Seit Freitag steht es in den Läden, das erste Album des Querkopf-Künstlers David Bowie nach elf Jahren. Ohne langes Intro legt "The Next Day" gleich mit dem Titelsong los, gitarrenlastig und extrovertiert. Zudem zeigt Bowie gleich, dass er stimmlich in den Jahren nichts verloren hat. Allerdings verstärkt sich mit jedem folgenden Stück, der Eindruck, die Jahre hätten zwar kein bisschen musikalische Qualität gekostet, doch den bleibenden Ohrwurm landet Bowie nicht.

Das ändert sich erst im Mittelteil des Albums. Mit „Valentine’s Day“ rockt der Altmeister los, wie stets auf seine eigene Art, die mit dem Mainstream nicht viel gemein hat. Gleich das erste Riff und die Schlagzeug-Beats graben sich tief in den Gehörgang, und kletten sich an die Synapsen, die Erinnerung an die großen Bowie-Songs der 70er wie „Heroes“ oder „Ziggy Stardust“ werden wach.

Präzise treiben die Rhythmen, die leicht angezerrte E-Gitarre beschwört in betörenden Parts Bilder im Kopf herauf, während die nach wie vor unverwechselbare Stimme des Wanderers zwischen den Klangwelten eine Geschichte über einen Valentin erzählt, den Namenspatron des eigentlich recht profanen und kommerziell ausgeschlachteten Tages.

Hier ist er wieder, der gelernte Schauspieler, der sich zeit seiner Karriere in Rollen versetzt und damit auch als Musiker immer wieder seiner zweiten Leidenschaft nachging. Auch eine passende Zeile zum Weltfrauentag findet sich passend zum Erscheinen in Deutschland: „Who’d have ever thought of it, who’d have ever dreamed, that a smalltown girl like you, would be the boss of me?“

Balladesk vorgetragen in einem Mix aus Bläsern und Schlagzeug, mit einem pulsierenden Bass versehen, macht der Song „Boss of Me“ wirklich etwas her.

Hinzu kommt die verspielte Experimentierfreude, die Bowie oder David Robert Jones, wie er eigentlich heißt, so unvergesslich macht. Es ist zwar nicht „der Mix aus Science Fiction-Theater und Rock-Musik“, wie das Munzinger-Archiv sein Konzeptalbum „Ziggy Stardust“ beschreibt. Doch mit „How does the grass grow“ schafft der Rückkehrer ins Rampenlicht ein dichtes Klangdickicht.

Wie Tieraugen in einem nächtlichen Schauerwald blitzen Synthesizer-Höhen hinter dem Gestrüpp hervor, das zudem durch einzelne Bläserspitzen durchbrochen wird. Keine Chance, dass dieser eigenwillige Mensch viel in den zu eintönigen deutschen Radiosendern gespielt wird, was übrigens schon lange kein Gradmesser für echte Kunst mehr ist.

David Bowie hat halt seinen eigenen Kopf und es ist zu hoffen, dass diesem nicht erst in elf Jahren wieder ein Album entspringt. Seine Musik auf „The Next Day“ fordert vom Zuhörer, sich auf sie einzulassen um die Großartigkeit in der Eigenwilligkeit zu entdecken. Dabei ist nicht jeder Song ein großer Wurf, aber auch Ausschuss findet sich unter den 14 Liedern nicht.

Nach solch einer langen Zeit braucht wohl auch ein echt bedeutender Künstler einen gewissen Anlauf. Mit dem Schwung, den das 30. Studio-Album aufnimmt, könnte sich in den kommenden Jahren durchaus Spannendes entwickeln. Doch wer mag wissen, ob der Querkopf David Bowie das auch will?

Auf die Version mit drei Bonustracks werden allerdings nur die größten Fans nicht verzichten wollen, sie reißen nicht wirklich zu Begeisterungsstürmen hin. Die zwei Euro Preisunterschied sind besser in Chips oder Schokolade investiert, um es sich beim Durchhören des Albums gemütlich zu machen.

David Bowie „The Next Day“
Sony BMG Music
Veröffentlichung: 8. März 2013
www.davidbowie.com

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