Nicht nur der 17. Oktober zeigte, dass die Probstheidaer die Diskussion um mögliche künftige Straßenbahntrassen in ihrem Ortsteil sehr erst nehmen. Damals kamen über 300 interessierte Leipziger zum Bürgerforum ins Humboldt-Gymnasium - die meisten aus Probstheida. Im Anschluss wurden Freiwillige gesucht, die bereit waren, auch an einer intensiveren Bürgerwerkstatt teilzunehmen. Diese Werkstatt fand am Samstag, 16. November, in der Nikolaischule in Stötteritz statt.

45 hatten sich am 17. Oktober freiwillig gemeldet. Viele aus Wohnbereichen, die von einer der neun diskutierten Trassenvarianten direkt durchschnitten werden würden. “Da mussten wir das Los entscheiden lassen”, sagt Fritjof Mothes vom Stadtlabor, der Forum und Werkstatt moderierte, “damit wir die möglicherweise Betroffenen einigermaßen gleichmäßig in den drei Arbeitsgruppen vertreten haben.” Denn bei jeder Trassenvariante sind andere Anwohner direkt oder indirekt betroffen. “Und”, so betont Mothes, “wir wollten auch Bürger mit in den Arbeitsgruppen haben, die auch den gesamtstädtischen Blick auf das Ganze haben.”

Denn auch das Bürgerforum hatte gezeigt: Wenn man eine Straßenbahn bis zum Herzklinikum in Probstheida bauen will, darf man die Verkehrsbeziehungen nach Stötteritz, Holzhausen, Meusdorf und ins Stadtzentrum nicht außer Acht lassen. In Stötteritz sind die Probleme mit der starken Verkehrsbelastung noch nicht gelöst. Im Zusammenhang mit dem “Mittleren Ring” fanden hier schon intensive Bürgerwerkstätten statt.

56 Leute nahmen am Samstag, 16. November, an der Bürgerwerkstatt teil. Zu den Bürgern, die sich freiwillig gemeldet hatten, stießen noch Fachplaner und Fachleute von LVB und Stadt und direkt Beteiligte wie Vertreter des Herzklinikums und des Bauentwicklers unterplan, der rund um die Franzosenallee seit Jahren ein Quartier nach dem anderen entwickelt. Denn es geht im Ursprung um einen neuen Flächennutzungsplan. Mit 313 nummeriert und natürlich die Planungsgrundlage sowohl für unterplan als auch für das Fresenius-Rhön-Klinikum, das am Standort Probstheida weitere Investitionen plant. Letztere könnten in näherer oder späterer Zukunft so viel Besucherverkehr erzeugen, dass eine Straßenbahnanbindung notwendig ist.Noch ist das Zukunftsmusik. Aber um eine solche Straßenbahnanbindung zu ermöglichen, müssen im Flächennutzungsplan entsprechende Trassen frei gehalten werden. Und damit die Probstheidaer mitentscheiden können, wo, wurde die Bürgerbeteiligung dazu gestartet. Am 17. Oktober wurden den Forumsteilnehmern insgesamt neun Trassen vorgestellt – mit Vor- und Nachteilen und auch mit den fachlichen Begründungen.

Eines aber war klar: Man kann in einer auf sieben Stunden terminierten Werkstatt nicht über neun Trassenvarianten diskutieren. Anschauen freilich musste man sie schon. Deshalb fuhren die Werkstattteilnehmer am Samstagmorgen um 9 Uhr erst einmal mit dem Bus nach Probstheida, schauten sich jeden Trassenvorschlag vor Ort an, griffen auch mal zum Bandmaß, um eine geplante Kurve der Straßenbahn um die Grundschule Probstheida auszumessen, und hatten nach der Tour erst einmal einen Wunsch: abzustimmen darüber, über welche Varianten tatsächlich ernsthaft diskutiert werden soll.

Das schied die sinnvollen Varianten dann ziemlich schnell von denen, die auch bei längerer Diskussion keine Zustimmung finden würden.Und so flogen dann zur Mittagsstunde fünf Trassenvarianten per Abstimmung aus dem Rennen.

Die fünf ausgeschiedenen Varianten:

– Variante B1, die direkt über den Dorfanger von Probstheida geführt hätte. Dieser Eingriff in einen historischen Ortskern wäre einfach zu gravierend gewesen.

– Variante B2 über Nieritz- und Strümpellstraße. Nicht nur die Probstheidaer empfanden diese Variante als reine Katastrophe, denn dieser Straßenzug, über den auch die Rettungsfahrzeuge zum Klinikum fahren, ist jetzt schon vom Individual- und Lkw-Verkehr hochgradig belastet. Noch eine Straßenbahn in dieser Straße, und das Chaos ist perfekt.

– Variante B3, die von der Franzosenallee gleich über den Grünzug Richtung Herzklinikum abgebogen wäre. Hier wäre die Kurve direkt vor der Grundschule gewesen und der Grünzug hätte geopfert werden müssen. Das wollten die Werkstattteilnehmer nicht.

– Variante B5, die so genannte Außenvariante, die erst ganz bis zum Ende von Probstheida gezuckelt wäre, um dann quasi im Bogen zum Herzklinikum in umgekehrter Richtung zu fahren. Da hätte man zwar das Wohngebiet verschont – aber was soll eigentlich eine Straßenbahn ohne Anbindung im Wohngebiet?

– Variante A1, die hinter Stötteritz in einem Knick über den Acker geführt werden sollte. Eine der drei A-Varianten, bei denen die Linie 4 aus Stötteritz zum Parkkrankenhaus südlich vom Herzklinikum geführt wird.

Mehr zum Thema:

Bürgerforum zu Straßenbahntrassen in Probstheida (1): Die Fehler wurden schon in den 1990er Jahren gemacht
Am Donnerstag, 17. Oktober …

Mit der Straßenbahn zum Herzklinikum (2): Die elf Trassenvarianten im Detail
Gibt es schon eine Vorzugsvariante …

Bürgerforum zu Straßenbahntrassen in Probstheida (3): SBB plädiert für eine moderne Busflotte in Probstheida
Leipziger Stadtplaner versuchten zwar …

Die drei A-Varianten basieren im Grunde auf dem alten Flächennutzungsplan für das Gebiet nördlich von Probstheida. Hier war die Verlängerung der Linie 4 schon in den 1990er Jahren geplant, um den damals vom Uniklinikum geplanten Standort zu erschließen. Das Klinikum hätte auch nicht so einsam gelegen wie heute Herzklinikum und Parkkrankenhaus, denn zwischen Holzhäuser Straße und Probstheida war damals noch ein komplettes neues Wohngebiet geplant. Dieses hat der Stadtrat mit dem neuen dort geltenden Flächennutzungsplan komplett gestrichen. Die Linie 4 würde also jetzt in jeder Variante “über den Acker fahren”.

Um das Herzklinikum anzuschließen, wurden deshalb die neuen B-Varianten entwickelt, die aber den Nachteil haben: Sie müssen durch schon erschlossenes Wohngebiet oder auch schon existierende Park- und Kleingartenanlagen geführt werden.

Über die verbleibenden vier Trassenvarianten (A2, A3, B4 und B6) wurde dann in drei Arbeitsgruppen eingehender diskutiert, um eventuell auch schon ein Bild davon zu gewinnen, was dann künftig im Flächennutzungsplan auftauchen soll. Und da gab es dann am Tagesende auch für Stadtplaner Jochem Lunebach eine Überraschung.

Dazu gleich mehr an dieser Stelle.

Alle diskutierten Straßenbahnvarianten als pdf zum Download.

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