Das Kunst- und Bürgerprojekt Lichtfest Leipzig wird am 9. Oktober wieder auf den Augustusplatz einladen, um an den Herbst 1989 zu erinnern. Diesmal in doppelter Hinsicht, steht die Veranstaltung doch unter dem Motto "Brückenschlag von Leipzig nach Danzig" und will gleichermaßen in Polen wie in Deutschland der friedlichen Revolution gedenken.

Eigentlich eine tolle Sache. Doch die deutsche Wortwahl für Gdansk (Danzig) sorgte beim Friedenszentrum Leipzig e.V. für geharnischte Kritik. Sehr zum Befremden der Veranstalter.

In einem offenen Brief wendet sich Dr. Hans-Joachim Wienhold vom Friedenszentrum Leipzig e.V. an die Veranstalter des Lichtfestes. Darin spricht er von einem “großen politischen Fehltritt” hinsichtlich der Benennung der Veranstaltung.

Der Brief im Wortlaut: “Mit der sprachlich unterstellten deutschen Kontinuität der polnischen Stadt Gdansk werden faktisch die Folgen des deutschen Eroberungskrieges gegen Polen und die Nachkriegsregelungen, insbesondere des Potsdamer Abkommens, in Frage gestellt. Diese demonstrative Namensmissachtung polnischer (wie in anderen Fällen tschechischer) Orte findet besondere Zustimmung von Neonazis, die bereits in den 90er Jahren u.a. ‘für eine friedliche Zurückgewinnung des deutschen Ostens’ Aufmarschgenehmigungen in Leipzig erhielten. Die Veranstalter/Träger des o.g. Lichtfestes offenbaren mit ihrem sprachlich-nationalistischen Fehltritt, dass die Nichtanerkennung der Oder-Neiße-Grenze durch die Alt-BRD bis 1970 in Denk- und Sprachweise, gewissermaßen als ehemalige großdeutsche Wetterkarte der ARD, weiter am Leben gehalten wird. Dies kann keinesfalls damit gerechtfertigt werden, dass polnische (oder tschechische) Menschen die fortgesetzte geografische Germanisierung ihrer ehemals deutschen Territorien hinnehmen.

Die Veranstalter/Träger des Lichtfestes 20011 sollten sich ein Beispiel am Schriftsteller Günter Grass nehmen, der von sich sagt, dass er ‘in Danzig geboren wurde, aber jetzt oft zu Gast ist in Gdansk’. In Übereinstimmung mit vielen Leipzigerinnen und Leipzigern, besonders jenen, die auch am 20. August aktiv der erneuten Neonazi-Provokation friedlich Widerstand leisten werden, erwarten wir eine Benennung des Lichterfestes, die auch sprachlich den gebührenden Respekt gegenüber Gdansk und Polen insgesamt zum Ausdruck bringt.”Die Demonstration am 20. August fiel bekanntlich aus. Die L-IZ wollte aber gern die Stellungnahme der Veranstalter des Lichtfestes – Polnische Institut und LTM – abwarten.

Agnieszka Surwi??o-Hahn, die stellvertretende Direktorin des Polnischen Institutes in Leipzig dazu: “Das Polnische Institut unterstützt den polnischen Schwerpunkt beim Lichtfest 2011 in Leipzig. Die Schreibweisen sind in Absprache zwischen den beiden Städten festgelegt. Wir haben das Schreiben von Herrn Dr. Wienhold an den Hauptveranstalter LTM weitergeleitet.”

Konfrontiert mit diesem offenen Brief reagierten die Veranstalter in Person von Volker Bremer, Geschäftsführer der LTM GmbH, und Tobias Hollitzer, Sprecher der Initiative Tag der Friedlichen Revolution, eher gelassen. Auf Anfrage der L-IZ äußerten sich Volker Bremer und Tobias Hollitzer wie folgt: “Da wir Leipziger im Herbst 89 gemeinsam nicht zuletzt auch für das Recht auf freie Meinungsäußerung demonstriert haben, hat Herr Dr. Wienhold heute natürlich die Möglichkeit, sich in dieser Form öffentlich zu äußern. Wir möchten unsere Antwort jedoch gern weg von der sehr polemischen Form hin zu Sachargumenten lenken.Grundsätzlich ist es durchaus üblich, dass Städtenamen für Großstädte in unterschiedlichen Landessprachen an die eigenen Sprechgewohnheiten und Aussprachen angepasst werden. Wir möchten hierfür nur einige Beispiele anführen: Im Englischen sagt man Munich für München, im Deutschen nennt man die italienischen Städte Firenze Florenz und Milano Mailand. Die Italiener nennen Leipzig Lipsia. Im Englischen sagt man Moscow, im Deutschen Moskau zu einer Stadt, die in ihrem russischen Heimatland Moskva heißt. Es gäbe noch unzählige weitere Beispiele anzuführen, die alle fest im jeweiligen Sprachgebrauch verankert sind. Niemand würde dabei eine Herabwürdigung vermuten oder gar Besitzansprüche ableiten. Und wenn unser polnischer Nachbar die Stadt Leipzig auf Polnisch Lipsk nennt, ist dies völlig normal und keiner käme auf die Idee, dass deshalb unsere polnischen Nachbarn die Grenze nicht akzeptieren.

Sicherlich äußerte Herr Dr. Wienhold seine Bedenken vor dem Hintergrund der deutschen Vergangenheit und der daraus resultierenden besonderen Sensibilität im Umgang mit unseren Nachbarn. Wir möchten in diesem Zusammenhang darauf verweisen, dass das Themenjahr Polen zum Lichtfest 2011 sehr bewusst gewählt wurde. Immer wieder wurde auch in der Kommunikation durch alle beteiligten Partner darauf verwiesen, dass im 20. Jahr der Deutsch-Polnischen Nachbarschaftsverträge dies auch ein bewusstes Signal ist, welch unverrückbare Selbstverständlichkeit die Anerkennung der Grenzen darstellt.”

So habe man sich, laut Veranstalter, nichtsdestoweniger im Vorfeld mit den polnischen Partnern über die sprachliche Regelung abgestimmt. Die Veranstalter weiter: “Für unsere polnischen Partner war es dabei eine Selbstverständlichkeit, dass im Deutschen die in der Sprache übliche Form der Städtenamen, also Leipzig und Danzig und im Polnischen die in der Sprache übliche Form der Städtenamen, also Gdanks und Lipsk verwendet werden.”

Schließlich zitieren die Veranstalter den Marschall der Woiwodschaft Pommern in seiner Zusage zur Übernahme der Schirmherrschaft, in der es unter anderem heißt: “Ich freue mich sehr darüber, dass die diesjährige Auflage dieser besonderen Bildungs- und Kulturveranstaltung nicht nur in Leipzig, sondern auch in Danzig stattfinden wird, in der Stadt, die ein Symbol für die politische Wende in Europa ist.” Damit dürfte dieser Schatten nun endgültig vom Lichtfest 2011 genommen sein.

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