Was macht man eigentlich mit einem Preis, der mit Leipzig nichts zu tun hat und dessen Wirkung verpufft? Auch wenn er gut gemeint ist. Aber irgendwie hat auch der Fachausschuss Kultur - oder zumindest einige seiner Mitglieder - das Gefühl, dass der Caroline-Neuber-Preis irgendwie exotisch ist, überregional eigentlich niemanden interessiert.

“In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die Form der Preisverleihung, beginnend mit der laut Statut eingeschränkten Auswahl möglicher Preisträgerinnen bis hin zur Form der Preisvergabe, nicht mehr die gewünschte überregionale Aufmerksamkeit für die Stadt Leipzig erreicht”, stellt der Fachausschuss fest, der zwar in de Regel mit knappen Budgets zu tun hat. Aber wenn es um Preise in Leipzig geht, ist man eher geneigt, noch eine Schippe draufzulegen. “Das Konzept ist in dieser Hinsicht zu überdenken und entsprechend zu verändern”, findet dieser seltsame Fachausschuss. Und weil man eigentlich weder Rat noch Rezept weiß, will man gar noch eine verrückte Spirale mehr drehen: “Es bietet sich an, dem Schauspiel Leipzig, das über entsprechendes Fachpersonal, technische Ressourcen und Know-how verfügt, die Verantwortung für die Preisvergabe zu übertragen.”

Das Schauspiel Leipzig? – Das ist, auch wenn der Intendant nun wechselt, eine untergeordnete Einrichtung der Stadt, ein Eigenbetrieb, der nun seit Jahr und Tag dafür bekannt ist, dass er auf der überregionalen Bühne eher keine Rolle spielt. Unabhängig ist es schon gar nicht.

Aber was macht man eigentlich mit einem Preis, wenn selbst das fachliche Gremium des Stadtrates eingesteht, dass die nötige Fachkompetenz in einer Stadt wie Leipzig nicht vorhanden ist? – Es wünscht sie sich von der Verwaltung. Was umso seltsamer wirkt, als der Fachausschuss gleichzeitig den Antrag stellt, das Budget für den Preis zu erhöhen.

“Die Einzelheiten zur Qualifizierung der Veranstaltung, zur Erhöhung des Preisgeldes und zu den finanziellen Auswirkungen werden in der zu erarbeitenden Vorlage dargestellt”, heißt es im Antrag, den die Mitglieder des FA Kultur am 27. November 2011 gestellt haben und der am 17. April in der Ratsversammlung auf der Tagesordnung steht. Das Problem ist natürlich auch, das die bisherigen Entscheider für den Preis auch eher überfordert waren.

“Die Verantwortung für die Organisation, die inhaltliche Ausgestaltung und die Durchführung der Preisvergabe liegt derzeit ausschließlich beim Kulturamt”, stellt der Fachausschuss fest. Der damit auch seinen Unmut über den Umgang mit dem Preis deutlich macht.

Vergeben wird er auf Grundlage eines Ratsbeschlusses von 1996 seit 1998. 1998 war Jutta Hoffmann die erste Preisträgerin, gefolgt von Inge Keller, Konstanze Lauterbach, Nele Hertling, Karin Henkel, Ann-Elisabeth Wolff, Sasha Waltz und zuletzt 2012 der Intendantin von Kampnagel Hamburg, Amelie Deuflhard.

“Das überarbeitete Statut sollte sich wieder stärker am ursprünglichen Ratsbeschluss 553/96 (insbesondere Beschlusspunkt 4) orientieren, dabei allerdings auf den unbedingten persönlichen Bezug der Preisträgerinnen zur Stadt Leipzig verzichten”, findet der Fachausschuss. Und schielt dabei auf eine überregionale Resonanz. Aber schafft man das mit einer noch so teuren Preisvergabe? Gehört dazu nicht auch Inhalt?Ein Inhalt, den die Leipziger 1996/ 98 noch erfahren konnten, als Frauen in Leipzig richtiges Theater machten. Konstanze Lauterbach inszenierte regelmäßig am Schauspiel Leipzig, Irina Pauls feierte dort mit ihrer Company spektakuläre Premieren und Ann-Elisabeth Wolff sorgte dafür, dass die “euro scene” Kontur behielt bis heute. Die Tanzbühne von Irina Pauls war das erste, was der damalige Schauspielintendant Wolfgang Engel streichen musste, weil der Stadtrat dem Theater ein Sparprogramm auferlegte. Konstanze Lauterbach wanderte ab und feiert heute an anderen Bühnen ihre viel diskutierten Premieren. Ann-Elisabeth Wolff ist noch da und hat die “euro scene” durch zähe Netzwerkarbeit schon ein paar Mal vorm Verglimmen bewahrt.

Leipzigs Problem ist nicht die fehlende Publicity für Preise. Die überregionalen Medien kommen auch dann nicht, wenn das Preisgeld verdoppelt wird und das Schauspielhaus mit rotem Samt ausgepolstert wird. Es interessiert nicht, wenn Leipzig nicht selbst zu einer bekannten Adresse für von Frauen gemachtes Theater wird. Die Idee, den Preis ganz und gar von Leipzig zu lösen, erscheint da geradezu wie ein Narrenstreich.

“Der Preis hat trotz namhafter und sehr unterschiedlicher Empfängerinnen bisher nicht den Status einer national oder gar übernational Aufmerksamkeit erringenden Ehrung. Durch die Erhöhung des Preisgeldes, vor allem aber durch die finanzielle und organisatorische Zuordnung zum Schauspiel Leipzig, welches schon von der Sache her, aber vor allem von den technischen Voraussetzungen prädestiniert für eine solche Preisverleihung ist, kann die Attraktivität des Preises erheblich gesteigert werden. Der städtische Eigenbetrieb verfügt über das entsprechende Fachpersonal, das organisatorische Know How und die technischen Ressourcen, eine überregional wahrnehmbare Veranstaltung der Stadtverwaltung zu organisieren (vgl. auch die Mendelssohn-Preis-Verleihung im Gewandhaus). Der unbedingte Bezug der Preisträgerinnen auf die Stadt Leipzig hat sich als hemmend erwiesen”, begründen die Mitglieder des Fachausschusses ihren Vorstoß.

Es taucht nicht einmal das Stichwort Caroline-Neuber-Festspiele darin auf – solche gibt es in Reichenbach im Vogtland, wo Friederike Caroline Neuber 1697 geboren wurde. Das Wichtigste, was man tun kann, wenn man einen Preis in ihrem Namen vergibt, ist doch wenigstens Theater machen, eine Bühne bereitstellen für Frauen, die professionelles Theater von heute inszenieren.

Andersherum wird es wieder nur einer der Selbstdarsteller-Preise, mit denen ein paar Honoratioren aus Leipzig so tun, als gäbe es hier irgendwo die Kompetenz, weibliches Theaterschaffen bewerten und auszeichnen zu können.

Dass man es nicht kann, bestätigt auch das immer neue Nachbessern an den Modalitäten des Preises, denn vom Beschluss von 1996 wich man schon 2007 ab, als das Statut nachgebessert wurde, ohne inhaltlich auch nur einen Schritt voran zu kommen. Seit 2002 beträgt das Preisgeld übrigens 6.000 Euro. Das Budget für die Preisvergabe insgesamt beläuft sich auf 16.400 Euro.

Das Neuberinhaus in Reichenbach: www.neuberinhaus.de

Caroline-Neuber-Preis: www.leipzig.de/de/buerger/kultur/buehne/preis/index.shtml

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