Sehr geehrte Frau Gastmann, ich habe den aktuellen Text Ihrer Kolumne gelesen und „wusste […] für den Bruchteil einer Sekunde mal wieder nicht, ob ich vor Empörung aus dem Fenster springen oder gar einen Leserbrief […] schreiben sollte“. Wie Sie merken, schreibe ich lieber einen Leserbrief. Nicht, weil ich mir anmaße, zu wissen, was Frauen fühlen oder wollen oder tun sollten, sondern weil ich mich beleidigt fühle. Als Mann. Komisch, oder?

Eins vorweg: Sie behaupten, jeder „halbwegs obenrum illuminierte Mensch“ erkenne, dass Sexismus keine „prima Sache“ sei. Und dann strotz Ihr Text nur so von verborgenem und offenem Sexismus. Sie schreiben da von Wölfen und Schmetterlingen und degradieren damit irgendwie in einem Aufwasch alle.

Den Mann machen Sie zum Opfer seiner genetischen Veranlagung, zum Tier, dass nicht in der Lage ist, seine Rolle, sein Verhalten oder auch nur seinen Humor zu verändern und aus der Frau machen Sie irgendein zartbesaitetes Wesen, dessen einzige Funktion darin besteht, für die Alpha-Männchen hübsch zu sein. Das ist ein Rollenbild, das ich lange überholt gehofft habe.

Es mag ja sein, dass Sie es toll finden, wenn Ihnen irgendwelche Typen auf die Brüste starren und es ist ja auch durchaus möglich, dass Sie daraus eine Bestätigung ziehen, aber wäre es zur Abwechslung nicht mal angenehm, wenn ein Mann Sie für Ihren Intellekt, für Ihren Musikgeschmack oder Ihren Humor mögen würde?

Ich kenne genug Frauen, die eben gerade NICHT das Stück Frischfleisch für die Alpha-Tiere sein wollen, die es leid sind, angegafft, angefasst und angequatscht zu werden und diese Frauen haben damit verdammt noch mal Recht und niemand sollte ihnen sagen, dass sie das bisschen Gucken doch mal aushalten und am Ende noch als Kompliment begreifen müssen.

Ich kenne aber auch genug Männer, die nicht mehr Alpha-Männchen sein wollen, die sich nach gleichberechtigen Frauen sehnen, die umdenken können und wollen. Männer, die sich nicht in eine Rolle als Macho und Chauvi zwängen lassen wollen, ja, die am Ende vielleicht sogar selber schöne Schmetterlinge sein wollen.

Was mich an Ihrem Text, werte Frau Gastmann, so empört, ist diese miefige Sicht auf eine Gesellschaft von „echten Männern“ und „feinen Damen“, die einem Brüderle schon nicht zu Gesicht stand und die auch aus Ihrer Feder nicht weniger platt daherkommt.

Sprache schafft Bewusstsein, das müssen Sie ja sogar in Ihrem eigenen Text zugeben. Gendern ist eine Praktik, die helfen soll, über unseren Sexismus zu reflektieren, Rollenbilder aufzubrechen und die Menschen sichtbar zu machen, die sprachlich sonst unsichtbar sind. Gendern führt uns vor Augen, was wir vorher nicht sehen konnten und schärft unsere Wahrnehmung für Alltagssexismen.

Denn die Sexismen, über die Sie so wortgewaltig und – ja, ich muss es so sagen – arrogant herziehen, sie sind für die meisten Menschen leider Alltag. Für Frauen sowieso, aber auch für viele Männer, ob sie es nun zugeben oder nicht. Und gerade die Tatsache, dass diese Sexismen alltäglich sind, sollte Grund genug sein, nicht „Weiter so!“ zu sagen, sondern „Stopp!“ zu rufen. Vielleicht schaffen wir es dann auch irgendwann, in einer Gesellschaft zu leben, in der Frauen nicht auf ihr Äußeres und Männer nicht auf ihre Trophäensammlung reduziert werden, wo wir alle, unabhängig vom Geschlecht, Wölfe, Schmetterling, Kühe, Schafe oder – vielleicht sogar – Menschen sein dürfen.

Ich möchte, dass Frauen nicht ihr Dekolleté präsentieren müssen, um wahrgenommen zu werden, ich möchte, dass Frauen die gleichen Berufe ausüben dürfen wie Männer, ich möchte als Mann den Haushalt führen dürfen und ich möchte, dass irgendwelche zotigen Wortspiele über „z(w)ittrige Finger“ und „bisexuelle Spanferkel“ sich von selbst verbieten – auch für Frauen.

Ich möchte weiter davon träumen, als Schmetterling fliegen zu können.

Mit freundlichen Grüß*innen
Thorsten Glawe

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Also ich habe den Text als augenzwinkernden Hinweis an alle Alice Schwarzers unseres Landes gelesen, es doch nicht ganz so verbissen zu nehmen mit der Emanzipation. Nicht nur dass ich mich dieser Position anschließen kann (ebenso wie der das Sexismus vorgestrig ist), konnte ich auch sehr über die gewählten Formulierungen schmunzeln.

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