Um die halbe Welt an einem Nachmittag. Wer an diesem Sonnabend, 17. November, an einer Führung des Vereins Stadt Karawane teilnimmt, kann drei verschiedene Glaubensrichtungen "zu Hause" besuchen. Tobias Große vom Stadtkarawane-Team im L-IZ-Interview über "Stadt und Glauben", das Thema des Tages der Stadtgeschichte 2012.

Herr Große, gemeinsam mit anderen haben Sie das studentische Projekt “Stadt Karawane” in Leipzig ins Leben gerufen. Worum geht es dabei?

Die Stadt Karawane hat es sich zum Ziel gesetzt, menschliche Begegnungen zu ermöglichen, die im Alltag sonst nicht stattfinden. Unseren Besuchern wollen wir mit den über 50 Gastgebern der Stadt Karawane alternative Sichtweisen und Lebenskonzepte vorstellen, die im besten Fall dazu inspirieren, das eigene Leben neu zu entdecken.

Nun erfordert es schon ein bisschen Mut und ist nicht immer ganz leicht, sich auf eine solche Erfahrung einzulassen. Deshalb sind die Anlässe, sich bei uns anzumelden, wahrscheinlich auch so unterschiedlich.

Inwiefern?

So sind wir für Touristen eine “alternative Stadtführung”, nicht zu selten das Geburtstagsgeschenk eines guten Freundes, oder eventuell auch der Betriebsausflug, zu dem der Arbeitgeber dieses Jahr einlädt.

Konkret dreht sich immer alles um drei Gastgeber, die man in kleinen Gruppen zu Hause oder am Ort ihres Wirkens besucht. Von einer an den Rollstuhl gebundenen Dame über den ausgestiegenen Althippie bis hin zum katholischen Pfarrer sind viele Menschen vertreten, die wirklich etwas Essenzielles zu sagen haben oder einem die eine oder andere spannende Erfahrung ermöglichen. Wer sich traut, bekommt beispielsweise selbst die Möglichkeit, eine Runde im Rollstuhl durch Leipzigs Straßen zu drehen.Nun durchziehen Karawanen gemeinhin Wüsten. Für wie wüst halten Sie denn Leipzig im Allgemeinen, und speziell in Geschichts- und Glaubensdingen?

Ich persönlich wohne erst seit zwei Jahren in Leipzig und bin damit wie alle Mitglieder des Stadt Karawane Teams ein “Zugezogener”. Nach der kurzen Zeit, die ich hier lebe, würde ich Leipzig aber alles andere als wüst bezeichnen. Im Vergleich zu den anderen deutschen Städten, in denen ich gelebt habe, bemerke ich eine Aufbruchstimmung und eine große Bereitschaft, alternative Lebens- und Arbeitskonzepte auszuprobieren und zu verwirklichen.

Auch in Sachen Glauben tut sich einiges. Ich denke da nur an den interreligiösen Gesprächskreis um Dr. Timotheus Arndt, der immer wieder Praktizierende aus den verschiedensten Religionen an einen Tisch bringt, um Gemeinsamkeiten wie Unterschiede zwischen den verschiedenen spirituellen Wegen herauszuarbeiten. Ich persönlich bin sehr gespannt auf die nächsten Jahre in Leipzig und habe ein gutes Gefühl bezüglich der Richtung, in die es geht.

Mit Ihrem Teilprojekt “Die Religionen der Welt in Leipzig” ist die Stadt Karawane Teil des diesjährigen “Tages der Stadtgeschichte” zum Thema “Stadt und Glauben”. Wie kam es dazu?

Die Stadt Leipzig, und insbesondere Sebastian Kusche vom Stadtarchiv, sind auf uns zugekommen und haben dieses Format mit inspiriert beziehungsweise uns beauftragt, die Veranstaltung als Partner der Stadt Leipzig auszurichten. An dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank für das Vertrauen in unseren Verein.

Was genau bieten Sie Geschichts- und Glaubensinteressierten bei Ihrem Stadtrundgang am 17. November an?Alle angemeldeten Teilnehmer werden an diesem Samstag die Möglichkeit bekommen, drei verschiedene Glaubensrichtungen “zu Hause” zu besuchen. In kleinen Gruppen von drei bis sechs Personen ziehen die Besucher, geführt von einem Guide aus dem Stadt Karawane Team, durch die Stadt und besuchen Gastgeber wie die Hare Krishna Mönche aus dem Bhakti-Yoga Zentrum, die vietnamesisch buddhistische Gemeinde aus der Kamenzer Straße oder das Leipziger Zentrum für islamische Kultur und Forschung.

In einem offenen Gespräch wird zunächst die Religion vorgestellt, bevor dann alle Fragen erlaubt sind. Die Veranstaltung beginnt um 13 Uhr und wird circa vier bis fünf Stunden dauern. Wir hoffen, dass sich dem ein oder anderen auf diese Weise ein persönlicher Zugang zu vielleicht – auf den ersten Blick – fremd erscheinenden Lebens- und Glaubenswelten erschließt.

Alle Interessierten können sich kostenlos unter www.stadtkarawane.de anmelden.

Für Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781), einen geistigen Vorkämpfer für Toleranz und interkulturelles Verstehen, war Leipzig ein “Ort, wo man die ganze Welt im Kleinen sehen kann”. Ließe sich das aus Ihrer Kenntnis heute auch so sagen?

Definitiv, Leipzig ist im Hinblick auf seine internationale Privatkultur eine sehr interessante Stadt.

Unter anderem deshalb hat der Stadt Karawane e.V. auch ein neues Format entwickelt: “Die ganze Welt in deiner Stadt”. Man muss nicht in den Urlaub fahren, um fremde Kulturen kennen zu lernen. Es wohnen superinteressante Menschen aus aller Herren Länder direkt bei uns um die Ecke.

Menschen, die unsere Sprache sprechen und nicht vom Tourismus genervt sind. Nein, ganz im Gegenteil. Viele freuen sich, wenn Deutsche sich für ihre Kultur interessieren und das Thema der Integration damit von hinten aufsatteln. In diesem Sinne sind wir absolut Lessings Meinung und hoffen, viele Leipziger begeistern zu können, durch ihre eigene Stadt zu reisen.

Vielen Dank für das Gespräch.

www.stadtkarawane.de/religionen

www.stadtkarawane.de/projekt/idee

www.leipzig.de/stadtgeschichte

www.leipzig.de/imperia/md/content/10-9_stadtarchiv/faltblatt_tdst_2012_stadt_und_glauben_komprimiert.pdf

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