Angesichts der Hybris einerseits, mit der nun alle zu Klimarettern werden (müssen) und der erwartbar harten Reaktion derer, die darauf so gar keine Lust haben, kann man derzeit erleben, was schon Donald Trump, Ukip und die AfD zu ungeahnten Wahlsiegen führte. Eine geradezu gnadenlos geführte Debatte, in der kein Fäkalwort unausgesprochen, kein Vorwurf unerwähnt und natürlich auch kein Spott- bis Hassbildchen ungepostet bleiben darf. Man ahnt, hier wird demnächst die Freiheit mit 130 Sachen bei der fröhlichen Radfahrer-Hatz in der Innenstadt verteidigt.

Fasst man das Debattenniveau der letzten Tage zur real existierenden Klimakrise zusammen, bleibt für mich ein Fazit: ich bin kinderlos und in einem Alter, wo sich mein voraussichtliches Sterbedatum mit den ersten heftigen Klimaeinschlägen kreuzt. Da es bereits begonnen hat, bin ich im Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit gespannt, wie lang das wohl dauern und welche Todesart es wird.

Drehen wir also mal die Argumentation entspannt um, notieren wir uns ihre Namen, lassen anschließend ab und lehnen uns zurück: Ab jetzt ignoriere ich diejenigen, die den Klimawandel und den menschlichen Anteil daran leugnen, sich bewusst gegen Klimaschutz aussprechen, diesen ganzen Müll pushen, der sagen soll „alles nur Hysterie“ oder sich gar in rasant wachsenden „Hubraum for Fridays“-Gruppen wohlfühlen.

In den asozialen Hetzwerken werden sie gesperrt, in der Realität werde ich ihnen einfach stumm ein Greta-Bildchen vor die Nase halten und zusehen, wie ihnen derart getriggert im Stressfuror innere Gefäße platzen. Vielleicht lass ich mir auch Zöpfe wachsen.

Den immer gleichen unwissenschaftlichen Unsinn, mit dem sich viele auch nur selbst beruhigen wollen, jedenfalls werde ich mir das nicht mehr anhören, durchlesen oder beobachten. Denn auch mein Hirn hat gute Nahrung verdient. Und da ich zu oben vorgeworfener Hysterie nicht neige, aber schon immer ein ausgeprägtes Faible für Naturwissenschaften und Logik habe, will ich auch keinen von diesen mehr überzeugen.

Dazu fehlt es schlicht an einer gemeinsamen Gesprächsbasis. Das wird die Realität übernehmen müssen. Zumal ich der Meinung bin, dass sich in einer freiheitlichen Gesellschaft jeder eben so gut blamiert, wie er kann. Nur sagt niemand, dass ich dabei zusehen muss.

So bleibt als angenehmer Nebeneffekt in meinem endlichen Leben auch mehr Zeit für kluge Debatten mit Menschen, die Reichtum und ein erfülltes Leben nicht mit der Größe des eigenen Pkw, rammelvollen Kleiderschränken oder dem täglichen Schweinekotelett bei gleichzeitiger Bewegungsarmut verwechseln.

Sollten also diejenigen Wissenschaftler/-innen – also alle, die etwas davon verstehen, also nicht fachfremde Spinner sind, die von mächtigen Öllobbys geschmiert werden – und die jungen Menschen, die heute vorrechnen, warnen und demonstrieren, recht behalten – wovon ich leider nach intensiver thematischer Befassung ausgehen muss – dann gnade Euch Gott, solltet Ihr noch leben, wenn’s knallt.

Wie unsinnig selbst diese leicht biblische Schlusswarnung ist, zeigt sich übrigens am durchschnittlichen Alter der Leugnerszene. Hier gilt ausreichend valide folgende These: Je weniger persönliche Zukunft, umso lauter gegen Umweltschutz, je mehr Lobbyinteresse, umso starrer die Haltung und je geringer das Bildungs„nivea“, umso hasserfüllter die Ansagen.

Zynischerweise liegt darin auch eine Resthoffnung: aggressiv, ungebildet und männlich stirbt eher (sagt die Statistik). Apropos sterben: Die Schnittmengen mit jenen, die sich zudem rassistisch äußern, ist ebenfalls sehr hoch. Wer auch immer hier Zusammenhänge zum Beginn meiner Überlegungen erkennt, könnte recht behalten.

Ihre nachgedachte Ilse

Schwarwel im Netz

Die Leipziger Zeitung, Ausgabe September 2019 ist am 27. 09. 2019 erschienen und hier zu kaufen.

Liveticker zum Klimastreik: Eine Sturzgeburt der Koalition und ein Streik „for Future“ + Videos

Liveticker zum Klimastreik: Eine Sturzgeburt der Koalition und ein Streik „for Future“ + Videos

Hinweis der Redaktion in eigener Sache: Eine steigende Zahl von Artikeln auf unserer L-IZ.de ist leider nicht mehr für alle Leser frei verfügbar. Trotz der hohen Relevanz vieler unter dem Label „Freikäufer“ erscheinender Artikel, Interviews und Betrachtungen in unserem „Leserclub“ (also durch eine Paywall geschützt) können wir diese leider nicht allen online zugänglich machen.

Trotz aller Bemühungen seit nun 15 Jahren und seit 2015 verstärkt haben sich im Rahmen der „Freikäufer“-Kampagne der L-IZ.de nicht genügend Abonnenten gefunden, welche lokalen/regionalen Journalismus und somit auch diese aufwendig vor Ort und meist bei Privatpersonen, Angehörigen, Vereinen, Behörden und in Rechtstexten sowie Statistiken recherchierten Geschichten finanziell unterstützen.

Wir bitten demnach darum, uns weiterhin bei der Erreichung einer nicht-prekären Situation unserer Arbeit zu unterstützen. Und weitere Bekannte und Freunde anzusprechen, es ebenfalls zu tun. Denn eigentlich wollen wir keine „Paywall“, bemühen uns also im Interesse aller, diese zu vermeiden (wieder abzustellen). Auch für diejenigen, die sich einen Beitrag zu unserer Arbeit nicht leisten können und dennoch mehr als Fakenews und Nachrichten-Fastfood über Leipzig und Sachsen im Netz erhalten sollten.

Vielen Dank dafür und in der Hoffnung, dass unser Modell, bei Erreichen von 1.500 Abonnenten oder Abonnentenvereinigungen (ein Zugang/Login ist von mehreren Menschen nutzbar) zu 99 Euro jährlich (8,25 Euro im Monat) allen Lesern frei verfügbare Texte zu präsentieren, aufgehen wird. Von diesem Ziel trennen uns aktuell 500 Abonnenten.

Alle Artikel & Erklärungen zur Aktion „Freikäufer“

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar