The Times They Are a-Changin'... Als ich mich vor knapp zwei Jahren im Tagebuch mit der Zahl der Frauen im US-Repräsentantenhaus beschäftigt und einen kleinen historischen Vergleich angestellt habe, sah der so aus: 1989: 16 Frauen bei den Demokraten, 13 Frauen bei den Republikanern. 2019: 88 Frauen bei den Demokraten, 13 Frauen bei den Republikanern.

Jetzt gibt’s die Extended Version, und die lautet: 2021: 89 Frauen bei den Demokraten, 26 Frauen bei den Republikanern.

Man sieht, die Republikaner machen Fortschritte. Und sie lernen aus ihren Fehlern. Lange Zeit haben sie nämlich geglaubt, dass ein speziell auf Frauen zugeschnittener Wahlkampf und entsprechende Unterstützergruppen nichts bringen. Noch Ende 2018 hatte Tommy Emmer, Chef des National Republican Congressional Committee, das sich darum kümmert, möglichst viele Republikaner in den Kongress zu bekommen, eine speziell auf weibliche Kandidaten ausgerichtete Strategie explizit als „Fehler“ bezeichnet.

Emmer hatte sich dabei auf die republikanische Abgeordnete Elise Stefanik bezogen. Stefanik ist eine Art republikanische Frauenrechtlerin und zugleich eine Gefolgsfrau und treue Anhängerin Donald Trumps, was allein schon zeigt, dass die Partei wesentlich heterogener und – wenn man so will – auch progressiver ist, als es durch die mediale Konzentration auf Trump und sein Kabinett oftmals scheint.

Stefanik hatte es sich, angetrieben von den Wahlerfolgen demokratischer Frauen bei den Midterms, Ende 2018 zur Aufgabe gemacht, mehr republikanische Frauen zu ermuntern, sich um ein Amt zu bewerben und sie in innerparteilichen Vorwahlkämpfen zu unterstützen. Dazu hatte sie ein spezielles Political Action Commitee gegründet, das die Wahlkampagnen von Frauen gefördert und zum Teil auch finanziert hat.

Das Ergebnis: 2020 sind deutlich mehr Frauen bei den Republikanern zu den Vorausscheiden angetreten, wurden anschließend zu Kandidatinnen gekürt und haben letztlich ihre Wahlbezirke gegen Demokraten gewonnen. Die Frauen waren aber nicht nur in traditionell republikanischen Hochburgen erfolgreich. Auch in den umkämpften Bezirken scheint es sich ausgezahlt zu haben. Von den neun Wahlkreisen, die die Republikaner den Demokraten abnehmen konnten, gehen sieben Siege auf das Konto von Frauen. Auf der Gegenseite gelangen den Demokraten drei „Flips“ – und jedes Mal war es eine Frau, die den Bezirk zurückerobert hat.

Rechnet man Republikaner und Demokraten zusammen und betrachtet neben dem Repräsentantenhaus auch den Senat, so sind dieses Jahr insgesamt 643 Frauen bei den Kongresswahlen an den Start gegangen. Das ist eine Verdoppelung gegenüber 2016, wo nur 313 Frauen kandidiert hatten.

Auch bei den innerparteilichen Vorwahlen haben sich – beide Parteien zusammengenommen – mehr als doppelt so viele Frauen durchgesetzt als noch vier Jahre zuvor. Statt 92 haben diesmal 188 Frauen ihre Vorwahl gewonnen. In den Kongress gewählt wurden letztendlich 142 von ihnen, 2018 waren es noch 127 gewesen und 2016 sogar nur 105.

Das alles klingt nach Fortschritt – und das ist es auch. Trotzdem ist der Anteil weiblicher „Bauernopfer“ immer noch groß, vor allem bei den Republikanern. Die dazugehörige Theorie geht davon aus, dass Frauen überproportional häufig in jenen Bezirken zur Wahl stehen oder besser: von ihrer Partei zu Wahl gestellt werden, in denen die Partei ohnehin keine Chance auf einen Sieg hat. Eine Vorgehensweise, die auch in anderen Ländern zu finden ist und sich nicht auf politisch konservative Parteien beschränkt.

Dass die Verdoppelung der Kandidaturen von Frauen letztlich nicht zu einer Verdoppelung der Sitze im Kongress geführt hat, stützt die Theorie. Und noch etwas weist in diese Richtung: Von den 107 Frauen, die bereits im Amt waren und sich erneut zur Wahl gestellt haben, wurden 97 wieder gewählt (91 %). Von denen, die um einen freien Sitz konkurrierten, schafften es am Ende 17 von 44 Frauen (39 %). Aber dort, wo Frauen einen Mann herausforderten, der bereits im Amt war, gelang nur 10 von 171 ein Sieg (6 %).

Im kommenden Repräsentantenhaus liegt der Frauenanteil bei rund 27 % – ein neuer Rekord. Trotzdem: Die Datenjournalisten von Politico haben diesen Wert mal mit anderen Ländern verglichen und herausgefunden, dass die USA international damit nur im Mittelfeld liegen und in einer Liga mit Vietnam, Israel, Kasachstan und – wer hätt’s gedacht – Afghanistan spielen.

Deutschland ist mit 31 % nur geringfügig besser. Angeführt wird das Feld übrigens von Ruanda. 61 % der Abgeordneten sind dort Frauen. Das liegt zwar auch daran, dass die seit 2003 geltende Verfassung Ruandas eine 30-%-Frauen-Quote vorsieht. Vor allem aber hat es damit zu tun, dass das Rwanda Women Parliamentary Forum frühzeitig Strategien entwickelt hat, um mehr Frauen ins Parlament zu bringen. Also genau das, was führende Republikaner bis Ende 2018 als Fehler betrachtet haben.

Aber gut, die Republikaner haben gelernt. Vielleicht haben sie aber auch einfach nur Bob Dylan gehört. Der sang in „The Times They Are a-Changin“ nämlich: „Come senators, congressmen / Please heed the call / Don’t stand in the doorway / Don’t block up the hall“.

Das war 1964. Damals gab es im Kongress genau 14 Frauen. Ihr Anteil betrug 2,6 %. Das war nicht mal ein Zehntel des heutigen. Es geht also – wenn auch langsam – tatsächlich voran.

Alle Auszüge aus dem „Tagebuch eines Hilflosen“.

Direkt zum „Tagebuch eines Hilflosen“.

Leipziger Zeitung Nr. 85: Leben unter Corona-Bedingungen und die sehr philosophische Frage der Freiheit

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