In Leipzig erhielten Geflüchtete erneut alternative Dokumente. Ein Ende der Praxis in ganz Sachsen ist nach wie vor nicht zu beobachten. Immer noch umgehen Ausländerbehörden und Innenministerium höchstrichterliche Rechtssprechung. Der Verdacht drängt sich auf, dass dies politisch so gewollt ist. Sachsen will offenbar mit aller Macht Integration verhindern. „Es ist mir schlicht nicht begreiflich, warum nicht einfach eine Duldung ausgestellt wird“, ärgert sich Kim Schönberg vom Initiativkreis Menschen.Würdig. „Wir hatten Erfolg damit, dass Grenzübertrittsbescheinigungen in Leipzig nicht mehr ausgestellt werden und nun schauen wir wieder auf so ein Wisch von Dokument.“

Der Hintergrund für den Ärger der kritisierenden Vereine ist schnell erzählt: im Mai wiesen sie in einer Pressemitteilung (http://www.saechsischer-fluechtlingsrat.de/de/2017/05/11/saechsische-auslaenderbehoerden-stellen-sich-ueber-das-bundesverfassungsgericht/) darauf hin, dass in vielen Teilen Sachsens alternative Dokumente die Duldung ersetzen. Im Juni dann aber treten Geflüchtete erneut an die Asylberater*innen in Leipzig heran. Sie halten eine „Dublin Identitätsbescheinigung“ in den Händen. Die Betroffenen sind in mehrfacher und folgenreicher Weise betroffen: die Chancen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt sind gleich null, selbst ein Konto kann nicht eröffnet werden. Gesellschaftliche Teilhabe – auch sie Bestandteil des Existenzminimums – kann so nicht gelingen. Gleichzeitig erfüllen die Dokumente mit ihren kreativen Namen nicht die Voraussetzungen an ein aufenthaltsrechtliches, durch Ausländerbehörden auszustellendes Dokument.

So urteilte das Bundesverfassungsgericht (https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=BVerfG&Datum=06.03.2003&Aktenzeichen=2%20BvR%20397%2F02) bereits im Jahr 2003 und auch das Bundesverwaltungsgericht (https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=BVerwG&Datum=25.09.1997&Aktenzeichen=1%20C%203.97) wollte die Duldung ausgestellt sehen – auch dann, wenn die Abschiebung nicht ohne Verzögerung durchgesetzt werden kann.

Ausländerbehörde Leipzig zeigt sich hartnäckig

In einem Schreiben des Leiters des Leipziger Ordnungsamts vom 10. Mai 2017 wird versichert, dass Grenzübertrittsbescheinigungen die Duldung nicht mehr ersetzen würden. Am 6. Juni wird einem Leipziger Schutzsuchenden eine den Vereinen vorliegende Dublin-Identitätsbescheinigung ausgestellt. Die kreativen Namen mögen sich unterscheiden, die Rechtslage ist dieselbe. Bei Dublin-Fällen muss das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zunächst prüfen, ob eine Abschiebungsanordnung zurückgenommen wird. Die Ausländerbehörde muss dem Bundesamt dabei Amtshilfe leisten und die Duldung ausstellen. Eine eigene Entscheidungskompetenz hat sie hier nicht.

Das geht aus einem Beschluss (http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2014/09/rk20140917_2bvr073214.html) des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2014 hervor. Die Ausländerbehörde Leipzig zeigt sich offenbar nicht gewillt, die rechtswidrige Verwaltungspraxis einzustellen. Aus Sicht der fünf Vereine ist klar: das sächsische Innenministerium muss Klarheit verschaffen und die Bundesverfassungsgerichtsbarkeit anerkennen.

Hinter der Praxis könnte Kalkül stehen

Der Verdacht liegt nahe, dass durch das Umgehen höchstrichterlicher Bundesurteile und -beschlüsse auch die Bundesgesetzgebung in Sachsen ausgehöhlt werden können. „Den Vorwurf, dass bewusst und mit aller Macht versucht wird, die erst neugeschaffenen Paragraphen zur Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration zu untergraben, müssen sich sächsische Ausländerbehörden und das Innenministerium inzwischen gefallen lassen“, so Gärtner. Eine entsprechende Anfrage (http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=10352&dok_art=Drs&leg_per=6&pos_dok=0&dok_id=undefined) zu der Praxis wurde von der Abgeordneten Juliane Nagel, Die Linke, eingereicht. Zudem wurde der Leiter des Ordnungsamts Leipzigs in einem weiteren Schreiben des Initiativkreis Menschen.Würdig aufgefordert, die Praxis einzustellen.

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