"Präventionsprojekt Dunkelfeld" nennt sich passenderweise ein Angebot der Leipziger Ambulanz der Uniklinik im Rahmen des vorbeugenden Projektes "Kein Täter werden". Männern mit pädophiler Neigung wird hier unter Beachtung der Schweigepflicht seit Donnerstag therapeutische Hilfe angeboten.

Unterstützt wird das Projekt von der Kinderschutzstiftung “Hänsel + Gretel” sowie von Sachsens Sozialministerin Christine Clauß. Ziel ist es, Sexualstraftaten an Kindern sowie die Nutzung von Kinderpornografie bereits im Vorfeld zu verhindern. Männer, die auf Kinder gerichtete sexuelle Fantasien bei sich feststellen, aber keinesfalls Übergriffe begehen wollen, können sich für eine Therapie in der Abteilung für Sexualmedizin der Universitätsmedizin Leipzig melden. Das Forschungs- und Präventionsprojekt startet am 19. Oktober 2011 und wird vom Sächsischen Sozialministerium zunächst bis Ende 2012 finanziert. Es orientiert sich am gleichnamigen Pilotprojekt, das es seit 2005 an der Berliner Charité und mittlerweile auch in Kiel sowie in Regensburg gibt.

“Die Arbeit unserer Kollegen aus Berlin, Kiel und Regensburg zeigt, dass dieses Therapieangebot Menschen mit pädophiler Neigung dabei helfen kann, keine Übergriffe auf Kinder zu begehen”, so Prof. Dr. Henry Alexander, Leiter des Präventionsprojektes in Leipzig.

“Das Projekt bietet die große Chance, gefährdete Männer zu erreichen, bevor sie aufgrund ihrer Neigung Missbrauchstaten an Kindern begehen. Tätertherapie ist der beste Opferschutz!”, sagte Christine Clauß, Sachsens Staatsministerin für Soziales und Verbraucherschutz, zum Start des Projekts.

Das Sächsische Staatsministerium finanziert das Angebot der Universität Leipzig deshalb mit etwa 100.000 Euro pro Jahr. Geschäftsführer Jerôme Braun von “Hänsel + Gretel” zu dem Engagement seiner Organisation: “Vorbeugende Maßnahmen sind der beste Kinderschutz, dies gilt ganz besonders für potentielle pädophile Täter. Jede verhinderte Tat schützt ein Kind. ‘Hänsel + Gretel’ unterstützt deshalb seit Jahren das bundesweite Forschungsprojekt ‘Kein Täter werden’ und ab sofort auch die Therapie von potentiellen Tätern in Sachsen.”Die Therapie integriert verhaltenstherapeutische und sexualmedizinische Ansätze, die die Möglichkeit einer medikamentösen Unterstützung beinhalten. Interessenten, die sich um einen der Therapieplätze bewerben wollen, sollten folgende Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen hinsichtlich ihrer pädophilen Neigung über ein Problembewusstsein verfügen und aus diesem Grund von sich aus und ohne gerichtlichen Druck therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen wollen. Werden sie in das Projekt aufgenommen, können sie kostenlos und durch die therapeutische Schweigepflicht geschützt sowohl eine diagnostische Abklärung ihres Problems als auch therapeutische Unterstützung in Anspruch nehmen.

Mit Hilfe einer PR- und Medienkampagne werden Männer, die auf Kinder bezogene sexuelle Impulse verspüren, auf die vorbeugende Therapiemöglichkeit aufmerksam gemacht. Das Motto der Kampagne lautet: “Damit aus Fantasien keine Taten werden!”

Professor Henry Alexander bringt das Ziel der Anzeigen und des TV-Spots auf
den Punkt: “Betroffene Männer sollen die Botschaft erhalten ‘Du bist nicht schuld an Deinen sexuellen Gefühlen, aber Du bist verantwortlich für Dein sexuelles Verhalten! Es gibt Hilfe! Werde kein Täter!'”

Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge haben bis zu 1 Prozent der Männer auf Kinder gerichtete sexuelle Fantasien. Das bedeutet, dass bei ihnen eine teilweise oder ausschließliche sexuelle Neigung im Sinne einer Pädophilie vorliegt. Demnach fühlen sich in Deutschland ca. 250.000 Männer zwischen 18 und 75 Jahren zu Kindern sexuell hingezogen.Die Ursachen einer Pädophilie sind weitgehend unbekannt. Tatsache dagegen ist, dass viele der Betroffenen – in der großen Mehrheit Männer – erhebliche Schwierigkeiten haben, mit ihrer sexuellen Präferenz zu leben. In der Regel treten Unsicherheiten oder Ängste auf, wenn sie ihre Neigung erstmals bemerken.

Viele der Betroffenen erkennen das Auftreten sexueller Gedanken an Kinder als Problem und wissen, dass deren Umsetzung tabu ist. Gleichzeitig fällt es ihnen schwer, mit diesem Wissen umzugehen. Die Neigung belastet Beziehungen zu (Sexual-)Partnern oder macht sie oft unmöglich. Fest steht: Es kann zu vielfältigen Problemen in der normalen Lebensführung kommen. Vielen gelingt es nicht, ihre Neigungen dauerhaft zu kontrollieren. Sie begehen sexuelle Übergriffe auf Kinder oder nutzen Missbrauchsabbildungen im Internet (sog. Kinderpornografie). Diese Handlungen haben nicht nur für die Opfer schwerwiegende körperliche und seelische Folgen, sondern sind zudem Straftaten, die erhebliche gesellschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Bisher fehlte es in der Regel an sachkundigen und vertrauensvollen Ansprechpartnern, die den Betroffenen helfen, verantwortungsvoll mit ihrer Neigung zu leben. Dies kann nur gelingen, wenn professionelle Hilfe in Anspruch genommen wird und eine Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität stattfindet.

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