Während die AfD in Großstädten wie Leipzig beim Wahlkampf vor enormen Herausforderungen steht, sind Veranstaltungen in der sächsischen Provinz relativ mühelos möglich. Eine Kampagne namens „Nationalismus ist keine Alternative“ möchte das ändern. Mitte Juli reisten junge Menschen von Leipzig nach Naunhof, um dort gegen eine Kundgebung der AfD zu demonstrieren. Bei den ebenfalls protestierenden Einwohnerinnen in der Stadt südöstlich von Leipzig kam das gut an.

Es sind kaum mehr als zehn junge Menschen, die an diesem Dienstag, den 23. Juli, im Zug nach Naunhof sitzen, um sich dort mit einer scheinbar mächtigen Partei anzulegen. Die AfD – laut jüngsten Wahlumfragen eventuell neben der CDU die stärkste oder zweitstärkste Kraft im kommenden Landtag – hat zu einer Kundgebung auf dem Marktplatz geladen. Es ist die erste Station ihrer CDU-ähnlichen „Sachsen-Tour“ an diesem Tag.

Ursprünglich sollte die Reise in Markkleeberg starten. Doch die AfD strich diese Station kurzfristig und ohne irgendeine Erklärung aus ihrem Programm. In einem später auf der Homepage des AfD-Kreisverbandes Landkreis Leipzig veröffentlichten Rückblick findet sich ebenfalls kein Wort zur Absage in Markkleeberg.

Poggenburg springt ein und zieht zurück

André Poggenburg, ehemaliger AfD-Spitzenpolitiker, Landtagsabgeordneter in Sachsen-Anhalt und nun Vorsitzender der Partei ADPM, nannte auf Facebook eine „linke Bedrohung“ als Grund. Belege für diese Behauptung sind nicht bekannt. Klar ist nur, dass die Protest-Gruppe, die nun von Leipzig aus nach Naunhof reiste, ursprünglich in Markkleeberg protestieren wollte. Doch dieser Plan änderte sich.

Poggenburg kündigte seinerseits eine Eilversammlung in Markkleeberg an, um „gegen linke Intoleranz und Gewalt“ zu demonstrieren. Wenige Stunden später sagte er die Versammlung wieder ab. Er beklagte eine angebliche Ungleichbehandlung durch die Behörden. Diese hätten keine „Eilbedürftigkeit“ erkannt, weshalb man nicht demonstrieren könne. Auf Anfrage der L-IZ hieß es seitens der Behörde, dass Poggenburg die Versammlung selbst abgemeldet habe. Ein Verbot gebe es nicht.

Zurück in den Zug nach Naunhof: „Nationalismus ist keine Alternative“ ist das Label, unter dem sich die antifaschistische Reisegruppe versammelt hat. Johann Müller, einer der Organisatoren der Kampagne in Sachsen, bringt das Anliegen auf den Punkt: „In erster Linie wollen wir der AfD ans Bein pissen.“

AfD-Kundgebung in Naunhof. Foto: René Loch
AfD-Kundgebung in Naunhof. Foto: René Loch

Die Antifa-Gruppe sieht ihre Aktivität als „klassischen Protest gegen eine rechtsradikale Partei“. Man würde gerne gegen jede AfD-Veranstaltung demonstrieren. „Aber dafür fehlt es an Kapazitäten“, erklärt Müller.

Gleichzeitig gehe es auch darum, linksradikale Positionen in den Diskurs einzubringen und Druck auf linke Akteure auszuüben, keine zu breiten Bündnisse einzugehen – beispielsweise mit der SPD. Diese sei als Regierungspartei unter anderem für Abschiebungen und ein verschärftes Polizeigesetz mitverantwortlich.

Rassismus bei der AfD

Kaum sind die Aktivistinnen auf dem Marktplatz in Naunhof angekommen, werden sie aus einem Auto heraus mit „Hey, hey, Zecki“-Rufen empfangen. Unter den Anwesenden sorgt das eher für Belustigung. Generell ist die Stimmung entspannt, auch in den Gesprächen zwischen Müller, Polizei und Versammlungsbehörde. Die Antifa-Gruppe stellt sich unter einen der Schatten spendenden Bäume auf dem Markt.

