"Tickets schon lange ausverkauft", hieß es im März. "Versuchen sie es bei einem Juni-Termin!" So ist das bei der deutschen Erstaufführung des "Grafen von Monte Christo", nach Alexandre Dumas' Buch, zum Musical gemacht von Frank Wildhorn und Jack Murphy. Dann verkaufte doch noch jemand im Foyer einen übrigen Platz. Auffallend viele Jugendliche kommen in Scharen in die Musikalische Komödie. Von der City aus führen Wegweiser zur "Westkultur" zwischen Theatern, Künstlerateliers und Galerien in Lindenau und Plagwitz.

Dirigent Stefan Diederich steuert Musiker und Sänger-Ensemble mit vielen Gastsolisten zielsicher in den Wogen der Musical-Welt, durch die Pathos-Stürme und die Windstillen der Sentimentalität, und rhythmisch schaukelt man sicher in den Hafen des Endes jeder musikalischen Nummer, und macht fest am nächsten Zwischenapplaus. So was funktioniert. Gewusst wie.


In Napoleons Zeiten, von Reichtum, Macht, Rache und Ehre

Wir reisen in die Zeit, als Napoleon in der Verbannung war. Neider verfolgen einen jungen Aufsteiger, der noch auf seiner Verlobung verhaftet wird. Verdacht reicht aus, und man kommt auf die Gefängnisinsel. Lügen und Verschwörung verhelfen anderen zu Reichtum. Doch im Knast wird der junge Held zum Erben eines Schatzes, versteckt auf jener Insel Monte Christo. Piraten retten den Ausbrecher, der Schatz wird geborgen und unser Held schwört Rache. Seine Verlobte erkennt ihn wieder und allerhand passiert, bis er nicht noch irrtümlich seinen Sohn tötet… Da blitzen Messer und Degen und fliegen Fäuste. Ehre heißt es dann, wenn man sich gegenseitig am Leben lässt.
Auf der Bühne wird es eng

Regisseur Cusch Jung, schon erprobt in der Musikalischen Komödie, weiß, dass man hier Ernst machen muss, die Leute wissen, dass sie ins Theater gehen, und müssen nicht mit dem Alltagsdesign von draußen erschreckt werden. Mit 12 Metern ist die Bühne zu klein für die breit wallenden Roben mancher Damen, die Sven Bindseil geschaffen hat, auch die Tanznummern der Paare und der Piraten, von Cusch Jung choreographiert, stoßen schnell an die räumliche Grenze.

Spiegelnde Kulissen, schön wie gemalt

Barocken Theaterbühnen nachempfunden ist das Bühnenbild von Karin Fritz aus Kulissen und Gassen an den Seiten und einem Rückprospekt, doch von hinten werden die häufig wechselnden Bilder projiziert, Landschaften und Räume, schön und “wie gemalt”, und Vögel kreisen am Himmel, und alles spiegelt sich auf die Seitenkulissen. Da werden nebeneinander Kirche und Kerker bildlich vorstellbar, beide mit feinem Sonnenstrahleneinfall. Wie früher, als bemalte Gläser vor Scheinwerfer gehalten wurden, nichts da von verfilmtem Video-Schnickschnack. Das tut dem Auge gut. Ab und zu eine Kirchenbank, ein Sessel, ein paar Truhen, sonst wenige Zutaten, oder eine Wand aus dem Schnürboden, mehr braucht man nicht, denn der nach hinten ansteigende Bühnenboden lässt sich vielfach aufklappen zum Auftauchen, Grabenbuddeln und Verschwinden und sogar als Vergnügungs-Grotte.

Cusch Jung, nicht nur Regisseur und Choreograph, kommt selbst als ausbruchswütiger Abbé Faria aus dem Boden, ein alter, ergrauter, weiser Normenbrecher, der im Sterben seinen Schatz vererbt, und dem man eine Träne nachweinen möchte.Da glitzert der Drei-Linden-Broadway

Beifallsfreudig wie zu einer Premiere und stehend applaudierend verabschiedeten sich die Besucher der Repertoirevorstellung von den Akteuren.

Ein satter Paukenschlag ist dieser “Graf von Monte Christo” ins Repertoire des Hauses an der Dreilindenstraße und des Ensembles, das immerhin zur Oper Leipzig gehört. Zwischen beiden Häusern macht man sich jetzt Wettbewerb, was so lange gut geht, wenn beide Spielstätten gut besucht sind. Denn da laufen “Rocky Horror Show” und “West Side Story” als Tourneeproduktionen am Augustusplatz. Nur, interessiert es das Publikum, ob es einheimische oder durchreisende Künstler sind?

Operetten-Schutzgebiet

“Man sitzt hier wie auf einer Baustelle”, meinte neulich ein Theaterbesucher, angesichts der Beleuchtungs-Metallgerüste auf dem Rang ohne Stuhlreihen, unter der nicht zu Ende geweißten Saaldecke und den Wandresten der früheren Verkleidung. Stimmt ja auch. Zwar hatte die Stadtverwaltung ein Gutachten zur Finanzierung städtischer Theater und Orchester machen lassen, aber die Bauzustände der Häuser scheinen dabei vergessen worden zu sein.

In einem Internetforum war kürzlich zu lesen, die Musikalische Komödie sei von einer Schließung bedroht. Das war sie eigentlich noch nie ernsthaft – immer dann, wenn jemand dem Haus in der Dreilindenstraße an den Hals wollte, regte sich lautstarker Bürgerprotest.

Nun liegen Aufkleber “Operetten-Schutzgebiet” im Foyer aus.

Meinungen:

“Toll, wie die Sonnenstrahlen durch die bleiverglasten Kirchenfenster und die Knastfenster-Gitterstäbe scheinen!” – “Eine Nummern-Show, wie die modernen Musicals eben so sind!” – “Interessant das Bühnenbild! Wie viele Verwandlungen es da gibt!” – “Der Schluss hat mit dem Roman nicht viel zu tun! Da gab es doch gar nicht so ein Happy End!” – “Warum muss man alle Sänger mit Tontechnik verstärken? Bedenklich ist der Klang, wenn sich der nicht mikrofonverstärkte Chor mit den Sängern abwechselt.” – “Hört der Tontechniker auf dem Rang eigentlich, was für Lärm-Lautstärken unten aus den Boxen kommen?”

Weitere Vorstellungen vom 23. bis 25. Mai, 19., 20. und 22. Juni um und am 3. und 4. Juli immer jeweils um 19.30 Uhr.

Mehr Infos auf der Seite der Oper Leipzig:

oper-leipzig.de/musikalische-komoedie/veranstaltung/details/der-graf-von-monte-christo/

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