Seit 2008 gibt es ihn, den "Tag der Stadtgeschichte", damals noch von einem Dutzend engagierter Geschichtsvereine aus der Taufe gehoben, um schon mal an ein Ereignis zu erinnern, das es in der Geschichte einer Stadt nur einmal gibt: das 1.000. Jahr der Ersterwähnung. Die "Tage der Stadtgeschichte" beschäftigen sich jeweils mit einem besonderen Thema - 2012 war es die Religion. 2013 ist es - aus gegebenem Anlass - der Krieg.

“Stadt und Krieg” sind die drei Tage vom 7. bis 9. November überschrieben. Der Donnerstag und der Freitag, 7. und 8. November, sind dabei der Tagung im Ratsplenarsaal vorbehalten, die eigentlich eine Serie von 13 Vorträgen ist, die sich alle direkt oder indirekt mit den Kriegen in der Leipziger Geschichte und mit deren Folgen für die Stadt und ihre Bevölkerung beschäftigen. Am Donnerstag, 7. November, um 17.30 Uhr gibt es außerdem eine Buchpremiere. Dann wird von Prof. Enno Bünz, Prof. Armin Kohnle und Dr. Gerald Diesener der Tagungsband mit den Ergebnissen von 2012 vorgestellt: “Das religiöse Leipzig”.

Außerdem gibt es zwei Führungen in zwei Leipziger Bauwerken, die in der Kriegs- und Militärgeschichte Leipzigs eine Rolle spielen. Die erste am Freitag, 8. November, um 15 Uhr findet im Neuen Rathaus statt, das auf den Grundmauern der 1899 abgerissenen Pleißenburg errichtet wurde. Nicht nur der Unterteil des alten Schlossturms blieb erhalten, auch die Kasematten können noch – in fachkundiger Begleitung – besichtigt werden. Das tut in diesem Fall Dr. Peter Leonhardt, der unter dem Motto “Bürgerliche Repräsentation auf fürstlichem Schlossgrund” einlädt zur Führung durchs Neue Rathaus, die Kasematten und auf den Rathausturm. Auf dem Einladungsflyer ist der Turm der Pleißenburg zu sehen, der im 30-jährigen Krieg zur Zielscheibe der Belagerer wurde.

Am Samstag, 9. November, um 10 Uhr gibt es mit Steffen Poser, dem Leiter des Völkerschlachtdenkmals, eine Führung hinter die Kulissen des sanierten Völkerschlachtdenkmals. Für beide Führungen kann man sich während der Tagung anmelden.

Ein Höhepunkt der Tagung wird am Donnerstag, 7. November, um 19 Uhr der Vortrag von Prof. Harald Meller, dem Cheflandesarchäologen von Sachsen-Anhalt, der über moderne “Schlachtfeldarchäologie in mitteldeutscher Perspektive” berichtet. Ein Thema, das Prof. Ulrich von Hehl, Mitveranstalter des Tages der Stadtgeschichte und Mitarbeiter an der für 2015 geplanten großen Stadtgeschichte, begeistert. Gerade sei ja ganz aktuell im Landesmuseum Braunschweig die Ausstellung “Roms vergessener Feldzug. Die Schlacht am Harzhorn” zu sehen, die die archäologischen Befunde eines erst 2008 entdeckten Schlachtfeldes dokumentiert. Diese erzählen von einer Schlacht mit drei römischen Legionen im 3. Jahrhundert, die bislang in keiner schriftlichen Quelle erwähnt wurde.

