Der 10. September ist auch in diesem Jahr wieder Welt-Suizid-Präventionstag. Ein Tag zum Nachdenken. Ganz sicher. Denn jede Selbsttötung stellt die Welt der Mitlebenden in Frage. Was ist da falsch gelaufen? Stimmt etwas nicht mit unserer Gesellschaft? 2010, so vermeldet das Landesamt für Statistik, stieg die Zahl der Suizide in Sachsen um 1,9 Prozent.

Das sind zwölf Fälle mehr als 2009. Insgesamt 636 Menschen setzten in Sachsen im Jahr 2010 ihrem Leben selbst ein Ende, 478 Männer und 158 Frauen. Die Suizidrate betrug 15,3 Suizide je 100.000 Einwohner. 2009 waren es 14,9, bzw. 624 Fälle, 2008 gab es 616 Fälle (Suizidrate: 14,6). Was schon einmal ein Trend ist. Und auch einer, der verblüfft. Denn landläufig geht man ja davon aus, dass derlei endgültige Entschlüsse von Menschen gefasst werden, wenn es einer Gesellschaft schlechter geht.

Doch 2009, 2010 – das waren Jahre des Aufschwungs. Auch Sachsen arbeitete sich mühsam wieder aus dem Krisental. Mehr Menschen bekamen Arbeit. Sogar die Geburtenrate stieg. Doch das heißt wohl nicht wirklich, dass es mehr Menschen besser geht.

75 Prozent aller Suizide wurden von Männern verübt. Das ist ein altbekannter Wert. Männer greifen statistisch konstant zu drastischeren Mitteln. Das ergibt eine Suizidrate von 23,5 Selbsttötungen je 100.000 männlichen Einwohnern – was immerhin ein Rückgang gegenüber 2009 um 0,5 Punkte bedeutet. Aber dieses Verhältnis trifft so nicht auf alle sächsischen Regionen zu. Das könnte zu denken geben.

Die meisten Suizide gab es in der Altersgruppe der 50- bis unter 60-Jährigen (101).

Und auffällig: Bei Frauen stieg die Suizidrate von 6,2 auf 7,4 Suizide je 100.000 Einwohner an, das entspricht einer Zunahme um 25 Fälle. Womit der Anstieg der Selbsttötungen in Sachsen deutlich auf diese Zunahme von Selbsttötungen bei Frauen zurückgeht.

Sechs Prozent der Suizide wurden von unter 25-Jährigen begangen.

Häufigste gewählte Todesart bei Männern als auch bei Frauen war “Erhängen, Strangulierung oder Ersticken” (56 Prozent), vor “Vergiftung” (17 Prozent) und “Sturz in die Tiefe” (8 Prozent).

Im Jahresverlauf wurden die meisten Suizide im Monat März (72), die wenigsten im November (39) verübt.Dass die Suizide etwas mit der Perspektiventwicklung der Regionen zu tun haben, zeigt der Blick auf die Landkarte: Im Vergleich der Kreisfreien Städte und Landkreise hatte der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge mit 20,6 Suiziden je 100.000 Einwohner die höchste Suizidrate, der Landkreis Görlitz mit 11,5 die niedrigste Suizidrate zu verzeichnen.

Vor der letzten Kreisreform war stets der Landkreis Döbeln der einsame Spitzenreiter bei den Suizidraten, er fiel auch im deutschlandweiten Vergleich auf. Doch unübersehbar hat der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge auch die langjährige Suizidrate des ehemaligen Kreises Döbeln übertroffen. Dass das etwas mit demographischer Entwicklung zu tun hat, zeigt der Vergleich, denn der Kreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge gehört zum Dresdner Einzugsgebiet und verliert seine junge Bevölkerung an die sächsische Hauptstadt, die mit 74 Selbsttötungen eine der niedrigeren Suizidraten in Sachsen hat: 14,3.

Ein ähnliches Verhältnis besteht zwischen der Großstadt Leipzig, die nach Görlitz und Meißen (Suizidrate: 12,2) die drittniedrigste Suizidrate mit 12,7 aufweist, während ihre zugehörigen Landkreise Leipzig und Nordsachsen mit Raten von 19,0 und 18,3 die zweit- und dritthöchsten Suizidraten in Sachsen aufweisen.

Auffällig ist, dass der Anteil der Männer bei den Selbsttötungen in den Landkreisen noch viel höher ist als die durchschnittlichen 75 Prozent. In den Großstädten Dresden und Leipzig ist hingegen der Anteil der Selbsttötungen von Frauen höher als im sächsischen Durchschnitt.

Zum Anstieg der Suizidzahlen 2010 hat übrigens auch Leipzig beigetragen: Die Zahl stieg von 60 im Jahr 2009 auf 66 im Jahr 2010, davon 41 Männer und 25 Frauen. Die Zahl lag trotzdem noch deutlich unter den 77 Fällen, die 2008 gezählt wurden. Die Leipziger Suizidrate war in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken, weil vor allem die Suizide bei den über 60-Jährigen weniger wurden.

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