Beim für 2013 geplanten Umbau der nördlichen Karl-Liebknecht-Straße und des Peterssteinweges haben Stadt und LVB neue Wege beschritten. Sie haben Bürger und Interessenverbände zur Variantendiskussion eingeladen. Am 1. März fand das jüngste Forum statt, auf dem die vier Grundvarianten und die Kompromissvariante der Planer vorgestellt wurden. Doch Leipzigs Umweltverbände sind nicht zufrieden.

Sie zeigen sich zwar erfreut, dass Stadt und LVB erstmals ihre Varianten-Abwägung zum Umbau der Karli vorgestellt haben, äußern sich jedoch enttäuscht darüber, dass ihre Vorschläge noch immer nicht in die umzusetzende Vorzugsvariante eingeflossen sind.

“Der Plan sieht weiterhin einen separaten Gleiskörper zwischen Riemannstraße und Körnerstraße vor”, kritisiert der Ökolöwe. “In diesem Bereich kommt es, wie schon in den Plänen vom November 2011, zu massiven Eingriffen in die Gehwege, zu Baumfällungen und Grundstücksenteignungen.”

Tino Supplies, verkehrspolitischer Sprecher des Ökolöwen: “Gegen einen separaten Gleiskörper sprechen sich neben den Verbänden auch ein Großteil der ansässigen Gewerbetreibenden, viele Anwohner und mittlerweile mehr als 1.000 Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Unterschrift aus. Dies kann man nicht so einfach wegwischen, wenn man es mit der Beteiligung ernst meint.”

Die LVB beharren hier auf ihrer Forderung nach einem eigenen Gleiskörper für die stadteinwärtige Bahntrasse, Grundlage auch für die Beantragung von Fördergeldern des Bundes. Das Problem ist auch nicht wirklich der separate Gleiskörper. “Selbst wenn wir darauf verzichten, gewinnen wir an den Seitenstreifen nicht mal einen halben Meter”, meint Torben Heinemann, der das Projekt als Planer der Stadt begleitet.Das eigentliche Problem ist ein ganz anderes. Und das weiß man auch beim Ökolöwen, der dezidiert beklagt, dass auch der “bereits mehrfach angesprochene Kompromiss, wenigstens die Gehwege zwischen Riemannstraße und Paul-Gruner-Straße zu erhalten”, am vergangenen Donnerstag nicht vorgestellt wurde. Denn auf halbe Breite zurückgebaut werden sie nur, weil künftig Parktaschen auf beiden Seiten in die Gehwege integriert werden sollen. Zwischen den Parktaschen sollen wieder Bäume gepflanzt werden, die zumindest optisch den Alleecharakter der Straße erhalten.

Doch statt tatsächlich um breite, unverbaute Fußwege zu kämpfen, sehen auch FUSS e.V. und ADFC das Hauptproblem in der separierten Bahntrasse. Bertram Weißhaar vom FUSS e.V.: “Priorität muss die Verkehrssicherheit und die Aufenthaltsqualität in der Karli haben. Ein Boulevard kann eben nicht für Maximal-Verkehrsereignisse optimiert werden. Ein separierter Gleiskörper führt automatisch immer zu höheren Geschwindigkeiten – bei Straßenbahnen und eben auch bei den Pkw. Das ist nicht das Ziel. Der mit dem separierten Gleiskörper erhoffte Effekt eines Fahrtzeitgewinns von einigen Sekunden steht zudem nicht im Verhältnis zu dem hierfür erforderlichen Eingriff in den Straßenquerschnitt, der sich insbesondere auf die Gehwege negativ auswirkt.”

Die Logik erschließt sich auch beim dritten Lesen nicht. Denn schon jetzt kommen sich Radfahrer, Autofahrer und Straßenbahn im Querschnitt der Straße immer wieder ins Gehege. Und auch wenn es “Profi-Radfahrer” anders sehen mögen – für die meisten Radnutzer, die gern mit dem Rad zur Arbeit oder zum Einkauf Richtung Innenstadt fahren würden, ist die Karl-Liebknecht-Straße ein Ärgernis – für manchen auch ein Schrecken. Ältere Radfahrer sieht man hier nur noch selten, sie weichen diesem Tohuwabohu möglichst aus. Ein Tohuwabohu, das – und das ist das große Plus der von Stadtplanern und LVB verfolgten Vision – mit separaten Fahrspuren für Straßenbahn, Kfz und Radfahrer weitgehend beendet werden soll.

“Wenn die bestehenden Richtlinien und Stadtratsbeschlüsse eingehalten werden sollen, kann es keine Separierung der Straßenbahn in der Karli geben”, meint Alexander John, Vorsitzender des ADFC Leipzig.

Eine mehr als eigenwillige Interpretation. Vor allem, nachdem der Ökolöwe im vergangenen Herbst auf den Gehsteigen zwischen Riemannstraße und Paul-Gruner-Straße für alle Passanten sichtbar gemacht hat, worin das Hauptproblem der Karl-Liebknecht-Straße tatsächlich besteht: im so genannten ruhenden Verkehr.Die Gehwege werden nicht schmaler, weil die Bahn eine eigene Trasse bekommt, sondern weil von der Riemannstraße bis zur Shakespearestraße neue Parkmöglichkeiten gebaut werden sollen. Parkmöglichkeiten, die es in dieser Straße noch vor drei Jahren überhaupt nicht gab. Damals galt hier ein generelles Parkverbot – genau aus den Gründen, die jetzt zu einer Entflechtung der Verkehrsarten führen sollen.

Doch statt das Parkverbot durchzusetzen und Verstöße konsequent zu bestrafen, duldete die Stadt anfangs zwischen Hohe Straße und Paul-Gruner-Straße das wilde Parken. Dann wurden 2009 die Parkverbotsschilder abmontiert und Parkbuchten auf den Asphalt gemalt. Ein Vorbild, das Schule machte. Heute wird auch zwischen Paul-Gruner-Straße und Shakespearestraße geparkt, wie es gerade kommt. Es ist der so genannte “ruhende Verkehr”, der in immer mehr Straßen für Verstopfungen und Verkehrskonflikte sorgt. Und der die Verkehrsplaner dazu brachte, die ganze nördliche “KARLI” mit Parkbuchten zu bedenken – da und dort mit den tatsächlich gebrauchten Anlieferflächen für die Geschäfte unterbrochen.

Parkbuchten soll es auch zwischen Shakespeare- und Körnerstraße geben. Dort ist die Straße heute zugeparkt. Es stehen zwar Parkverbotsschilder da – doch das Parkverbot ist seit einiger Zeit auf 7 bis 20 Uhr beschränkt. Was Dauerparker wohl als Einladung betrachten, es auch in diesem Zeitraum zu ignorieren. Ein kleiner Blick in die Geschichte: Als Google hier 2006 für seinen Dienst “Google Map” auch die Straßenschilder fotografierte, herrschte noch generelles Parkverbot.Aus einer schleichenden Unterwanderung der Regeln wurde eine Duldung durch die Stadt, die das Ordnungsamt dann nur noch mit einer verschämten Kapitulationserklärung unter dem Parkverbotsschild sichtbar machte.

Und der Prozess, der 2008, 2009 im Bereich zwischen Riemannstraße und Paul-Gruner-Straße begann, schwappt schon längst über die Körnerstraße hinaus. Der Radfahrstreifen zwischen Körnerstraße und Schenkendorfstraße wird schon längst als Parkstreifen betrachtet. Radfahrer kommen hier immer wieder mit dem motorisierten Verkehr in Konflikte.

Torben Heinemann begründet die Schaffung von neuen Parkbuchten mit der Störung des rollenden Verkehrs durch jene Autofahrer, die eben doch auf den Radweg fahren und dort parken – und sei es nur, um sich einen Döner oder einen “Kaffee zum Weglaufen” zu holen. Doch gerade das Stück zwischen Körner- und Schenkendorfstraße zeigt: Das Problem bleibt auch danach bestehen, denn auch Parkbuchten (egal, ob bewirtschaftet oder nicht) reduzieren das Parkplatzangebot. Die “Eiligen” parken trotzdem auf dem Radfahrstreifen und sorgen so auch für Behinderungen im Kfz-Verkehr.

Was in Leipzig fehlt, ist eine Strategie, den “ruhenden Verkehr” tatsächlich zu minimieren. Und genau das hat der Stadtrat eigentlich beschlossen – nicht den Verzicht auf separierte Straßenbahngleise. Wer den Anteil des Umweltbundes (ÖPNV, Rad- und Fußverkehr) bis 2020 auf 70 Prozent am Gesamtverkehr steigern will, der muss dem Umweltbund nicht nur freie Fahrt schaffen, der muss auch Verbote für ruhenden Verkehr aussprechen. Sonst sind all die Appelle, die Leipziger mögen doch Wege unter 5 Kilometer zu Fuß oder mit dem Rad zurücklegen, nur heiße Luft.

Die Umweltverbände fordern zwar alle Bürgerinnen und Bürger auf, sich für einen behutsamen Umbau der Karli einzusetzen. Doch gerade bei den LVB ist man mittlerweile mehr als irritiert über den vehementen Kampf der Umweltverbände gegen eine freie Fahrt der Straßenbahn.

Noch bis zum 28. März besteht die Möglichkeit der Bürgerbeteiligung. Dann wird die finale Variante der Planer in einem letzten Bürgerforum vorgestellt, um danach in die Entscheidungswege des Stadtrates einzufließen.

http://www.lvb.de/karli

www.oekoloewe.de/karli

leipzig.adfc.de

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