Der heute im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss des Sächsischen Landtags angehörte Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Einrichtung einer unabhängigen Polizeikommission hat zu einer lebhaften Diskussionen der elf Sachverständigen geführt.

Fazit Eva Jähnigen, innenpolitische Sprecherin der Grünen: “Das fehlende Problembewusstsein der fünf anwesenden Vertreter der Polizei und Staatsanwaltschaft ist erschreckend. Der Blick auf die Opfer von Polizeigewalt ist schlichtweg nicht vorhanden; Übergriffe werden als seltene Ausnahmefälle angesehen, die keiner unabhängigen Aufklärung bedürfen.”

Während die Polizeivertreter das interne Beschwerdemanagement lobten und als ausreichend ansahen, bagatellisierte der Vertreter der Staatsanwalt die hohe Quote der Verfahrenseinstellungen bei Straftaten im Amt. Der Vertreter der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt verstieg sich sogar zu der Aussage, die Untersuchung eines Beschwerdefalls werde durch die Polizei unabhängiger durchgeführt, als durch eine vom Parlament eingesetzte Kommission. Vertreter der sächsischen Polizei und der Sprecher der Staatsanwaltschaft versuchten sogar zu unterstellen, der Gesetzentwurf erhebe unzulässige Vorwürfe gegen Polizei und Staatsanwaltschaft.

“Mir ist unbegreiflich, warum sich die Vertreter der sächsischen Polizeiführung einer Kontrolle von außen derart vehement verweigern, wenn sie der Auffassung sind, sie bewegen sich in fast allen Fällen auf der Grundlage der Gesetze. Dabei wird durch unseren Vorschlag einer Fachleutekommission mit einer polizeierfahrenen Person auch die von den Gewerkschaften immer geforderte Debatte um die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen in der Polizei möglich.”

Die ebenfalls anwesenden Vertreter der Rechts- und Polizeiwissenschaft sowie Strafverteidigung begrüßten hingegen den Gesetzentwurf. Rolf Gössner, Rechtsanwalt und Bürgerrechtsaktivist, bezeichnete die Kontrolle der Polizei als defizitär. So würden etwa über 90 Prozent der Ermittlungsverfahren eingestellt. Wenn die Polizei nicht gegen sich selbst ermittele, werde dem Bürger der Zugang zur gerichtlichen Kontrolle gar nicht eröffnet. Gössner zeigte sich auch überrascht, wie die Forderung nach unabhängiger Kontrolle der Polizei, etwa durch den EU-Menschenrechtskommissar, einfach weggewischt werden.

Prof. Hartmut Aden betonte, dass eine unabhängige Polizeikommission erforderlich sei, um die Professionalität der Polizeibehörden weiter zu verbessern.

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“Das fehlende Verständnis der Vertreter der (sächsischen) Polizei hat mich in der Forderung bestätigt, dass eine unabhängige, außerhalb des Polizeiapparates stattfindende Kontrolle dringend notwendig ist”, so Jähnigen.

Hintergrund: In den vergangenen drei Jahren wurden in Sachsen insgesamt 640 Ermittlungen gegen Polizistinnen und Polizisten wegen Straftaten im Amt geführt. Von diesen Ermittlungsverfahren wurden 591 nach § 170 Absatz 2 StPO (Erhebung der öffentlichen Klage; Einstellung des Verfahrens) eingestellt, weil die Staatsanwaltschaft keinen Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage erkennen konnte.

Damit “erledigen” sich 92 Prozent der Anzeigen gegen Polizeibeamte bereits im Ermittlungsverfahren zugunsten der Polizeibeamten. In den übrigen Verfahren wurde in 20 Fällen Anklage erhoben. Zu einer Verurteilung kam es jedoch lediglich in zwei Verfahren (siehe dazu Kleine Anfrage, Eva Jähnigen, Drs. 5/8910). Im Vergleich dazu werden andere Strafverfahren in Deutschland nur in 26,5 Prozent der Fälle nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, zur Anklage kommen immerhin 11,5 Prozent (siehe aufgearbeitete Erledigungsstatistik 2006 und Zahlen des Statistischen Bundesamtes 2011 in Anlage).

Eckpunktepapier zum Grünen Gesetzentwurf:
www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/eckpunktepapiere/2012-09-24_polizeikommission_ej.pdf

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