Etwa 50 Meter von ihnen entfernt steht die AfD mit einem Auto. Dort hört man Worte wie „Zeckenbrut“ und „Kanake“ (hier bei Wiki). Rund 30 Personen interessieren sich für die rechte Veranstaltung. Eine vorbeifahrende Autofahrerin zeigt den Teilnehmenden bei der AfD ihren ausgestreckten Mittelfinger.

Man wolle Politik nicht für die jüngeren Menschen machen, die ihre „Ausbildung geschenkt bekommen“, erklärt Landeschef Jörg Urban seinen zumeist älteren, männlichen Anhängern. Viele Landtagsabgeordnete hätten nie richtig gearbeitet, so der ehemalige Piraten-Politiker. Bei der AfD sei das anders. Steht man zu weit von Urban entfernt, versteht man ihn nicht mehr. Von der Gegenkundgebung ertönen laute Sirenen und Pfiffe.

AfD-Kundgebung in Naunhof. Foto: René Loch
AfD-Kundgebung in Naunhof. Foto: René Loch

Dort, auf der Gegenseite Urbans, gibt es im Laufe der etwa 90-minütigen Kundgebung zudem drei Redebeiträge. Es geht darin unter anderem um eine solidarische Gesellschaft, den rassistischen Generalverdacht gegen alle Muslime, das autoritäre Denken der Rechten und den Kapitalismus, der beseitigt werden müsse.

Neben fünf Jugendlichen aus der Region, die sich zu der Antifa-Gruppe aus Leipzig gestellt haben, sind auch fünf Naunhoferinnen gekommen, um gegen die AfD zu protestieren. Das klingt wenig; es sind weniger als 0,06 Prozent der 8.735 Einwohner Naunhofs. In Leipzig wären das jedoch knapp 400 Personen; beim Protest gegen AfD und ADPM waren es in den vergangenen Jahren in Leipzig häufig deutlich weniger.

Freude bei Einwohnerinnen

„Wir wollen zeigen, dass Naunhof bunt ist“, sagt eine der Anwesenden, die kürzlich noch im Stadtrat saß. Sie störe vor allem die Intoleranz gegenüber Geflüchteten, Homosexuellen und Behinderten. Dass junge Menschen aus Leipzig gekommen sind, findet sie gut. Sie hätte sich aber gewünscht, dass mehr Ortsansässige erschienen wären.

Am Ende wird es sogar etwas pathetisch. „Danke, dass ihr extra gekommen seid“, sagt ein Naunhofer zum Abschied zu den linken Gästen aus Leipzig. „Wir lassen euch nicht allein“, lautet die Antwort. Abschließend kündigt Müller lautstark an: „Die Hetze der AfD wird im gesamten Wahlkampf nicht unwidersprochen bleiben.“

Schweinefleisch-Demo: André Poggenburg sagt mal wieder ab

Schweinefleisch-Demo: André Poggenburg sagt mal wieder ab

Hinweis der Redaktion in eigener Sache: Eine steigende Zahl von Artikeln auf unserer L-IZ.de ist leider nicht mehr für alle Leser frei verfügbar. Trotz der hohen Relevanz vieler unter dem Label „Freikäufer“ erscheinender Artikel, Interviews und Betrachtungen in unserem „Leserclub“ (also durch eine Paywall geschützt) können wir diese leider nicht allen online zugänglich machen.

Trotz aller Bemühungen seit nun 15 Jahren und seit 2015 verstärkt haben sich im Rahmen der „Freikäufer“-Kampagne der L-IZ.de nicht genügend Abonnenten gefunden, welche lokalen/regionalen Journalismus und somit auch diese aufwendig vor Ort und meist bei Privatpersonen, Angehörigen, Vereinen, Behörden und in Rechtstexten sowie Statistiken recherchierten Geschichten finanziell unterstützen.

Wir bitten demnach darum, uns weiterhin bei der Erreichung einer nicht-prekären Situation unserer Arbeit zu unterstützen. Und weitere Bekannte und Freunde anzusprechen, es ebenfalls zu tun. Denn eigentlich wollen wir keine „Paywall“, bemühen uns also im Interesse aller, diese zu vermeiden (wieder abzustellen). Auch für diejenigen, die sich einen Beitrag zu unserer Arbeit nicht leisten können und dennoch mehr als Fakenews und Nachrichten-Fastfood über Leipzig und Sachsen im Netz erhalten sollten.

Alle Artikel & Erklärungen zur Aktion Freikäufer“

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

René Loch über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar