Der Deutsche Presserat hat auf seinen Beschwerdeausschuss-Sitzungen am 5., 6. und 7. Dezember 2017 wegen schwerer Verstöße gegen den Pressekodex vier öffentliche Rügen ausgesprochen. Dabei geht es unter anderem um die Verantwortung von Medien für Beiträge von Nutzern im Netz, getarnte Werbung und eine Journalistin, die über den eigenen Ehemann politische Berichterstattung praktizierte.

Online-Portal veröffentlicht Beitrag, den es für „volksverhetzend“ hält

Das Online-Portal des Oberbayerischen Volksblatts OVB24.de wird für die Veröffentlichung eines Meinungsartikels eines AfD-Politikers gerügt, den die Redaktion selbst als „zum Teil auch volksverhetzend“ einstufte. Das Portal ermöglicht lokalen Vereinen und Parteien nach einer Registrierung das eigenständige Einstellen von Pressemitteilungen, die es als „Inhalte Drittanbieter“ kennzeichnet. Für diese Nutzerbeiträge muss die Redaktion laut Presserat gemäß Richtlinie 2.7 des Pressekodex die Einhaltung der publizistischen Grundsätze sicherstellen, wenn sie Verstöße selbst erkennt oder darauf hingewiesen wird.

Entsprechend hätte die Redaktion den Beitrag gemäß ihrer eigenen Einschätzung nicht weiter veröffentlichen dürfen. Der Hinweis auf Fremdinhalte reicht nicht aus.

Zeitung tarnt Werbung als „offene Debatten“

Der Presserat rügt TAGESSPIEGEL Online wegen eines Verstoßes gegen den Trennungsgrundsatz von redaktionellen Inhalten und Werbung gemäß Richtlinie 7.1 des Pressekodex und einer sich daraus ergebenden Gefährdung des Ansehens der Presse. Die Beschwerde bezog sich konkret auf einen Beitrag unter der Überschrift „Vom Umgang mit Zucker“ der Initiative „Schmeckt Richtig!“ der deutschen Zuckerwirtschaft. Dieser Beitrag erschien auf einem „Debattenportal“ des TAGESSPIEGEL.

Erst am Ende dieser Seite erfahren die Leser unter dem Stichwort „Partnerangebot“, dass sämtliche Inhalte der Seite ein Angebot des Anzeigenpartners seien. Der Ausschuss sah im Aufbau der Seite und der Bezeichnung und Darstellung werblicher Inhalte als „Debatten“ eine schwerwiegende Irreführung der Leser.

Zeitung veröffentlicht neuen Namen des Mörders Magnus Gäfgen

Die FRANKFURTER NEUE PRESSE Online (NASSAUISCHE NEUE PRESSE) wird wegen eines Verstoßes gegen den in Ziffer 8 des Pressekodex festgehaltenen Schutz der Persönlichkeit gerügt. Im Artikel unter der Überschrift „Gäfgen fordert Freiheit: Entscheidung noch dieses Jahr“ hatte die Redaktion berichtet, dass der Mörder Gäfgen seit 2014 offiziell einen neuen Namen trägt und hatte diesen Namen veröffentlicht. Dazu teilte sie ihren Lesern mit: „Die Namensänderung soll seiner Resozialisierung dienen.“

Damit verstieß sie nach Ansicht des Ausschusses gegen das legitime Resozialisierungsinteresse des Täters. Gemäß Richtlinie 8.1 des Pressekodex soll die Namensnennung bei Berichten über zurückliegende Strafverfahren in der Regel unterbleiben. Dies gilt umso mehr, wenn es sich um einen geänderten Namen handelt, der einem Täter vom Staat zugebilligt wurde.

Diätmethoden wiederholt unkritisch vorgestellt

Wegen einer wiederholten Missachtung des Schleichwerbeverbots gemäß Richtlinie 7.2 des Pressekodex wird ALLES FÜR DIE FRAU gerügt. Die Zeitschrift veröffentlichte regelmäßig Doppelseiten, auf denen der Abnehmerfolg einer einzelnen Person vorgestellt wird. Die Texte verweisen an jeweils einer Stelle auf eine einzige Methode und nennen den entsprechenden Anbieter namentlich, zum Teil mit Link auf die Internetseite.

Dabei erfolgt keinerlei journalistische Einordnung der Methode. Beiträge der Zeitschrift waren wegen dieses Vorgehens bereits vom Presserat missbilligt worden, ALLES FÜR DIE FRAU veröffentlichte aber weiterhin gleichartige Artikel.

Missbilligung: Redakteurin schreibt über Politiker, der ihr Ehemann ist

Der Presserat missbilligt zudem einen Artikel im Online-Auftritt einer Tageszeitung, in dem eine Redakteurin Spitzenpolitiker verschiedener Parteien beschreibt und ihnen Styling-Tipps für ihr Auftreten gibt. Einer dieser Politiker ist der Ehemann der Autorin des Beitrages. Der Presserat sieht darin eine objektive Befangenheit der Journalistin.

Die Tatsache, dass eine Redakteurin über ihren Ehemann und seine politische Konkurrenz berichtet, ist mit den presseethischen Grundsätzen nicht vereinbar. Eine solche Konstellation ist vielmehr geeignet, das Ansehen der Presse nach Ziffer 1 Pressekodex in Gefahr zu bringen und muss deshalb vermieden werden.

Statistik

Die Ergebnisse: 4 öffentliche Rügen, 4 Missbilligungen und 32 Hinweise. Der Presserat bewertete 18 Beschwerden als begründet, verzichtete jedoch auf eine Maßnahme. 65 Beschwerden wurden als unbegründet erachtet.

Der Pressekodex im Internet

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