Junge Eltern verzweifeln. Immer noch jagen sie verzweifelt auf der Jagd nach einem freien Betreuungsplatz für ihr Kind quer durch die Stadt, das Online-Kitaplatz-Portal zeigt lauter Nullen an. Was nicht nur an der Qualität des Portals liegt, sondern daran, dass Leipzig gar nicht so schnell neue Kindertagesstätten bauen kann, wie Kinder geboren werden.

Mehrere Fraktionen versuchen derzeit, der Verwaltung ein nachvollziehbares Verhalten aufzuerlegen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat zur Ratsversammlung am 20. September gleich ein ganzes 11-Punkte-Programm zur Beratung vorgelegt. Zwei Emsige, ein Gedanke, könnte man sagen. Denn parallel hat die SPD-Fraktion ein eigenes Positionspapier erarbeitet – nicht als Ratsvorlage, aber als eine Art Manifest.

Auch mit der erstaunlichen Feststellung: Die Geburtenrate übersteigt endlich wieder die Sterberate. Was leider noch nicht stimmt. Die Sterberate ist auch 2012 noch höher als die Geburtenrate. Und so mancher Verantwortliche in de Stadt ist darüber ganz bestimmt noch froh. 5.490 Geburten gab’s 2011. 2012 könnten es vielleicht 5.600 werden. Zur Jahreshälfte wurden schon 2.666 Geburten gezählt – und im Herbst steigen bekanntlich die Geburtenraten noch jedes Jahr.

2011 gab es aber auch 5.667 Sterbefälle. Sollte die Zahl der Geburten in diese Region steigen, dann wird es noch spannender. Das sind dann – so über den Daumen – noch einmal zwei Kindertagesstätten mehr, die gebraucht werden. Selbst beim jetzigen Ausbautempo von Kindertagesstätten rechnet Sozialbürgermeister Thomas Fabian erst um das Jahr 2020 mit einer wirklichen Entspannung der Lage. Mit einer Einschränkung: Die Leipziger Geburtenrate steigt nicht noch weiter – gar noch auf Dresdner Niveau, als über 6.000 und noch höher. “Im vergangenen Jahr wurden im Dresdner Standesamtsbezirk 7.332 Kinder geboren”, vermeldete Dresden im Januar. Waren zwar auch etliche Kinder aus dem Dresdner Umland dabei – aber sollte Leipzig in solche Regionen vorstoßen, müsste sich die Förderpolitik des Freistaats wirklich radikal ändern. Denn dann schafft Leipzig den Bau neuer Kindertagesstätten und Schulen nicht mehr aus eigenem Vermögen.
Christopher Zenker, Mitglied im Fachausschuss Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule, zum Positionspapier der SPD: “Auch wenn Leipzig unter den deutschen Großstädten eine der höchsten Betreuungsquoten aufweist, dürfen wir uns darauf nicht ausruhen, da noch immer Familien Betreuungsplätze für ihre Kinder suchen. Wir sind der Überzeugung, dass Leipzig nur dann eine wachsende Stadt bleiben kann, wenn Familie und Beruf vereinbar sind. Wir haben deshalb ein Maßnahmenpaket zum schnelleren Ausbau der Kinderbetreuung vorgeschlagen. Um kurzfristig Kapazitäten zu schaffen, müssen Erweiterungen und Neubauten auch in Systembauweise realisiert werden. Um Bauverzüge und den Ausfall von Neubauten zu reduzieren, müssen die Freien Träger beim Baucontrolling besser unterstützt werden sowie Reserveprojekte und alternative Planungen vorbereitet und unterjährig realisiert werden, wenn andere Projekte ausfallen.”

Im Jahr 2012 sollen 2.099 neue Betreuungsplätze in Kitas geschaffen werden, seit 2005 waren es sogar 13.000. Dies entspricht 25 neuen Kitas und 17 Ersatzneubauten.

“Unser klares Ziel ist, dass in Leipzig der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz erfüllt werden kann. Neben neuen Plätzen bei Freien Trägern, die über Betriebskostenzuschüsse finanziert werden, fordern wir jedoch auch, dass die Stadt Leipzig wieder selbst als Bauherr auftritt. Wir erhoffen uns davon mehr städtische Steuerungsmöglichkeiten bei der Vergabe von Plätzen. Hierzu ist auch eine strategische Flächenbevorratung notwendig. Wir brauchen nicht nur Gewerbeflächen sondern auch Flächen für soziale Infrastruktur, denn auch diese werden knapp”, ergänzt Heiko Oßwald, der für die Fraktion im Fachausschuss Finanzen sitzt.

Zusätzlich fordert die SPD-Fraktion den Ausbau der Tagespflege. Hierzu müsse das Vergütungssystem überarbeitet werden, um auch zukünftig qualifizierte Personen für diese Aufgabe zu finden. Ebenso muss jetzt ein Konzept zur Personalabdeckung in Kitas entwickelt werden, um auf den wachsenden Fachkräftebedarf und die Auswirkungen von altersbedingten Abgängen reagieren zu können.

Und dazu kommt ab 2013 auch der von der Bundesregierung beschlossene Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige. Den werden nicht alle jungen Eltern nutzen, schon gar nicht im ersten Jahr, wo die Beziehung zu dem kleinen Geschöpf am intensivsten ist. Aber die Nachfrage wird schon deshalb steigen, weil immer mehr junge Leute als Nachwuchs in der Wirtschaft gebraucht werden. 2010 lag die Betreuungsquote für Kinder von ein und zwei Jahren in Leipzig bei 57 Prozent, 2011 stieg sie schon auf 62, 2013 rechnet die Stadt mit 70 Prozent.

Das erhöht auch den Druck auf die Vermittlung freier Plätze. Deswegen haben die Grünen dazu gleich ein Bündel von Einzelpunkten als Forderung formuliert. Punkt 3: “Der Oberbürgermeister legt bis 31.12.2012 einen Plan vor, wie der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab August 2013 realisiert werden kann.” Punkt 4: “Die Verwaltung befragt ab 01.01.2013 sofort per Geburt oder per Anmeldung beim Standesamt die Eltern nach ihren Kinderbetreuungswünschen. Dies beinhaltet sowohl den voraussichtlichen Zeitpunkt zu dem der Bedarf eintritt als auch den Stadtbezirk in dem die Eltern einen Betreuungsplatz für ihr Kind in Anspruch nehmen wollen.” Punkt 5: “Das KiTa-Platz-Portal www.meinkitaplatz-leipzig.de wird mit Wirkung zum 01.07.2013 zu einer reinen Informationsplattform umgestellt.”

Ziel soll es sein, dass Eltern mit der Geburt des Kindes die Chance bekommen, einen Betreuungsplatz in direkter Wohnortnähe angeboten zu bekommen. Die zentrale Verwaltung der Platzvergabe soll im Jugendamt passieren – auch in alle geförderten freien Einrichtungen hinein. Denn bislang ist die Entstehung der reichen Landschaft freier Träger in der Vermittlung ein Handicap – sie führen eigene Anmeldelisten. Am Kitaplatz-Portal haben viele erst gar nicht mitgearbeitet. Und die jungen Eltern mussten selber die große Runde drehen und überall anrufen, ob es noch ein freies Plätzchen gibt.

Das Positionspapier der SPD-Fraktion findet man unter:
www.spd-fraktion-leipzig.de/images/Positionen/positionspapier_kita2.pdf

www.spd-fraktion-leipzig.de/brennpunkt-positionspapiere.html

Den Antrag der Grünen-Fraktion findet man unter:
http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/2742E62B4313E6A7C1257A7F0036284E/$FILE/V-a-341.pdf

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