Er ist der wohl älteste Debütant auf der Leipziger Buchmesse. Peter Steinbach ist gebürtiger Leipziger und, wie er sagt, "Däne aus Überzeugung". Er heiratete im nördlichen Nachbarland und nahm die dänische Staatsbürgerschaft an. Auf der Leipziger Buchmesse stellte er im Alter von 73 Jahren sein Romandebüt "Heute für Geld und morgen umsonst" vor, der das letzte Kriegsjahr in Leipzig aus Sicht eines zehnjährigen Jungen erzählt.

Ein unbeschriebenes Blatt ist der Neu-Literat allerdings nicht. Seit 1977 schrieb er Drehbücher. Neben der Arbeit für Film und Fernsehen sei er aber nicht dazu gekommen, diese Geschichte aufzuschreiben. Der frühere Schiffskoch hat sich das Schreiben als Autodidakt beigebracht. Offenbar sehr erfolgreich, immerhin gab es für die Drehbücher zur Filmreihe “Heimat” einen Grimme-Preis.

Genau wie sein Erzähler Osvald Zeidel spricht Steinbach, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. “Ich werde immer gefragt, ob es ein Heimatroman ist, weil ich eben auch die Drehbücher zu Reihe geschrieben habe. Aber von Heimat habe ich komplett die Schnauze voll!” Der Grund, nach Dänemark zu gehen, sei aber eher eine Lebenskrise gewesen. Sein Romandebüt ist folglich das fruchtbare Ergebnis seiner Reise.Steinbach erzählt, worum es geht. Sein zehnjähriger Protagonist Osvald darf als Sohn in einer deutsch-jüdischen Mischehe nicht in die Schule gehen. Sein Vater, “der Alte”, ist Bakteriologe und forscht kriegswichtig, weshalb Frau und Sohn nicht deportiert wurden. Doch die schreckliche Zeit wird durch den authentisch unschuldigen Blick Osvalds zuweilen sogar heiter, die Welt ist klein und reicht bis zur Danziger Straße – die heutige Max-Liebermann-Straße. Steinbachs Romanwelt steckt voller wunderbar geschilderter Leute. “Der Schwerpunkt sollte immer auf den Menschen liegen, das ist bei Drehbüchern nicht anders, als in der Literatur.”

Genau dieses Rezept geht auf. Steinbachs unverfälschte Sprache und die frische Sicht auf die Geschehnisse des Vorstadtlebens sorgen für Lacher bei den Zuhörern im Ariowitsch-Haus. Auch wenn er keinen autobiographischen Roman geschrieben habe, flössen viele eigene Erfahrungen mit ein. “Zu meinen traurigsten Erinnerungen gehört der Anblick russischer Kriegsgefangener in abgerissenen Klamotten.” Er sei sentimental geworden, als die russische Armee aus dem wiedervereinigten Deutschland abzog, weil er seit dem damaligen Moment eine tiefe Sympathie hegte. In einer Erfahrung Osvalds findet sich diese Tragik wieder, auch er trifft einige freundliche russische Soldaten, muss aber auch Verluste geliebter Menschen hinnehmen.

Ganz andere Verluste beschäftigen den Rentner auch. Richtig wiedererkennen könne Steinbach sein Möckern heutzutage nicht. “Der Kapitalismus hat gewütet, überall gibt es Sichtblenden und hässlichen Beton. Das ist nicht mehr meine Heimat.” Im Gespräch fügt er gegenüber L-IZ.de noch hinzu: “Ich war traurig zu sehen, wie für Neubauten alte Ulmen en masse gefällt wurden. Ich würde mich da schämen und überlegen, was mir diese Bäume nicht alles erzählen könnten.” Losgegangen sei die Veränderung Möckerns vom Vorort um die Wende herum, als Videotheken und Spielhallen die kleinen Geschäfte verdrängten. Zwar lebte Peter Steinbach zum Zeitpunkt solcher Umwälzungen schon in Dänemark, besuchte aber immer wieder Leipzig und sah die städtebaulichen Veränderungen.

Trotzdem zeigt er seinen Söhnen gern die Stadt. Damit sie sehen, wo der Vater aufwuchs. Steinbach hält auch noch seine Verbindung zu Leipzig. So war beispielsweise sein ehemaliges Kindermädchen bei der Lesung anwesend. Der letzte Besuch wird es auch kaum gewesen sein. Seit zehn Jahren besitzt Peter Steinbach eine Mietwohnung in der Stadt seiner Kindheit.

Link zur Romanseite von Peter Steinbach mit “Heute für Geld und morgen umsonst” samt Leseprobe:

www.kiwi-verlag.de/das-programm/Leseprobe (http://www.kiwi-verlag.de/das-programm/einzeltitel?isbn=978-3-462-04384-6)

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar