So mancher Leipziger schaute am frühen Morgen des 16. September 2013 etwas verdutzt aus der Wäsche: Einige Leipziger Denkmale sahen doch etwas anders aus. Irgendwie. Kann das sein, dass da irgendjemand dem Herrn Wagner etwas umgehängt hatte? Etwas Gelbes? - Das Bekennerschreiben erreichte die L-IZ am frühen Nachmittag: "Skandal in Leipzig", so machte eine Aktionsgruppe namens "We pimp Art" auf sich aufmerksam.

Mancher kennt die englische Formel “to pimp something” zum Beispiel aus der Fahrradwelt. “To pimp my bike” heißt es da, wenn man sein Fahrrad ein bisschen aufmotzt. Die anonymen Kunst-Aufmotzer haben jetzt einige bekannte Denkmale in der Leipziger Innenstadt adoptiert und ihnen gelbe Umhängetaschen – ein wenig so wie die seinerzeit aus den Olympia-Wimpeln hergestellten Plastiktaschen – über den Hals gestülpt. Nicht nur der im Mai feierlich enthüllte Richard Wagner am Dittrichring darf nun erleben, wie man sich als junger Mensch mit Tasche im 21. Jahrhundert fühlt, auch das Faust-Mephisto-Denkmal in der Mädlerpassage wurde bedacht und die “Unzeitgemäßen Zeitgenossen” in der Grimmaischen Straße waren auch mal wieder dran.
Das “Bekennerschreiben”:

“Sehr geehrte Redaktion,

Wir sind die Generation Umhängetasche und wir haben heute einen kulturellen Dialog der besonderen Art in Gang gesetzt.

Wir adoptieren Denkmale und Kunstwerke. In Leipzig (z.B. Wagner), Stuttgart und weiteren Großstädten haben wir Denkmale und Skulpturen adoptiert, indem wir sie mit dem Ausdruck urbaner Lebensfreude und kommunikativer Individualität versehen haben: der Umhängetasche.
Wir wollen damit deutlich machen, dass auch statische Kunst Teil eines dynamischen Prozesses ist. Kultur im öffentlichen Raum lädt ein zum Dialog. Leider wird eine solche Einladung viel zu wenig angenommen. Das möchten wir ändern.

So wie guerilla gardening sich auf öffentliche Flächen mit dem Anspruch einer anderen Nutzung bezieht, nehmen wir für uns die Kultur des öffentlichen Raums als Referenzpunkt in Anspruch.

Gemäß der Devise von Stephan Balkenhol, wonach seine Skulpturen keine Geschichten erzählen, sondern das Geheimnisvolle in ihnen durch die Zuschauer zu entdecken sei, möchten wir die Sicht auf die Kunstwerke verändern, indem wir ihnen ein weiteres Geheimnis hinzufügen.

Der so entstehende Perspektivenwechsel bewirkt bereits eine wesentliche Veränderung im betrachtenden Subjekt, es zwingt es nämlich zu Aufgabe einer eingeschliffenen Gewohnheit und die Frage stellt sich ein: was soll das?

Wir hoffen auf rege Debatte. Nicht unsere Antwort ist das Ziel, sondern die sich entwickelnde Dynamik in Bezug auf eine Störung herrschender Sehgewohnheiten.
Ändert eure Gewohnheiten, wechselt die Perspektive!

Bunte Grüße”

“We pimp Art” hat auch eine Website – ganz rudimentär. Aber mit Manifest:

www.wepimpart.com

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