Andere Schlachtfelder sind bestens dokumentiert – wie das der Leipziger Völkerschlacht. Hier müssen Archäologen nicht erst die Kelle schwingen. Anders, so Hehl, verhält es sich schon mit den drei wichtigen Schlachten des 30-jährigen Krieges, die direkt vor Leipzig stattfanden – zwei in Breitenfeld, die andere war jene bei Lützen, in der der schwedische König Gustav Adolf sein Leben verlor. Hier sind die Schlachtfeldarchäologen aus Sachsen-Anhalt am Werk und können die eher widersprüchlichen schriftlichen Quellen nun durch eindeutige Befunde direkt vom Schlachtfeld korrigieren.
Für Ulrich von Hehl ist das Thema Krieg eines, das – wie etwa Religion, Schule oder Wirtschaft – alle geschichtlichen Epochen seit 1015 abdeckt. “Es ist auch so, dass wir uns klar machen müssen, dass der Normalzustand in der Geschichte bis zu Napoleon nicht der Frieden war, sondern der Krieg.” Dass die Leipziger nun seit fast 70 Jahren in einer Friedensphase leben, sei – historisch betrachtet – eine Ausnahme.

Gerade in Leipzig. Denn das flache Terrain lud große Heerführer immer wieder ein, hier ihre Schlachten zu schlagen. Thematisiert werden in den Vorträgen am 7. und 8. November unter anderem die Hussitenkriege, der 30-jährige Krieg, der Siebenjährige Krieg, die Völkerschlacht, indirekt – über das Siegesdenkmal – auch der deutsch-französische Krieg von 1871. Und eine gewisse Faszination will auch Ulrich von Hehl selbst verbreiten, wenn er am Freitag, 8. November, um 9 Uhr über “Leipzig im Ersten Weltkrieg” erzählt. Ein Thema, das jetzt gerade spannend zu werden beginnt, den 2014 jährt sich der Kriegsbeginn ja zum 100. Mal. Doch während bislang meist der Krieg selbst und der Kriegstaumel im August 1914 im Zentrum der Erzählung stand, lenkt von Hehl den Blick auf die Stadt und die spätestens 1916 um sich greifende Not und die damit verbundene Kriegsmüdigkeit, die sich dann 1918 auch in den Konflikten entladen sollte, die die Geburt der Weimarer Republik begleiteten.

Der 2. Weltkrieg ist dann gleich in drei Vorträgen Thema: Zwangsarbeit, Rüstungsstadt und zerstörte Infrastruktur.

“Auf ungefähr die Hälfte der Themen haben wir verzichtet”, sagt Ulrich von Hehl. Der Zeitdruck wäre einfach zu groß, wenn auch noch über das ein oder andere Thema diskutiert werden soll. Das aber sei mit den Autoren abgesprochen. Die entsprechenden Beiträge würden dann 2014 im Tagungsband mit veröffentlicht.

Eine Zugabe gibt es noch: Am Freitag, 8. November, um 18 Uhr wird in der Alten Börse am Naschmarkt noch einmal Maja Chrenkos Szenische Collage zur Völkerschlacht “Ein einziges langes Donnergebrüll” gezeigt. Womit sich der Kreis dann schließt, denn der 200. Jahrestag dieser Schlüsselschlacht der modernen europäischen Geschichte war es ja, der die Organisatoren des “Tages der Stadtgeschichte” bewog, diesmal den Krieg und seine Folgen für die Stadt in den Mittelpunkt der Tagung zu stellen.

Zuhören und dabei sein darf übrigens jeder – Schüler und Lehrer sind besonders erwünscht. Man muss auch nicht alle Vorträge absitzen, kann sich ruhig auch das Thema herauspicken, das einen besonders interessiert. Eintritt wird keiner erhoben. Kaffee- und Mittagspausen sind eingeplant. Einen Büchertisch gibt es auch.

Tag der Stadtgeschichte 2013: www.leipzig.de/buergerservice-und-verwaltung/unsere-stadt/stadtgeschichte/tag-der-stadtgeschichte/tag-der-stadtgeschichte-2013/

Die braunschweigische Landesausstellung zu den Ausgrabungen am Harzhorn: www.3landesmuseen.de/Landesausstellung-2013.994.0.html

Schlachtfeldarchäologie in Sachsen-Anhalt: www.lda-lsa.de/filme/schlachtfeldarchaeologie/schlachtfeldarchaeologie_in_sachsen_anhalt/

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