenten der Hochschule für Musik und Theater Leipzig auf Theaterparcours. In drei unterschiedlich inszenierten Welten, die die Räume des geschichtsträchtigen ehemaligen Sowjetischen Pavillons durchziehen, erleben die Zuschauer Uwe Johnsons Prosa in Theater, Audio und Video. Die Regie für das Stück „Versuch einen Autor zu finden“ führt Maik Priebe.

Uwe Johnson ist einer der wichtigsten Autoren der Nachkriegszeit, das geteilte Deutschland durchzieht sein literarisches Schaffen. Er selbst hat in Rostock und Leipzig Germanistik studiert bevor er 1959 in den Westen floh.

 

Die neue „Leipziger Zeitung“ Nr. 83: Zwischen Ich und Wir

Die neue „Leipziger Zeitung“ Nr. 83: Zwischen Ich und Wir

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten unter anderem alle Artikel der LEIPZIGER ZEITUNG aus den letzten Jahren zusätzlich auf L-IZ.de über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall zu entdecken.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar