Grammatik ist langweilig und Sprache hat mit Emanzipation nichts zu tun. Das änderte sich 1984. Im Westen der Republik wurde ?Das Deutsche als Männersprache (1984)? der Feministin und Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch konspirativ von Schülerinnengruppen unter der Bank gelesen. Das Buch war ein Paukenschlag und Luise F. Pusch mit ihrer feministischen Sprachkritik galt der Frauenbewegung als wegweisend. Im Rahmen der Buchmesse kommt Professorin Luise F. Pusch am Donnerstag, 13. März, um 18:00 Uhr in den Hörsaal 8 der Uni Leipzig, um aus ihrem neuen Buch ?Gerecht und Geschlecht? vorzutragen.

Vorher fand die Sprachikone Zeit für ein Interview mit Vera Augspurg.

Leipzig und dann gleich die ganze Republik waren 2013 in heller Aufregung, weil die Universität Leipzig konsequent das generische Femininum eingeführt hat. Wie erklären Sie sich, dass das generische Femininum mehr Aufmerksamkeit bekommt, als die Frage nach einer nachhaltigen bundesweiten Finanzierung von Frauenhäusern?

Das generische Femininum an der Uni Leipzig ist ein Faktum und die nachhaltige bundesweite Finanzierung von Frauenhäusern nur eine Frage. Als das generische Femininum vor 25 Jahren nur ein Vorschlag von mir war, hat auch niemand danach gekräht. Sollte die bundesweite nachhaltige Finanzierung von Frauenhäusern jemals Wirklichkeit werden, wird es ein gewaltiges Geschrei geben. Denn gute Frauenpolitik erkennen wir am Geschrei der Männer. Und damit sind wir schon bei Punkt zwei: Von dem generischen Femininum sind Männer betroffen, und zwar negativ – wie sie meinen. Denn in unserer Herrenkultur ist das Weibliche zweitrangig und daher die Feminisierung des Mannes gleichbedeutend mit Deklassierung.

“Wie schon der alte Cato sagte: Wenn wir die Frauen gleichstellen, sind sie uns überlegen.” So kann ich es auf Ihrer Website nachlesen. Beschreiben Sie doch bitte die zwei effektivsten Strategien von Männern, Frauen von der Macht fernzuhalten.

Bei den Männerstrategien stehen folgende zwei Strategien ganz oben: Die Selbstvergottung oder auch symbolische Gewalt und die sexuelle Gewalt.

Zur Selbstvergottung: In patriarchalen Religionen wie dem Judentum, Christentum, Islam, etc., ist das herrschende Personal männlich, ob Jahwe, Gottvater oder Gottes Sohn, ob Allah oder sein Prophet. Ihre Heiligen Schriften legen fest, dass die Frau ein Werkzeug des Teufels ist, bestenfalls die Gehilfin des Mannes. Wie schön für die Männer. Männersprache ist ein wichtiger Teil der symbolischen Gewalt.

Nun zur zweiten Strategie, (Sexuelle) Gewalt und Gewaltbereitschaft. Zwei gewaltbereite Männer mit Schusswaffen können ein Dorf mit 500 EinwohnerInnen leicht beherrschen und unterwerfen. Ein paar bewaffnete SS-Männer konnten in den Konzentrationslagern Tausende von Menschen unterjochen und ermorden lassen. In unserer Herrenkultur haben Männer traditionell das Waffenmonopol. Speziell gegen Frauen benutzen sie auch ihr Sexualorgan als Waffe. Ihre Gewaltbereitschaft dient der Erzeugung von Angst und dem Machtgewinn oder -erhalt.
…und wie sehen die zwei effektivsten Strategien für Frauen aus, an die Macht zu kommen?

Die Strategien der Männer würden auch Frauen an die Macht bringen, aber Frauen haben offenbar wenig Neigung, sie anzuwenden. Sie wollen nicht unbedingt an die Macht kommen und über die Männer herrschen, sondern sie beanspruchen nur ihren fairen Anteil an der Macht. Zu diesem Ziel führen viele Wege. Die beiden aussichtsreichsten Strategien sind für mich einmal, Männern die Unterstützung, inklusive der “Liebe”, zu entziehen und diese ausschließlich Frauen zukommen lassen und als zweite Strategie sehe ich Frauenbündnisse, wie “Frauen helfen Frauen”, “Frauen fördern Frauen”, “Frauen nehmen Frauen mit”. Und Umgang nur mit nachweislich solidarischen Männern pflegen.

Letztlich sehe ich noch die fairen Mittel, mit denen der Mann vom Sockel geholt wird – durch effektive Selbstverteidigung und/oder die Quote.

Einer der beliebtesten Sätze in Vorträgen, Vorworten und Ansprachen ist: “Die Frauen dürfen sich herzlich mitgemeint fühlen.” Sie geben in einer Glosse Ihres neuen Buches die Strategie von Ursula Müller, ehem. Gleichstellungsbeauftragte von Hannover, weiter und empfehlen “fröhlich Feminina überall dort in die Welt setzen, wo sie niemand vermuten würde. Das wird ein Spaß, der ihresgleichen sucht!” Entspannte Fröhlichkeit und Konsequenz in der Sprache. Gibt es weitere Schlüssel in Ihren Augen, um Sprache zu verändern?

Um eine gerechte Sprache zu entwickeln, braucht es im Deutschen ein ausgefeiltes grammatisches Programm, das schon vorliegt. Das Problem ist die praktische Durchsetzung. Das generische Femininum ist ein Schritt in die richtige Richtung. Eine andere Möglichkeit wäre die Forcierung des Englischen, was ja im Zuge der Globalisierung sowieso der Trend ist. Das Englische ist wesentlich leichter zu therapieren als das Deutsche. Deshalb gibt es in englischsprachigen Ländern auch relativ wenig Widerstand gegen die gerechte Sprache.

2014, ein knappes Jahr nach der ?Aufschrei?-Bewegung fand in Berlin zum Internationalen Frauentag 2014 eine Demonstration für Feminismus statt. Stimmt Sie das zufrieden oder eher melancholisch angesichts der TeilnehmerInnenzahlen von knapp 3.000 Menschen? Immerhin konnten in den 70ern & 80ern immer sehr viel mehr Menschen für den Kampf für die Gleichstellung der Geschlechter auf die Straße bewegt werden.

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Gerecht und GeschlechtLuise F. Pusch, Wallstein Verlag 2014, 9,90 Euro

3.000 finde ich schon sehr beachtlich. Ich dachte immer, die Menschenmengen wären in den 70ern für Frauenrechte mobilisiert worden und in den 80ern wäre das bereits abgeflaut. Hieß es jedenfalls immer, worauf ich jeweils gekontert habe, dass die Feministinnen jetzt ihre Arbeit in den Institutionen täten und weniger auf der Straße. Kurz und gut, über Zahlen gibt es wenig zuverlässiges Wissen, da die Geschichte der zweiten Frauenbewegung überhaupt erst noch aufgearbeitet werden muss.

In einer Ihrer Glossen setzen Sie sich mit den Vorurteilen ?neuer? Feministinnen gegenüber den ?Birkenstockfeministinnen’ auseinander. Wie könnten weitere Strategien im gemeinsamen Kampf ?alter? und ?neuer? Feministinnen aussehen?

Die wichtigsten habe ich schon beschrieben. Sie gelten auch für verschiedene Generationen von Frauen. Den Grundsatz “Frauen für Frauen” könnten einflussreiche ältere Frauen als Frauen-Mentoring oder als “Frauen vererben an Frauen(organisationen)” umsetzen, Forscherinnen als “Frauen forschen für Frauen (aller Generationen)” und kräftige jüngere Frauen als “Frauen pflegen Frauen” – und Männer sollen Männer pflegen. Die Möglichkeiten sind unendlich.

Vielen Dank Frau Pusch!

Luise F. Pusch wird 1944 in Gütersloh geboren, sie ist Professorin für Sprachwissenschaft. Ihre wichtigsten Bücher: Die Frau ist nicht der Rede wert (1999), Das Deutsche als Männersprache und Alle Menschen werden Schwestern. Mithrsg. u.a. von WahnsinnsFrauen Bd. 1-3 und Berühmte Frauen: 300 Porträts Bd. 1 und 2 (1999-2001) Sie ist Gründerin des FemBio Instituts für Frauenbiographieforschung in Hannover, des gemeinnützigen Vereins FemBio Frauenbiographieforschung e.V. und der zugehörigen Webseite www.fembio.org, auf der bisher 1004 Biographien und 8700 Datensätze bedeutender Frauen aller Epochen und Länder kostenlos abgerufen werden können.

Blog “Laut und Luise” :
www.fembio.org/biographie.php/frau/blog
www.fembio.org/biographie.php
www.fembio.org/biographie.php/frau/frauendatenbank

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